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Interview: VENOM
Titel: Altbewährte Ambitionen

Von dem wohl einmalig rau anmutenden und unduplizierbar diabolischen Gefühlserlebnis, welches die weltweiten unschuldigen Kuttenträger und Headbanger damals beim Hören des 1981er Debütalbums „Welcome To Hell“ überkam, kann heute wohl nur noch mit andächtiger nostalgischer Demut geträumt werden.

Noch immer elektrisierend klingende Songtitel wie der köstliche Opener „Sons Of Satan“ oder „In League With Satan“ führten überdies noch zu einer medialen Hysterie, die nachträglich ebenso verwunderlich wie höchst unterhaltsam erscheint. Gegen Ende der 70er Jahre im englischen Newcastle noch als Quintett unter dem Namen Oberon gegründet, führten Sänger und Bassist Conrad „Cronos“ Lant, Gitarist Jeff „Mantas“ Dunn und Schlagzeuger Tony „Abaddon“ Bray ihre musikalischen Geschicke nicht allzu lange Zeit später als Venom fort.

Tief beeindruckt und ergiebig inspiriert von Bands wie Motörhead (Sound) und Kiss (Image). Unerhört hart, oftmals teuflisch schnell und klanglich schockend primitiv, aber auch eingängig melodisch wurde da hörbar beherzt vom dämonischen Leder gezogen, wie man es sich bis dato nicht mal vorstellen konnte.

Der Dreier um Frontmann Cronos darf somit für sich beanspruchen, als eine der ganz wenigen hart musizierenden Formationen dieses Erdballs etwas wirklich Originelles auf die Bocksfüße gestellt zu haben.

Der nachfolgende Einfluss der plakativ-satanischen Attitüde des schlitzohrigen britischen Höllentrios auf ganze Legionen von Thrash- und Black Metal-Horden ist als wahrlich phänomenal einzustufen.

Das zweite Album „Black Metal“ firmierte ein Jahr nach dem bombenähnlichen Debüt gar als Namensgeber für eine ganze schwermetallische Stilrichtung.

Und letztere erfährt in Kürze mit der Veröffentlichung eines brandneuen Venom-Studioalbums eine abermalige Bereicherung. „Metal Black“ heißt das neue Werk, und laut impulsiver Aussage von Altmeister Cronos transportiert die Scheibe, schon aufgrund der Namensgebung andeutend, endlich wieder eine ganze Menge von dem guten alten Feeling der legendären englischen Rabauken in die Neuzeit. Und das ein Vierteljahrhundert nach der Bandgründung!

„Mit diesem Album erfinden wir den Black Metal neu. Auch wenn viele behaupten, die beste Besetzung von Venom wäre die mit mir, Mantas und Abaddon. OK, das mag ja durchaus sein. Als wir uns 1997 noch mal im originalen Line-Up zusammenrauften, um die Doppel-CD „Cast In Stone“ zu veröffentlichten, war dies eine großartige Sache. Für uns und auch für unsere Fans. Doch Menschen bewegen sich, Menschen verändern sich. Ich wollte nach wie vor Black Metal machen, doch Abaddon wollte nachfolgend lieber Industrial-Musik machen, während Mantas sich gar für New Metal erwärmte. Daraus entstand ein nicht geringes Problem für Venom. Für mich begann eine schwierige Suche nach neuen gleich gesinnten Mitstreitern. Denn für mich gab es immer nur einen geradlinigen Weg zu beschreiten: Den dunklen Pfad des Black Metal. Und es war ja ohnehin schon seit langem an der Zeit, den einzigartigen Venom-Spirit wieder tatkräftig zu beleben“, sprudelt es aus Cronos mit einer gewohnten Überportion an Selbstwertgefühl und schier nicht zu bremsender Erzähllaune heraus.

Zusammen mit Gittarist Mike „Mykus” Hickey und Drummer Antton Lant setzte sich der im Gegensatz zu seinen alten Bandkollegen stets unbeirrbare Okkult-Idealist laut nachfolgender Aussage schließlich zusammen und schrieb im Kollektiv an neuem Liedgut.

„Während des Kompositionsprozesses entstand ein wahres inneres Feuer ins uns allen dreien. Da entstanden exakt die Songs, die uns im Geiste vorschwebten und die wir drei Typen unbedingt machen wollten – die neuen Tracks kommen daher diesmal im urtypischen und unverwechselbaren Venom-Sound daher. Wir investierten diesmal ganz bewusst nicht eine Menge Geld in neues Equipment und Technik, das in zeitgemäßen Klang resultieren musste. Von daher konnten wir drei nach Belieben am zielsicher angestrebten rustikalen Sound der neuen Scheibe herum feilen. „Metal Black“ ist somit in jeder Art und Weise genau das neue Album, das die ganzen Venom-Anhänger hören wollen“, ist sich der außergewöhnlich redselige Vokalist mit vollem Brustton der Überzeugung 100%ig sicher, der auch im Folgenden nicht mit sich selbst lautstark bestätigenden „Hell yeah“-Ausrufen sowie rhetorisch recht impulsiv ausgestoßenen „Fuck“-Beigaben geizt.

„Auch wenn es unglaublich klingt: Unsere neuen Songs orientieren sich sehr an den frühen Sachen von Venom. Die aktuellen Lieder entstanden exakt auf die vollkommen unbekümmerte Herangehensweise, mit der auch unsere altbewährten Klassiker wie beispielsweise `Welcome To Hell`, `Witching Hour` oder `Countess Bathory` entstanden sind. Venom 2006 benötigen keine moderne Aufnahmetechnologie, keine verdammten seelenlosen Samples und keinen sonstigen modernen Scheiß. Wir spielten sämtliche Tracks für „Metal Black“ live zu dritt im Studio ein. Daher werden sich diese Lieder live auf der Bühne zu 100 % genauso anhören wie auf der zugrunde liegenden Platte. Live wird dieselbe Band mit denselben Songs und derselben Energie auftreten.“

Wie mir der Venom-Boss weiterhin in schneller Wortabfolge bekundet, stößt ihm die Verwendung von zuviel Studiotechnik in seinem heiß geliebten Metal-Genre schon seit längerer Zeit auf.

„Ich höre mir wie gesagt noch immer sehr viel an harter und sehr harter Musik an. Sieht man die meisten der `neuen` Acts jedoch live auf den Bühnen, erkennt man deren Songs oftmals nicht mal ansatzweise wieder. Was für ein Jammer! Nicht selten frage ich mich dabei, ob der Produzent das Album gemacht hat oder die Band. Man sollte hier doch stets künstlerisch auf den eigenen Beinen stehen und sich nicht von irgendeinem neunmalklugen Produzenten die Art und Anmut der eigenen Musik vorschreiben lassen“, empfiehlt Cronos mit eindringlicher Stimme.

Auch die Songtexte von „Metal Black“ könnten wohl typischer für die ursprünglich vermittelten lyrischen Inhalte von Venom nicht sein, so der charismatische Sänger und Tieftöner.

„Es geht endlich wieder um die Fans, um die Musik an sich, über die Bühnenshow und die dort versprühte Energie – und natürlich darum, allen in den Arsch zu treten. Überbegriffliche und hauptsächliche Botschaft der Scheibe ist es aber, dass der Teufel selbst noch immer die beste Musik macht. In diesem Zuge strotzen eben auch die neuen Texte zwischen den Zeilen vor teuflischen Anspielungen. Texte über Liebe und solchen Kram haben im Metal, und ganz besonders im Black Metal, überhaupt nichts verloren! Welcher wirkliche Black Metal-Fan will so einen verdammten Scheiß denn schon hören? Ich habe mich lange Jahre massiv mit allerlei okkulter Literatur, übersinnlichen Phänomenen und dämonischer beziehungsweise satanischer Symbolik beschäftigt, und mein Interesse dafür ist ungebrochen. Denn all diese Inhalte eignen sich einfach nur zu perfekt für Black Metal, und selbstverständlich natürlich auch für `normalen` Heavy Metal. Auf diese lyrische Art kann sich eine Band doch stets bestmöglich über die dunklen und mysteriösen Dinge des Daseins äußern. Ich bin noch immer ein verdammt begeisterter Fan von frühen Black Sabbath, die das damals mit überragendem und zeitlosen Songmaterial auf großartige Weise vorgemacht haben.“

Und des Teufels Spießgeselle nimmt im Folgenden kein Blatt vor den Mund.

„Der Albumtitel „Metal Black“ wurde ganz bewusst gewählt. Wir wollen zurück zu unseren Roots, wir wollen den ganzen heutigen bösen Nachwuchs-Schwarzmetallern mal wieder zeigen, wie sich wirklicher ursprünglicher Black Metal anzuhören hat. Venom werden in Sachen stilistischer Kategorisierung nur allzu oft in einen Topf mit den heutigen Black Metal-Bands geworfen – was ich so aber überhaupt nicht akzeptieren kann, denn hier werden doch ziemlich differierende Arten von Musik über einen Kamm geschoren. Die Musik dieser neuzeitlichen Bands ist doch eher als Death Metal einzustufen, wie ich meine. Für mich besteht Black Metal aus schnellen Songs, langsamen Songs, Medium-Tempo-Songs, Sex, Drugs, Rock’n’Roll und einer gehörigen Portion an Satanismus. Black Metal besteht aus allen diesen Zutaten, und nicht nur aus einer einzigen thematischen und stilistischen Ader.“

Er selbst hört sich, diesen Kontext betreffend, eine ganze Menge an unterschiedlicher Musik an, wie Cronos mir mit unverblümter Note offenbart.

„Eine Menge an jungen Bands senden mir immer wieder ihre Promo-CDs. Darunter sind verschiedenste Arten von Metal, die ich mir allesamt anhöre. Denn mein Herz hängt doch noch immer sehr am Underground. Ich liebe die massive Vielfalt, die der Metal zu bieten hat. Selbst eine sich von unserem Sound so extrem abhebende Band wie Slipknot höre ich mir sehr gerne an, oder alte Pantera, beispielsweise. Diese einzigartige Musik ist niemals totzukriegen, Jahr für Jahr gründen sich eine Unmenge neuer Bands, erscheinen unzählige neue Alben und werden viele Festivals veranstaltet. Wunderbar. So kann es gerne immer weitergehen.“ Wer stimmt dem anhaltend pfiffigen Altmeister dabei nicht vollauf zu?

© Markus Eck, 02.03.2006

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