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Interview: MENTAL DEFECT
Titel: Mit offenen Karten

„Unsere Songs reichen von ziemlich ruhig bis hinauf zu ,Hart-hoch-drei‘, aber dennoch sind sie immer melodisch orientiert“, legt Frontfrau und Sängerin Clodi, merklich von viel Selbstwertgefühl geprägt, das erstmal Credo ihrer umfassend interessanten Ästheten-Truppe dar.

Und tatsächlich, die potenten Melodic Dark Metal-Newcomer aus Leipzig decken auf ihrem aktuellen Debütalbum „Longplayer“ eine beachtliche Breite an emotionalen Aspekten und Atmosphären ab.

Mental Defect verstehen es eben nicht nur blendend, rasch fesselnde Ingredienzien in ihrem aufbauend dynamischen Material zu inszenieren, sondern das kompositionssichere Quintett bietet auch kernigen Druck.

Und der immens ideenreiche Mix der Gruppe pulsiert heftig, was von bestechend stimmungsvollen Tasten-Kaskaden und zuweilen poppigem Ambiente noch effizient veredelt wird.

Die Leipziger Melodic Dark Metaller sind, so die Vokalistin weiter, nicht mit bestimmten Zielen an die neue Platte herangegangen.

„Wir haben uns jetzt kein ,Das muss so und so werden‘-Ultimatum gesetzt und das liegt auch nicht in unserer Natur. Unseres Songs kommen aus dem Bauch heraus. Es wird so lang daran gefeilt, bis sie so klingen wie das Gefühl, welches sie dem Hörer vermitteln sollen - bis die Lieder quasi für sich selbst sprechen. Wir hatten ohnehin keinen speziellen roten lyrischen Faden im Bezug auf ein Thema, sondern wollten ein breites Bild von Mental Defect präsentieren; quasi wie ein Intro-Album für eine hoffentlich lange Periode von Veröffentlichungen.“

Und die Musik bei Mental Defect kommt laut Aussage von Clodi immer von Gitarrist Tien.

„Die Texte und Gesangslinien stets von mir. Wir sind, was das Komponieren angeht, eine feste Einheit und verstehen uns da nahezu blind.“

Nennenswerte musikalische Einflüsse werden daher eher weniger bei der Band umgesetzt. Meine Gesprächspartnerin hierzu:

„Unser Tien lässt sich - so sagt er selbst - nur ungern von außen beeinflussen. Er versucht beim Komponieren die für sich höchstmögliche emotionale Ebene seiner Riffs und Läufe zu erreichen. Ob er sich dabei klassischer Skalen oder moderner Techniken bedient, ist von Song zu Song unterschiedlich. Eine Orientierung an anderen Bands nimmt er jedoch nicht zur Hilfe. Er will eben etwas Eigenes schaffen und aus meiner Sicht ist das genau das, was Mental Defect ausmacht. Gesanglich sieht es jedoch etwas anders aus. Ich persönlich höre die unterschiedlichsten Musikstile und das beeinflusst denke ich auch ein wenig meine Art zu singen.“

So geht der nachfolgende Dialog zu den Lyriken der neuen Kompositionen über.

„Mit Ausnahme von ,May The Force Be With You‘, worin der Einfluss offensichtlich ist, regen mich meistens Alltagssituationen zum Textschreiben an. Es passiert etwas, was mich fesselt, erfreut oder gar aus der Bahn wirft, und schon bildet sich ein Text dazu in meinem Kopf, den ich dann auch sofort niederschreibe. Das passiert völlig automatisch und kann, wenn es mitten in der Nacht passiert, auch Fluch und Segen zugleich sein. [grinst] Ich glaube, daher sind auch all unsere Songs gut nachvollziehbar, denn sie erzählen keine fiktiven Geschichten, sondern befassen sich mit alltäglichen Problemen, die jeder Mensch kennt.“

Live-Aktivitäten und spezielles Agieren auf der Bühne: Wie die Frontfrau zu diesem Kontext noch offenbart, hat sie zumeist vor Auftritten keinerlei Lampenfieber.

„Ich kann da jetzt nur für mich sprechen, was Aufregung vor Gigs angeht, aber ich fühle mich dabei zumeist eigentlich ganz locker. Ich glaube das liegt daran, dass ich mich auf der Bühne einfach nur zu Hause fühle. Ich tauche da in meine Lieblingswelt ein und das ist ein wahnsinnig gutes Gefühl. Wirkliche Aufregung macht sich eigentlich nur breit, wenn enge Freunde oder die Familie da sind - denn das sind ja die schärfsten Kritiker.“

Generell soll eine Mental Defect-Show immer auch zum inhaltlichen Grundkontext des jeweiligen Albums passen, wie die Sängerin feststellt.

„Im Falle von ,Longplayer‘ bauen wir auf unserer ,Casino Metale Tour‘ Blackjack- und Roulette-Tische auf. Daran sitzen sexy ,Bondgirls‘ und animieren die Gäste zum zocken. Übrigens müssen die Gäste dafür nichts löhnen, jeder bekommt am Einlass Jetons geschenkt. Das optische Pendant dazu bieten wir, indem wir ganz James Bond-alike in Abendgarderobe auf die Bühne gehen.“

Mental Defect, ein sehr einprägsamer Bandname, welcher einen augenblicklich an die Mehrzahl der Mitmenschen beim wöchentlichen Einkaufen erinnert.

„Der Bandname symbolisiert unsere Art und Weise Musik zu machen. Gerade in unserer Anfangszeit haben wir oft gehört ,Ihr habt doch nen Knall‘, weil wir uns eben nicht am, für Leipzig gängigen, musikalischen Schaffen orientiert, sondern etwas Eigenes geschaffen haben. Auch haben wir von Anfang an sehr thematisch gearbeitet. So lag der Name Mental Defect förmlich auf der Hand“, leuchtet Clodi, süffisant grinsend, den Hintergrund aus.

Modern akzentuierten, emotional vollauf erfüllten Metal mit griffiger Melodik und weiblichem Lead-Gesang spielen in deutschen Landen ja bekanntlich bereits so einige Formationen.

Aber selten klang das Ergebnis so verdammt gut und packend wie die enorm eigenständigen Songs auf dem neuen Album dieser 2009 gegründeten Leipziger Spitzenkönner.

Die nachfolgende Frage, was Mental Defect den geneigten Hörern aktuell bieten können, was andere Bands nicht können, wird daher ebenso flott wie entschlossen gekontert. Die Sängerin hierzu:

„Ich denke, wir bieten in diesem Genre definitiv einen neuen, originellen Ansatz. Wir arbeiten viel mit elektronischen Samples, ohne dabei den Bezug zum Metal zu verlieren. Auch singe ich keine Opernkastraten-Linien, sondern sehr poppig. Und das gibt einen genialen Kontrast zu den Growls und Shouts unseres Sängers Sanny. Diese Kombination haben wir so noch nicht wirklich anderswo entdeckt. ,Longplayer‘ sollte man also mal gehört haben. So sind auch zwei genrefremde Remixe sind auf dem neuen Album vertreten.“

Gerne lässt mich die Frau, durch ihr letztes Statement entsprechend animiert, auch noch ihren ganz persönlichen idealen Tag wissen.

„Aufstehen, Duschen, Kaffee trinken. Und dann ab zum Proberaum, Equipment verladen und rein in den Tour-Bus. Es gibt für mich nichts Schöneres, als mit meiner Band unterwegs zu sein, den Tag gemeinsam zu verbringen, Spaß zu haben und Abends auf der Bühne zu stehen. Ich mag dieses ,Zirkusleben‘, und gerade in unserem derzeitigen Stadium ist es besonders aufregend: Fast immer neue Clubs mit neuen Leuten und vor allem neuen Publikum, welches überzeugt werden will. Auch wenn dies oft mit Stress und viel zu wenig Schlaf einhergeht, ist das doch irgendwo meine Erfüllung.“

In den restlichen Verlauf von 2011 und vor allem ins kommende Jahr 2012 blickt die Stimmband-Artistin voller Zuversicht. „Ich erhoffe mir in erster Linie ein positives Feedback für ,Longplayer‘. Es ist ja schließlich der erste Mental Defect-Release, das macht die Sache besonders spannend. Tja, und an zweiter Stelle hoffen wir, den MMM Newcomer Award zu gewinnen - Mental Defect wurde für diesen Marketingpreis nominiert und im Dezember wird der Preis verliehen. 2012 lassen wir einfach alles auf uns zukommen. Wir hoffen auf viele tolle Live-Shows, mit vielen tollen Gästen und natürlich auf einen tollen Release unseres kommenden zweiten Albums.“

© Markus Eck, 11.11.2011

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