
| Interview: | RAUBTIER |
| Titel: | Schonungsloser Visionär |
Gewohnt theatralisch, lässt es Pär Hulkoff erneut krachen. Und der vielfach außergewöhnliche Musikus, der bei seiner 2008 gegründeten Band Raubtier als Sänger, Gitarrist und Keyboarder am Werk ist, kann abermalig überzeugen. Auch die neueste Liederkollektion „Bärsärkargång“ vereint große schwermetallische Epik, kantig-brachiale Industrial-Elemente und düstersymphonische Pracht mit atmosphärisch aufgeladener Modernität.
Die drei schwedischen Naturburschen haben ihren völlig individuellen Stil schon seit längerem gefunden, daher ist man bei dieser unbeirrbaren Formation vor bösen Überraschungen ohnehin sicher. Ein hochgradig originelles Industrial Metal-Erlebnis ist jedoch auch „Bärsärkargång“ geworden.
Die Raubtier-Kompilation „Bestia Borealis“ erschien spät in 2014.
Was zum Teufel hat Gevatter Hulkoff mit seinen zwei Schergen seither primär getrieben, lautet die Frage.
„Schlagzeuger Buffeln und Bassist Kjellgren haben mittlerweile Familie und Kinder. Sie sind daher beide ständig hochgradig mit ihrem Familienleben beschäftigt. Ich dagegen bin immer viel auf der Jagd mit meinem Bogen. Daneben trainiere ich mit meiner Frau unsere Schlittenhunde. Wir zwei organisieren hier oben im wilden Norden auch touristische Aktivitäten, wobei wir mit Gästen auf die Jagd gehen.“
Ein offenherzig rauer und ziemlich wortkarger Geselle, der selbst viel von einem Raubtier in seiner Seele zu tragen scheint. Da passt der neue Veröffentlichungstitel „Bärsärkargång“ nicht nur musikalisch wie ein Pfeil ins Schwarze.
„Es ist ein kraftvoller Titel für ein kraftvolles Album. Und ja, der Titelsong der Scheibe dreht sich um die gigantische Wut eines Berserkers. Ich persönlich habe da einen ganz speziellen Bezug dazu. Ob jeweils mehr oder weniger, meine Songtexte sind eigentlich sowieso allesamt sehr wichtig für mich.“
Sehr viel mehr ist dem stoischen Nordmann leider nicht zu den Lyriken zu entlocken, er hält sich diesbezüglich beharrlich verschlossen. Dann lenkt er ein wenig ein: „Es geht ums Überleben, um rohe Kraft und ursprüngliche Instinkte. Alles ist versehen mit einem heftigen Schlag an Historie. Archaische Inhalte wie Bruderschaft, Loyalität, Liebe, Verlangen und Ehrfurcht vor den Geistern der wilden Natur von Mutter Erde. Diverse Texte wurden mehrmals umgeschrieben, bis ich völlig zufrieden damit war. Das ist dann oftmals sehr zeitaufwändig für mich.“
Dunkel und unheimlich ertönt „Bärsärkargång“ hauptsächlich, so Hulkoff.
„Nicht ganz so leicht zu erfassen wie die Vorgänger, aber immer noch problemlos hörbar und der Erinnerung wert. Ich habe insgesamt ungefähr an den neuen Stücken komponiert. Angetrieben wurde ich dafür im Wesentlichen von eindringlichen Aspekten wie Frische, Aggression und einem spezifischen Gefühl der Sinnhaftigkeit. Ob ich diesmal enthusiastischer war, kann ich im Nachhinein nicht mehr genau sagen. Kurz gesagt: Ich hatte eine Vision und folgte ihr. Ich denke, der Schlüsselfaktor im Songwriting für das neue Album war diesmal, dass ich mich gar nicht mal so sehr auf den Hitfaktor fokussierte. Sondern vielmehr auf griffige Stimmungen.“
Das gezielte Töten von Tieren liegt dem Kerl einfach. Sogar in der Welt ist er in den letzten zwei Jahren herumgereist, um dabei auch global zu jagen. „Dabei kam ich auch jeweils mit verschiedenen Arten von einheimischer Musik in Berührung, wobei ich deutlich fühlte, dass dies Einzug in meinen kreativen Prozess hielt.“
Immens erleichtert fühlt sich der Frontmann nun nach Fertigstellung des neuen Materials, wie er unumwunden bekennt. „Seit dem letzten regulären Raubtier-Album ,Pansargryning‘ aus dem Jahr 2014 habe ich sehr viele Ideen ausgebrütet und so einiges an Musik erstellt. Manchmal wird etwas daraus, manchmal nicht. Aber das weiß ich vorher nie genau. Oft war es anstrengend. Im Moment empfinde ich regelrechte Gefühlswallungen. Ich bin erleichtert, losgelöst, glücklich und niedergeschlagen in einem.“
Als der Dialog in Richtung musikalischer Ideale überschwenkt, bekennt sich die Raubtierseele als Wagnerianer im Herzen.
„Das Große, fast schon Pompöse und Gigantische hat immer einen Platz in mir. Ich liebe das einfach. Und ich bin noch immer tief zu meinen Wurzeln verbunden. Letzteres beinhaltet auch die ausgeprägte Hingabe zu den dunklen Facetten der Folkloremusik aus dem Bottnischen, also vom nördlichen Ausläufer der Ostsee zwischen Schweden und Finnland. Ich hörte mir davon abgesehen auch ungarische Volksmusik an, welche ihren ganz eigenen Reiz auf mich ausübt. Sowie afrikanische Rhythmen und deutsche Jagdhornmusik. Kontraste sind mir stets wichtig. Vieles an ausgewählter Klassik läuft bei mir auch fast immer. Eben erwähnter Wagner, aber auch andere berühmte Komponisten wie Tschaikowski und Grieg. Ich habe in diesem Kontext sogar einen Sinn für moderne Komponisten der heutigen Tage. Jeremy Soule beispielsweise, ein US-amerikanischer Komponist, ist einer meiner Helden aus dem Bereich. Er ist vor allem im Genre der Soundtracks zu Videospielen tätig.“
© Markus Eck, 06.02.2016
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