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Interview: BACIO DI TOSCA
Titel: Feierlicher Trübsinn

Und wenn das Herz auch bricht, Leidenschaften verleugnet man nicht. Derart gereimt könnte man sowohl Plattentitel als auch Attitüde von Sopranstimme Dörthe Flemming im aktuellen Fall in einem umschreiben.

Und in der Tat, die deutsche Grande Dame höchst anspruchsvoller Dark Wave Neoklassik schiebt mit ihrem zweiten Soloalbum nun erneut eine beängstigend durchdachte Reifeleistung in die Genrenischen eines weithin ausgereizten Metiers hinein.

Und bot das 2007er Debüt „Der Tod und das Mädchen“ sogar noch ein klitzekleines Quäntchen an subtilfreudiger Leichtigkeit, so zeigt sich die begnadete Ausnahmestimme mitsamt ihren Musikern auf dem aktuellen Melancholiemanifest „Und wenn das Herz auch bricht“ jetzt komplett von tieftraurig und erschüttert gestimmten Wesensseiten.

Trotzdem gibt es einen Grund zu großer Freude: Denn ich habe mal wieder das Glück und bekomme einen weiteren Einblick ins vielfältig facettierte Innere der so idealistischen Nobelvokalistin gewährt.

Die Idee, ein Album mit Vertonungen von romantischen Liebesgedichten zu machen, hatte Dörthe laut eigener Aussage schon bei ihrer Arbeit am Debütalbum „Der Tod und das Mädchen“:

„Eine entsprechende Auswahl an in Frage kommenden Gedichten war demnach schon vorhanden und auch schon einige Melodiefragmente. Der zurückliegende Kompositionsprozess zum aktuellen Werk war für mich trotzdem weder schwieriger noch leichter – nur mit der Vertonung des Michael Ende-Textes habe ich mich etwas schwerer als sonst getan. Ich liebe `Die unendliche Geschichte`! Dieses Buch berührt mich auf eine ganz besondere Weise – speziell wegen seiner Aussage wie wichtig und heilsam die Liebe ist. Auch hemmte mich zunächst mein großer Respekt vor der Arbeit Michael Endes. Ich habe daher eine ganze Reihe von Ideen verwerfen müssen – bis ich mich letzen Endes entschieden habe, es mehr wie ein `Kinderlied` klingen zu lassen und mich stimmlich zurück zu nehmen. In etwa also so, als würde ich meinen Kindern etwas vorsingen. Das passt einfach am besten zu dem Kapitel aus dem der Text stammt“, resümiert die betont ästhetisch empfindende deutsche Gesangskünstlerin zu Beginn ein wenig.

Zunächst entstanden am Klavier die ersten Melodieentwürfe und die dazu passenden Harmonien, so Dörthe. „Ich habe diesmal größtenteils mit erweiterten Kadenzen gearbeitet, um die Lieder harmonisch interessanter zu gestalten und einzelne Worte und Textpassagen noch besser hervorzuheben. Durch diese Vorarbeit wurde mir außerdem die spätere Arbeit im Studio erleichtert, da das harmonische Grundgerüst bereits vorhanden war.“

Und auch diesmal hat die Sopranistin wieder mit Jörg Knieschewski als Produzenten zusammen gearbeitet. Ein Umstand, der ihrer Auffassung nach ganz sicherlich einen Einfluss auf die neue Musik von Bacio Di Tosca hatte:

„Durch seine Position ist er der erste, der meine musikalischen Ideen zu Gehör bekommt und mir somit das erste `Feedback` gibt. Seine andere Sichtweise tut den Liedern gut, man läuft einfach nicht so schnell Gefahr sich `festzubeißen`. Bei Bacio Di Tosca handelt es sich ja nach wie vor um mein Soloprojekt und so gab es daher bezüglich der Gastmusiker ganz klare Vorstellungen meinerseits – die aber mehr als zufrieden stellend umgesetzt wurden. Die Zusammenarbeit mit Sascha Blach, bekannt von Transit Poetry, der den männlichen Gesangspart in `Waldesgespräch` übernahm und mit Ralf `doc` Heyne an der Gitarre gestaltete sich sehr professionell und unkompliziert“, freut sich die Frau mit dem Faible für ihrer Musik auch angemessene Kostüme.

Nach wie vor lässt sich die Sängerin vor allem vom klassischen Kunstlied inspirieren, wie außerdem noch von ihr zu erfahren ist.

„Außerdem habe ich mir verstärkt Aufnahmen beispielsweise von Mahler, Grieg oder Brahms zu Gemüte geführt, um dabei zu analysieren mit welchen kompositorischen beziehungsweise musikalischen Mitteln dort verschiedene Stimmungen umgesetzt wurden; was dem aktuellen Album ganz sicherlich zugute kam. `Und wenn das Herz auch bricht` ist ein weiterer Schritt nach vorn auf meinem musikalischen Weg!“

Für Dörthe ist ohnehin jedes neue Lied eine Herausforderung, wie sie weiter berichtet – zu sehen, inwieweit sie in der Lage ist, ihre Vorstellungen für andere hörbar umzusetzen. Oder darüber zu staunen, wie selbstständig sich ihre Musik dann zuweilen macht und sie in eine Richtung führt, an die sie zunächst so nicht gedacht hätte – aber am Ende doch zu einem schlüssigen Ergebnis führt. Sie expliziert hierzu:

„Auf jeden Fall stecke ich meine Ansprüche an mich selbst sehr hoch, was einerseits dazu führen kann, dass man schon mal an sich selbst verzweifelt, andererseits aber unbedingt notwendig ist für die künstlerische Entwicklung. Das ist etwas wogegen ich mich nicht wehren kann. Ich folge einfach der Intuition meines Herzens. In jedem Lied das ich komponiere steckt ein Teil von mir!“

Die Lyriken des aktuellen Albums drehen sich laut Auskunft der Dame um verlorene Liebe, um nicht erwiderte Liebe, sogar um Liebe die zum Wahn wird, um unmögliche Liebe, um die Kraft der Liebe. Eben einfach um die Liebe. Dörthe liebt die Liebe, kein Zweifel:

„Und wie schon beim letzten Album kam die Entscheidung zur Vertonung der jeweiligen Texte bei mir auch diesmal ganz schlicht `aus dem Bauch`. Aber es lässt sich nicht verleugnen, dass es da auch `Lieblingsautoren` bei mir gibt, wie beispielsweise Heine oder Eichendorff. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht noch interessant zu wissen, dass der Autor von `O wärst du mein!`, Nikolaus Lenau, an seiner unglücklichen Liebe zu einer verheirateten Frau physisch und psychisch zerbrochen ist. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er als pathologischer Fall in einer Nervenheilanstalt. Das habe ich auch in die Vertonung mit einfließen lassen.“

Auf der neuen CD findet sich ein Remix von Bruno Kramm, bekannt von Das Ich, so Dörthe:

„Bruno stand dem Projekt Bacio Di Tosca ja immer schon sehr positiv gegenüber. Bei einem Treffen auf dem WGT entstand dann spontan die Idee für diesen Remix. Es war für mich sehr spannend, was Bruno aus der Vorlage machen würde und ich wurde nicht enttäuscht – das Ergebnis ist Klasse! Bei der Entstehung der aktuellen Promofotos gab es noch eine Geschichte, die mir heute noch ein mulmiges Gefühl beschert: Als Kulisse diente uns ein leer stehendes Krankenhaus. An diesem Tag gab es auf dem Gelände noch ein anderes Fotoshooting mit mehreren Fotografen und Modellen, welche uns dort auch über den Weg gelaufen sind. Eines der weiblichen Modelle kam nur wenige Stunden später, im nahe gelegenen Hotelzimmer durch einen tragischen Sex-Unfall ums Leben. Irgendwie hat das einen Schatten über die entstandenen Fotos gelegt.“

Was es nicht alles so gibt. Wir zwei gehen zum neuen Coverfoto des Albums in die Tiefe. Ich merke an, ob das Frontbild der Veröffentlichung etwa ein zynischer Verweis auf die Prostitution der Kunst in der Moderne sein soll.

„Ja, das trifft es ziemlich genau! Aber nicht zuletzt finde ich auch den Kontrast zu den düster-romantischen Gedichten sehr reizvoll, deren Aussage durch diesen Gegensatz noch verstärkt wird. Wir haben lange nach einem passenden Motiv gesucht, welches das zu leisten vermag – und dann hatte Jörg diese Idee mit dem Prostitutionshintergrund. Fotografisch umgesetzt wurde es letztlich vom Fotografen Carsten Schulze. Ich persönlich finde das Cover genial aber ehrlich gesagt hatten wir anfänglich auch die Befürchtung, dieses Titelfoto könnte eventuell missverstanden werden oder gar einige der Bacio Di Tosca Fans verschrecken. Umso mehr waren wir dann erleichtert, als die ersten Reaktionen kamen, die alle durchweg begeistert ausfielen.“

Durch die relativ geringe Live-Präsenz von Bacio Di Tosca letztes Jahr 2007 blieb Dörthe für die Aufnahmen zum neuen Output mehr Zeit als sonst üblich. „Dadurch, dass wir den Großteil der Aufnahmen in unserem eigenen Studio gemacht haben, standen wir auch hier nicht sonderlich unter Zeitdruck. Wie lange die Aufnahmen des jeweiligen Liedes dann gedauert haben war stark unterschiedlich. Mit einigen Liedern wie beispielsweise `Tu was Du willst` bin ich sehr lange `schwanger` gegangen. Die Arbeit an einem Album ist für mich unglaublich erfüllend, dieses Gefühl etwas zu `erschaffen` – wenn Emotionen zu Musik werden! Eine große Herausforderung bei Bacio Di Tosca ist es meiner Meinung nach jedenfalls vor allem immer wieder, den klassischen Gesang im Studio richtig einzufangen, da dieser ja eher für große Theatersäle gedacht ist.“

Apropos, Live-Situation; Dörthe erwähnt in diesem Kontext noch: „Besonders erwähnenswert sind dazu sicherlich unsere zwei Auftritte auf dem letzten Wave Gotik Treffen. Vor allen Dingen der Auftritt in der Krypta im Völkerschlachtdenkmal hatte eine unglaubliche Atmosphäre! Alle Anwesenden im Publikum haben sehr andächtig gelauscht. Das war wirklich ein sehr dankbares Auditorium, vor dem es mir sehr viel Freude gemacht hat zu singen. Für kommendes Frühjahr 2008 sind einige Einzelshows oder auch eine kleine Tour geplant.“

© Markus Eck, 20.10.2008

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