Interview: | ORPLID |
Titel: | Identität, Anspruch und Natürlichkeit |
Mit ihrer aktuellen Schallscheibe, dem auf faszinierende Art stimmungsvollen Langspieler „Sterbender Satyr“ ist dem deutschen Neofolk-Duo Orplid zweifellos ein lupenreiner musikalischer Hochkaräter geglückt.
Frank Machau und Uwe Nolte, welche die künstlerisch anspruchsvolle Musikantenschaft im Sommer des Jahres 1996 gründeten, haben nicht nur all ihr bisher erlerntes Können und angestautes Herzblut in das edle Endprodukt eingebracht – davon zeugt eine gehörige innovative Fußnote in den betont verträumten Romantiker-Kompositionen.
So wurde eindeutig gleichfalls mit immenser Ambitioniertheit als auch mit großem Wagemut vorgegangen. Eine sehr erfreuliche Einschätzung, welche wohl nur noch auf die allerwenigsten Repräsentanten dieser nicht gerade überfüllten Kategorie zutrifft.
Und dass auch der avantgardistische beziehungsweise experimentelle Faktor dieses wundervollen Albums dermaßen hoch angelegt ist, addiert dem tonalen Ausnahmekunstwerk nur noch mehr zusätzlich genussvolle Wertigkeit. Der Name Orplid bezieht sich laut Bekunden des ästhetisch vorgehenden Zweiers auf das Gedicht „Gesang Weylas“ des deutschen Romantikers Eduard Mörike.
„Gesang Weylas“ beschreibt ein Paradies jenseits des Meeres, eine unberührte, reine Welt, wo die suchende Seele ihre Heimstatt findet. So soll auch das tiefgründige Schaffen von Machau und Nolte den Hörern ein entsprechendes Refugium aus Lyrik, Schönheit und Gesang bieten.
Ich beginne das durchgehend merklich entspannte Gespräch gleich mit dem Thema „Kunst“ beziehungsweise welche künstlerischen Aspekte Orplid in ihrer Musik am wichtigsten sind.
„Die Musik von Orplid sollte die sprachlichen Bilder untermauern und weiterhin zum Tanzen, Träumen und Verinnerlichen einladen“, so Uwe. „Jemand, der behauptet unsere Kunst sei nicht anspruchsvoll, gehört in die Klapsmühle. Da müssen sich geschulte Fachleute drum kümmern: Wir haben für so was keine Zeit.“
Die beiden Künstler von Orplid haben laut Bekundung des Musikus keinerlei Favoriten aus dem von ihnen in die Pflicht genommenen Genre.
„Ich höre meistenteils nur Black Metal, gerade donnern im Hintergrund Throne Of Ahaz mit „Nifelheim“, und Frank lauscht den besinnlichen Klängen von Scott Walker und Co.! Alle Kooperationen, die ich im Neofolk-Bereich betreibe sind in erster Linie freundschaftlicher, nicht künstlerischer Natur. Genau gesagt ist mir diese Musik eigentlich zu zahm und entspricht nicht ganz meinem Temperament … aber egal! Wir haben streng genommen eigentlich zu nichts Bezug in der Neofolk-Szene, außer zu uns selbst. Und wir möchten somit auch keinen wertenden Kommentar zu irgendeiner imaginären „Szene“ abgeben! Wir stehen aber mit Orplid unabänderlich für das, was eigentlich für Neofolk stehen sollte: Kulturelle Identität, menschlicher Anspruch und gelebte Natürlichkeit.“
Frank ist laut Uwe Hauptkomponist im Hause Orplid und der letzte Schliff entsteht durch die spezielle zwischenmenschliche Chemie der zwei. „Einen typischen „neuen“ Orplid-Song macht somit eine stilvolle Symbiose aus Wort und Klang aus. Letztlich wirkt alles inspirierend für uns, was uns begegnet oder auch entgeht: Erlittene Liebe, befreiende Enttäuschung, eine durchzechte Nacht, ein tiefsinniges Gespräch, ein Waldspaziergang, innere Leere… Eben das Leben, mit all seinen Tiefen und Höhen.“
Wir sprechen im Nachhinein auch noch über den speziellen Stellenwert, welchen die Texte im Vergleich zur Musik bei Orplid besitzen.
Und wie Uwe bereitwillig erläutert, fungieren beide Komponenten gleichrangig und bedingen einander sogar. Es folgt eine meiner Meinung nach wirklich vorbildliche Vorgabe.
„Nicht mit den Texten, sondern mit sich selbst sollte der Hörer sich auseinandersetzen. Unsere Kunst dient dazu, in sich selbst hineinzuhören, um sich in stillen Momenten, abseits vom Lärm der Moderne, zu entdecken.“
Hinter den lyrischen Themen der aktuellen Lieder des tiefsinnigen Neofolk-Duos steckt kein konkretes Interesse, wie Uwe bekräftigt, sondern:
„Mit wachsendem Anspruch an sich und das eigene Werk reift notgedrungen auch die Sprache.“
Das aktuelle Album-Front-Cover von „Sterbender Satyr“ ist ebenso anspruchsvoll kreiert wie schön anzusehen und sehr gut zur gebotenen Musik passend. Ich frage daher neugierig nach, wer es gemacht hat und wie wichtig Front-Cover generell für das eigenwillige Musikantendoppel sind.
„Das Bildmaterial wurde von mir erstellt. Der „Sterbende Satyr“ auf dem Frontbild ist übrigens unser alter Rückgrat-Schlagzeuger. Bild, Klang und Wort gehören bei Orplid seit jeher zusammen.“
Nach all den gemeinsamen Jahren, noch immer als Gruppe zusammenarbeiten zu können, ja, dies ist der Auffassung Uwes nach „völlig normal und bedarf keiner Wertung meinerseits. Uns bindet ein Schwur!“
Der kreative Denker blickt kurz im Geiste zurück: „Wir wollten damals, wie es jungen Künstlern sicherlich oft zueigen ist, „die Welt verändern“. Dies ist uns gewissermaßen auch gelungen, denn wenn man sich so intensiv mit sich und seiner Kunst auseinandersetzt, sieht man die Welt irgendwann mit anderen Augen, aus einer befreienden Distanz sozusagen und wird etwas friedlicher im Herzen. [Dann ist für den Künstler selbst wohl eines der wichtigsten Ziele in der Kunst überhaupt erreicht; A.d.A.] Frank und mir haben früher Slayer und Carnivore sehr gefallen. Eventuell erlitten wir von deren akustischen Splittergranaten inspirierende Verwundungen?“, stellt der Mann eine eher amüsante Gegenfrage, und knüpft dem noch zusätzlich an:
„Ein bestimmtes Zielpublikum haben wir nicht: Wir wollen generations- und Mode-übergreifend für aufgeschlossene Menschen wirken.“
„Sterbender Satyr“: Die Lieder des Musikalbums wurden laut Uwe in einem Heimstudio aufgenommen und dann noch von Markus Stock gemastert. „Ungefähr zwei bis drei Jahre dauerten die Aufnahmen an.“
Und die bisherigen Kritiken zum Werk sollten nicht der eigentliche Maßstab der Kunst sein, so der Musikant.
„Insofern verfolgen wir die Reaktionen kaum. Schön ist es, wenn unser Werk dem Einen gefällt und genauso gut ist es in Ordnung, wenn ein Anderer damit unzufrieden ist: Kunst soll bewegen, mehr nicht. Kunst entsteht immer aus dem Bauch heraus sonst ist sie nicht echt! Meistenteils sind zuerst die Worte vorhanden, um die dann später die Klänge gewoben werden. Es ist ein sehr organischer Prozess, den Außenstehende nicht unbedingt nachvollziehen können.“ Gut so, das macht ein Werk von Orplid nur umso faszinierender.
Es ist nicht unbedingt die Aufgabe eines Orplid-Konzertes, die Veröffentlichungen eins zu eins auf der Bühne zu kopieren, stellt mein Gesprächspartner danach eindeutig klar. Daher:
„Überraschungen und Neuinterpretationen sollten bei einer Konzert-Präsentation schon vorkommen. Inhalt, Musik und Ausdruck sollten genug Komponenten für ein Orplid-Konzert darstellen. Allerdings stehen wir Experimenten offen gegenüber, was andere Medien betrifft. Die Zukunft wird es zeigen. Wir werden zum Wave Gotik Treffen 2006 eventuell Jerichos Posaunen ertönen lassen. Auch danach sind sporadische Konzerte geplant. Allerdings müssen die Lokalität und das Umfeld zu uns passen. Wer sich über ausführlichere Details unserer Arbeit interessieren sollte, kann sich unter www.noltex.de genauer informieren. Ansonsten möchte ich den metallischen Freunden unserer Kunst zurufen:
Metal makes us strong
Together we belong,
We want you to know:
In our eyes your're immortal -
In our hearts you'll live forever -
In our eyes your're immortal -
In our hearts you'll live forevermore!“
© Markus Eck, 17.07.2006
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