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Special: Napalm Records Jubiläum - Jahre 11-20 (2002 - 2012)
Titel: Stetiger, überlegt fokussierter Aufbau - belohnter Mut zum Risiko

Nach der großen Jahrtausendwende standen alle Label-Firmen weltweit vor wichtigen neuen Entscheidungen, sahen sich gigantischen, und nachhaltig verändernden Innovationen gegenüber.

Selbst bis dato allmächtige Industrie-Riesen und in allen Nuancen fest etablierte Major-Labels hatten sich weitgehend neu zu orientieren. Einige Querköpfe gingen dabei unter. Andere, gerade die neueren unter den ‚Global Metal Playern‘ nutzten die erweiterten Möglichkeiten der Musikvermarktung.

Das ‚Digitale Zeitalter‘ brachte jedenfalls so ziemlich alles massiv ins Wanken, was bis dato als prinzipieller, unantastbarer Parameter galt. Auch Napalm-Max hatte sich den Entwicklungen und Neuerungen offen zu stellen. Kein Problem jedoch für den felsenfest zu Weiterem entschlossenen Selfmade-Man aus Eisenerz!

Wie hast du das Jahr 2002 hauptsächlich in Erinnerung, was den langsam aber sicher stärker gewordenen, damaligen Wandel mit Napalm Records ins Computer- und Internet-Zeitalter angeht?

Max: Man muss selbstverständlich stets mit der Zeit gehen und dabei jederzeit offen für Neues sein, sowie auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Die ganze Entwicklung war und bleibt jedenfalls spannend.

Haben dir Computer das tagtägliche Arbeiten als Label-Chef eher massiv erleichtert - oder wurde die Arbeit für dich am Ende dann sogar noch weitaus mehr, weil viel mehr Möglichkeiten damit auftauchten?

Max: Computer, Internet etc. haben uns allen die Arbeit ungemein erleichtert - es gingen damit aber leider auch einige negative Eigenschaften einher. Im Prinzip wurde dadurch der komplette Musikmarkt damit von Grund auf revolutioniert.

Black Metal war immer noch das ‚Ding der Stunde‘, wenn man sich beispielsweise an Thy Antichrist, Mactätus, Siebenbürgen etc. zurück erinnert … welches waren ab dem Jahr 2002 die erfolgreichsten Label-Bands im Napalm Roster?

Max: Hierbei sind ganz klar Tristania mit ihrem Erfolgsalbum „World Of Glass“ zu nennen, veröffentlicht Ende September 2001 - zu der Zeit ging es richtig steil in Richtung Gothic Metal. Und The Sins Of Thy Beloved konnten sich in dieser Sparte mit ihrem 2000er Album „Perpetual Desolation“ ebenfalls noch sehr gut behaupten, nachdem von der ebenfalls norwegischen Gruppe 1998 mit „Lake Of Sorrow“ ein wirklich optimaler Start absolviert wurde.

Viele werden sich bestimmt noch ziemlich gut daran erinnern, wie die zu der Zeit, mit genannten Tristania und The Sins Of Thy Beloved so fruchtbar begonnene, Gothic Metal-Welle bei Napalm Records konsequent weitergeführt wurde. Insbesondere auch mit neuen, frischen Acts wie Visions Of Atlantis. War es schwierig bis schwer, nach all den Jahren mit eher sehr harter bis extremer Musik im Label-Programm den Schritt in noch kommerziellere Gefilde zu wagen?

Max: Nein warum? Man kann ja nicht ewig am Selben festhalten. Vor allem erst recht nicht, wenn da nichts Neues passiert oder kommt. Der Hörer will ja nicht die zehnte Kopie von XY - und das ist auch gut so.

Ende 2003 bescherte vor allem auch „Ok Nefna Tysvar Ty“, das wichtige dritte Album des Viking Metal-Regenten Falkenbach einen gigantischen Erfolg für Napalm Records. Spornte dich das erst so richtig an, die Firma nun noch mehr vergrößern zu wollen?

Max: ‚Gigantischer Erfolg‘ ist immer relativ. Falkenbach war sicherlich ein tolles Thema für uns - aber den Weg dafür, die Firma zu vergrössern, haben definitiv Tristania geebnet.

Der Erfolg wurde größer, die Bandliste vermehrt, Napalm Records wurde breiter in Stilen und Mannschaft aufgestellt.

Resultat dieser seit jeher vorhandenen Risikofreudigkeit über die Jahre waren bekanntlich vor allem Signings von ganz speziellen Acts wie Belmez, Hollenthon, Ahab, Naio Ssaion, Kreuzweg Ost oder den Glam Rockern Wig Wam.

Thomas Caser fing bereits 2002 als PR Assistant an. Wie fühlte es sich an, auf einmal immer mehr Mitarbeiter im Team zu haben und damit natürlich auch mehr gewichtige Verantwortung?

Max: Ganz klar, je höher die Fixkosten aufsteigen, umso mehr kommt an umfassender Verantwortung für das Ganze dazu. Aber eine Firma kann eben einfach nicht wachsen ohne Struktur im Hintergrund. Irgendwann waren die zeitlichen Kapazitäten meiner Person am Ende.

Bist du selbst eher ein offener Teamplayer, oder funktionierst du am allerbesten bei voller, tiefer Konzentration im eigenen, abgeschirmten Office?

Max: Wir funktionieren nur als Team. Fest steht: Napalm Records wäre ohne seine fleissigen und ambitionierten Mitarbeiter nichts.

Irgendwann wurde dann schließlich das mittlerweile weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Napalm Records Betriebsgebäude in Eisenerz gebaut. Wie hast du dies primär in Erinnerung - eher Freude über größere Lagerräume oder eher Belastung wegen Umzug der ganzen geschäftlichen Infrastruktur? Es war auf alle Fälle bestimmt sehr stressig, das alles abzuwickeln neben dem Label-Tagesgeschäft!

Max: Ja, jeder Umzug ist mit einem ziemlich hohen Aufwand verbunden. Das Tagesgeschäft musste natürlich auch nach wie vor akkurat und zeitnah verrichtet werden. Mein damaliger Jahresurlaub bestand zumeist lediglich aus drei bis vier Tagen (!) am Stück, was natürlich viel wenig war, um die ‚Batterien wieder aufzuladen‘, um mich zu erholen. Und davon wurde ich schließlich sogar krank, was mich unweigerlich zum Umdenken und zu mehr gesundheitlich Vernunft zwang. [lacht]

Die Bandfamilie im Hause Napalm wuchs und wuchs - nach und nach kamen zuvor eher doch wirklich undenkbare Stile wie Core-lastiger Metal, Stoner Metal, Heavy Metal, Doom Metal etc. ins Programm. Neue Medien-Partnerschaften mussten geschlossen werden, um global mit den Label-Bands präsent zu sein. Bist du selbst um die Welt geflogen dafür oder lief das primär über Telefon, E-Mail etc?

Max: Napalm war und ist ja natürlich keine One-Man-Show! Jeder von uns hier in der Firma hat seinen ganz eigenen, spezialisierten Aufgabenbereich. Und so wurde Stück für Stück an der kompletten Struktur geschraubt.

Zuvor hattest du ja als Oberhaupt und Talentscout die primären A&R-Belange einige Jahre als oberste Entscheidungsinstanz gehandhabt.

Irgendwann kam aber aufgrund der kontinuierlich ansteigenden Menge von Label-Bewerbungen etc. der eindeutige Bedarf für einen eigenen Artists and Repertoire-Posten bei Napalm Records auf. Eine Zeitlang war hier und dort auch ein Herr namens Nadir Amrioui anzutreffen, beispielsweise auf dem damaligen SummerBreeze, der offenbar besagtem Tätigkeitfeld für deine Firma zugehörig schien.

Ab wann hast du einen offiziellen A&R im Hause angestellt, der dir gezielt das Anhören von Demos und das Befassen mit Bewerbungen in deinem Sinne vor-aussortierte?

Max: Unsere erste Zusatzkraft im Bereich A&R war Thomas Caser. Und nach seinem Abgang wurde Thomas Steindl eingestellt.

Wie lief es überhaupt generell weiter für dich und deine Tätigkeit? Du hattest ja dann auch irgendwann deine eigene Familie gegründet und mehr von daheim aus gearbeitet, so kann man sich vorstellen.

Hast du dein tägliches Tätigkeits-Pensum denn mit den Jahren heruntergeschraubt oder bist du immer noch ein richtiger ‚Workaholic‘?

Max: Ja, 2006 wurde ich erstmals Vater. Aber die viele Arbeit beziehungsweise meine Selbstständigkeit gab mir leider nicht den Freiraum, den ich mir zu dieser Zeit gewünscht hatte. Und, ja, ich war immer bekennend und auch sehr gerne ein Workaholic und habe vieles gar nicht als Arbeit angesehen - mein Körper jedoch schon, und deshalb musste ich irgendwann unweigerlich kürzer treten.

Napalm Records expandierte im Laufe der Zeit sogar in den Riesenkontinent USA mit einer offiziellen Zweigstelle in Austin, Texas, um weitere Strukturen auszubauen. Definitiv ein Riesenschritt von Eisenerz aus! Wie lief dieses Unterfangen anfangs - eher zögerlich, oder vom Fleck weg prima?

Max: Leider hatte ich dahingehend am Anfang auf die falschen Leute gesetzt … und es wurde sehr viel Geld in USA verbrannt. Im Nachhinein könnte man es als Lehrgeld sehen. Aber wie wir alle wissen, machen die Steirer ihren Weg in den USA - Arnold Schwarzenegger war diesbezüglich mein Vorbild! [lacht]

Welche Napalm-Bands liefen denn anfangs in den kommerziell und stilistisch generell doch eher äußerst schwierig zu prognostizierenden Vereinigten Staaten von Amerika am besten?

Max: Sehr interessant - Tristania waren dort zu Beginn sogar auch in den USA unser absoluter Best-Seller.

Besonders bei wagemutigen, neuen Schritten ins dezent Unbekannte läuft es ja nicht immer wie zuvor eigentlich geplant … gab es also im Weiteren auch herbe Rückschläge, die du zu verdauen hattest? Oder wurde zuvor alles von dir so akribisch umrissen, dass es weitgehend risikofrei war?

Max: Wer unbedingt und absolut risikofrei arbeiten will, der sollte besser erst gar nicht selbstständig werden, sondern sich doch lieber irgendwo hinter dem Schreibtisch verstecken. Man entscheidet selbst über seine Zukunft - und natürlich kann alles in die Hose gehen. Immer wieder gab es daher auch für Napalm Records diverse Rückschläge. Besonders bitter war in dem Kontext die Vertriebs-Insolvenz von SPV, denn Deutschland war damals unser wichtigster Markt.

Die Metal-Kultur wurde insbesondere von Mitte bis Ende der Nuller Jahre wie die meisten anderen gesellschaftlichen Bereiche immer bunter, immer offener und immer vielfältiger - wie hattest du dich mit dem Label diesbezüglich neu beziehungsweise anders zu orientieren?

Max: Wir hatten uns der Herausforderung entschlossen gestellt und wurden damit ganz automatisch auch breiter in der Ausrichtung.

Es wurde in dieser Zeit durch die angestiegene Globalisierung vor allem dann auch sehr viel leichter, Band-Merchandise produzieren zu lassen, teils zu sagenhaft günstigen Preisen. Wie hast du dies für deine Label-Künstler genutzt - und was hat sich deines Erachtens nach dadurch geändert? Es gab so viel mehr an Masse, doch leider auch weniger Klasse in Sachen Qualität …

Max: Jeder Musiker kann natürlich seine eigene CD veröffentlichen, gerade wie er eben Lust und Laune hat. Ob das dann aber jemand wirklich braucht, das ist wiederum eine andere Frage. [lacht] Das Wegfallen der bisherigen Zölle und der damit verbundenen Formalitäten war selbstverständlich eine große Hilfe und hat die Lieferzeiten ungemein verkürzt. Und das ist nicht nur ein Vorteil für Unternehmer, sondern letztlich auch für Privatkunden. Wir lassen unsere Ware aber nicht um jeden Preis günstig herstellen. Denn wir bevorzugen vor allem möglichst hohe Qualität und auch guten, verlässlichen Service - und da können viele Unternehmen in den sogenannten Billiglohn-Ländern ohnehin gar nicht mithalten.

Inwieweit wie hat sich der groß sortierte Napalm Records Mailorder-Versand zum Ende der Nuller Jahre hin verändert, vor allem auch gegenüber den Anfängen? Primär durch höhere und Seiten-stärkere Druck-Auflage der Katalog-Magazine? Wie viele davon wurden in Spitzenzeiten global ausgesendet?

Max: Unser Angebot wurde auch im Mailorder-Bereich natürlich zeitgemäßer gestaltet und dadurch immer breiter und breiter. Unser physisch verschickter Katalog an sich spielt heutzutage durch den Online Shop allerdings nicht mehr so eine große Rolle. Deshalb haben wir vor einiger Zeit viel Geld in die Hand genommen, um einen ganz neuen Store entwickeln zu lassen, welcher in den nächsten Monaten online gehen soll. Ich denke, auf dem absoluten Höhepunkt der Versandstatistik waren es tatsächlich an die 100.000 Stück Kataloghefte, die an unsere Kunden versendet wurden.

Es wurde immer problemloser, CDs zu pressen, immer noch mehr Formationen traten an die Oberfläche, immer kürze Bandbiographien gingen oft damit einher.

Das Musikgeschäft an sich, es entwickelte sich immer sprunghafter. Das Ganze geriet aber auch in immer schnelllebigere Bahnen.

Stilistische Trends, musikalische Moden nahmen zu und zu und zu … wie hast du mit Napalm Records darauf reagiert betreffend Band-vertraglichen Inhalten?

Max: Wir versuchen, möglichst langfristige Künstler-Verträge abzuschließen und uns damit so viele Rechte wie möglich zu sichern, sogenannte ‚360-Grad-Verträge‘ zur gezielten Komplettvermarktung. Immerhin muss man als Plattenfirma viel Geld in die Hand nehmen, um später vielleicht einmal damit etwas zu verdienen.

Mitte bis Ende der Nuller Jahre stieg ja leider auch die Raubkopiererei und -Piraterie bis ins Unermessliche an. Wie stark wurde deine Label-Firma davon geschädigt - und wie bist du als Unternehmen am erfolgreichsten dagegen vorgegangen?

Max: Wir mussten zunächst eindeutig orientiert an die Vernunft unserer Kunden appellieren. Daneben gilt es für Napalm Records stets, den Leuten jeweilig ein möglichst hochwertiges Produkt anzubieten. Und wir warteten vorausschauend auf die Streaming-Dienste! [lacht] Wer heute wirklich noch ernsthaft daran glaubt, selbst raub-kopieren zu müssen, der hat es einfach nicht verstanden …

© Markus Eck, 22.06.2018

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