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Interview: BLIND GUARDIAN TWILIGHT ORCHESTRA
Titel: Strategisch ausgereift

Da ihr Epic Power Metal-Portfolio einfach gigantisch ist, und sie als akribisch tüftelnde Perfektionisten sowie absolute Sound-Pedanten mit Blind Guardian bekannt wurden, dauerte die Verwirklichung des neuen Orchesteralbums auch eine halbe Ewigkeit.

Doch nun präsentieren Sänger Hansi Kürsch und Gitarrist André Olbrich der Welt endlich das spannend konzipierte und wahrlich monumental arrangierte „Legacy Of The Dark Lands“. Von der vollzogenen Zusammenarbeit mit Buchautor Markus Heitz, wobei insbesondere dessen aktueller Fantasy-Roman „Die dunklen Lande“ herangezogen wurde, profitieren die neuen Stücke von Blind Guardian Twilight Orchestra ganz enorm. Hier kommt der begnadete Homburger Phantastiker nun verdientermaßen zu Wort, mit Hansi an der Seite.

Wie Markus sich zurück erinnert, begann für ihn persönlich alles 2011 mit einer ziemlich überraschenden E-Mail.

„Hansi schrieb mich an - und ich wollte es zuerst nicht glauben, dass es der echte Hansi ist. Er outete sich als Fan und fragte einfach, wie es denn mit einer Zusammenarbeit aussähe. Das ist schon ein bisschen irre. Zumal wir damals Blind Guardian sehr oft beim Pen&Paper-Rollenspiel hörten. Zack, schon arbeitet man mit Bands zusammen, die man früher nur hören durfte. Sagte ich schon ‚irre‘? [lacht] Es ging um ihr orchestrales Projekt, bei dem ich mich sozusagen um den Inhalt kümmern könnte. Wenn ich wollte. Was für eine Frage!“

So erlebte der in Deutschland als einer einer der erfolgreichsten Fantasy-Autoren Bekannte das Zueinanderkommen mit dem Blind Guardian Twilight Orchestra als regelrecht überwältigend, wie er unbekümmert vom Stapel lässt.

„Also, wie kann man da nicht begeistert sein? Also, bitte! Bei anderen Bands hätte ich vielleicht gezögert - aber bei Blind Guardian? Never ever. Keine Angst, keine Scheu, einfach nur: machen! Es gibt ohnehin so einige Metalheads in meinem Fan-Kreis, gerade in der Abteilung Fantasy und insbesondere bei den Zwergen und Albae. Jedes Jahr werde ich wieder von Fans gefragt, ob ich nicht nach Wacken kommen möchte, um mal vorzulesen. Von daher waren die Reaktionen aus der Ecke begeistert, und die nicht-metallischbewanderten LeserInnen zeigten sich neugierig, wie gut es eine Metalband auf dem Kasten hat, ein Orchesterprojekt hinzustellen.“

Bei letzterem Statement schaltet sich Hansi ebenso automatisch wie deutlich angeregt ein:

„Ich hoffe, die Leute finden das Endresultat auch so toll wie wir. Es war so unsagbar viel Mühe und aufwändige Arbeit vonnöten, um es exakt nach unseren individuellen Vorstellungen wachsen und werden zu lassen. Bewusst haben wir die ganzen - sehr textintensiven - Hörspielpassen einfließen lassen. Diese sind auch nicht mit unnötig viel an Hightech aufgeblasen, sondern viel eher im 70er- & 80er-Jahre-Stil angelegt. Ja, organisch kann man das durchaus nennen, nicht umsonst haben wir einen beinahe unvorstellbaren Aufwand betrieben, damit sich möglichst alles so authentisch und natürlich wie nur möglich anhört. Ein unterhaltsames Beispiel: Wir kletterten tatsächlich auf eine Burg, und die dabei entstehenden Geräusche wurden dann zusammen mit den Sprechbeiträgen der Rezitatoren aufgenommen, die dabei über aufgestellte Lautsprecher erschallten.“

Markus hingegen empfand die Zusammenarbeit mit Hansi insgesamt als sehr entspannt, so lässt er wissen. „Wir hatten ein erstes Konzept, das wir aber recht schnell wieder verwarfen und uns hinüber in den Dreißigjährigen Krieg bewegten, weil wir das Setting beide sehr gut fanden. Ich hatte auch schon ein Projekt halb vorbereitet, welches ich rasch weiter ausarbeitete. Das bildet die Grundlage des Albums ‚Legacy Of The Dark Lands‘. Blind Guardian wiederum nutzten es als Steinbruch und Inspiration dafür, welche Komponenten sie daraus besonders ausleuchten und betonen wollten. Ich habe absichtlich keine Vorgaben gemacht und von außen verfolgt, wo die kreativen Köpfe die Schwerpunkte in meiner Story setzen.“

So kristallisierte sich auch relativ schnell heraus, ergänzt Markus, dass Blind Guardian seinen Roman ‚Die dunklen Lande‘ musikalisch nicht nur einfach nacherzählen wollten, sondern etwas gezielt Eigenständiges vertonen werden.

„Von daher bildet der Roman den Auftakt, ich schrieb die Story sozusagen weiter, die viele Jahre nach dem Roman spielt, und die Jungs setzten die Fortsetzung nach ihrem künstlerischen Sinn in musikalische Szene. Somit ist es für die Leserschaft und die Zuhörer gleichermaßen spannend. Nicolas, der Anführer der Söldner in der Story, erlebt im Jahr 1629 gegen Ende des Krieges seinen persönlichen Albtraum - bei dem es um Liebe, Aufopferung und sein eigenes großes Geheimnis geht, von dem er nichts ahnt. Na, sagen wir, nicht so wirklich.“

Hansi hierzu: „Wir Musiker machten uns auch genau darüber Gedanken, wie wir das Ganze so gestalten, dass es trotz des opulenten, ‚instrumentellen Bombasts‘ nicht zu überfordernd wirkt. Es stellte sich diesbezüglich als richtig heraus, zunächst einzelne Songs zu erarbeiten und diese sich völlig ohne Zwänge entwickeln zu lassen. Die Stücke wurden in sich allesamt daher sehr schlüssig, mit passenden Stimmungsbögen - Ziel war es schließlich originär, eine schöne musikalische Geschichte zu erzählen. In der Produktion bemerkten wir dann, dass da echt viel passiert. Da reifte der Gedanke, wie man all die verwendeten Elemente so zueinander bringen beziehungsweise arrangieren kann, dass es auch eine größere Bandbreite von Hörern ansprechen wird.“

Bei der Auswahl der einzelnen Themen(kontexte) hatten Blind Guardian laut Markus aufgrund der Storybasis vollkommen freie Hand. „Oder sagt man da freies Komponieren? Einige Stücke lagen als Rohfassung schon vor, die sich über die Jahre ansammelten, und die mussten angepasst werden. Weil wir unser erstes Konzept über den Haufen geworfen hatten. Dennoch fügte sich alles perfekt ineinander. Das war der Moment, wo ich staunend verfolgte, wie es sich mehr und mehr zusammensetzte, von Melodien, Text und bis hin zu den Sprecherstellen, die eine unglaubliche Atmosphäre aufbauen. Es ist meine Story, insofern liegt mir alles sehr nahe. Ich fand es faszinierend zu sehen, wie Blind Guardian es interpretierten und zu ihrem Stoff machten. Das macht den Reiz einer solchen Zusammenarbeit aus.“

Wenn man knappe acht Jahre gemeinsam an etwas arbeitet, mal mehr, mal weniger und zum Schluss wiederum sehr intensiv, dann kommen da einige Stunden zusammen, resümiert der Homburger Autor.

„Hin und wieder trafen wir uns zur Besprechung, das Allermeiste ging jedoch über E-Mail. Und was war ich ‚geflasht', als ich vor einigen Wochen das Album zum ersten Mal in Gänze hörte. Es hat sich so was von gelohnt und ist eine große Ehre, an diesem Werk beteiligt zu sein. Zudem bringt es stets neue Erkenntnisse über das kreative Denken und Vorgehen anderer Künstler. Und das wiederum hat einen positiven Effekt auf mein Denken und meine Inspiration. Abgesehen von den Besprechungen, saß ich schon ein paar Wochen an der Storybasis. Die Hauptarbeit dabei hatten natürlich Blind Guardian. Hört man sich das fertige Album an, versteht man, warum es so lange dauerte, bis die Stücke so klangen, wie sie klingen: Jahre.“

Markus arbeitete bereits schon öfter mit Bands zusammen, wie QNTAL, Corvus Corax und Persephone. Doch mit Hansi war es anders als bisher, sagt er.

„Diese Form der Zusammenarbeit unterschied sich erneut in ihrer Intensität, gerade weil wir auch den ersten Entwurf komplett in die Tonne traten. Doch es war wichtig, alles auf den Prüfstand zu stellen und zu sagen: ‚Nein, wir brauchen und wollen etwas anderes.‘ Insofern ist es schwer in Worte zu fassen, aber es ist was zwischen ‚Hell, yeah!‘, ‚WTF?‘, einer großen Ehre und anhaltender Begeisterung. So ein kleines bisschen Ewigkeit ist ja bei allem Wissen um Vergänglichkeit nicht schlecht“, verlässt es den Mund mit einem Grinsen.

An Musik hört er sich recht Unterschiedliches an, gibt er noch preis.

„Der Schwerpunkt liegt natürlich auf den Spielarten des Gothic-Bereichs, aber auch das Metallische kommt nicht zu kurz - gerade läuft die neue Queensryche im Hintergrund, ansonsten gerne auch mal Klassik und viele Soundtracks. Das ist sehr tagesformabhängig. Und sollte mal was Gutes im Radio kommen, schalte ich nicht weg. Was zugegebenermaßen nicht so oft vorkommt. Aber dafür hat man ja den eigenen Kram dabei.“

© Markus Eck, 09.11.2019

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