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Special: Süd
Titel: Kreativer Spaß an Neuem

Im Frühjahr 2016 sorgten die fränkischen Maskenmänner mit „Wir sind Gott“ wieder für allerlei Furore. Anfangs mit hartkantiger Thrash-Schlagseite unterwegs, wandelte sich der schonungslose Sound der 2004 gestarteten Quertreiber zu einer immer massentauglicheren Version.

Vielseitiger Modern German Metal steht aktuell auf dem aufmüpfigen Programm des anhaltend stark polarisierenden Quartetts. Für hohen Rhythmusdruck bei Hämatom sorgt Schlagzeuger Süd, der mich in seine musikalischen Karten sehen lässt. 


Welche Bands und Musiker konnten dich so intensiv packen, dass es bis heute nachwirkt?


Süd: Das war für mich zum Beispiel die Band Tool. Diese vier Musiker haben es geschafft, einen Sound und ein Songwriting zu kreieren, das ich lange überhaupt nicht durchschaut habe, in dem ich immer wieder Neues und Spannendes gefunden habe und das mich zutiefst emotional angesprochen hat. Also Komplexität mit unglaublichem Gefühl.

Das Meisterwerk hierbei war für mich das Album „Aenima“ und bald soll es wohl auch was Neues geben, da freue ich mich schon.

Aber auch die Scheibe „Iowa“ von Slipknot war ein wichtiges Werk für mich und natürlich Joey Jordison, der diese Platte mit unglaublicher Technik, Kreativität und auch Emotionalität eingetrommelt hat.

Ansonsten war ich auch mal großer Robert Smith-Fan, Sänger von The Cure. Diesbezüglich ist aber mein Interesse etwas verklungen, der Metal hat den Gothic verdrängt bei mir.

Wie sehr haben dich frühe Band-Helden mitsamt ihren Songtexten in Sachen Sozialisierung geprägt?


Süd: Gerade Robert Smith war für mich über die Musik hinaus ein Lebensgefühl, eine Lebenseinstellung. Ich lief auch nur pechschwarz gekleidet durch die Welt und war sehr negativ gestimmt.

Ansonsten würde ich sagen waren mein Sozialverhalten und die musikalische Ebene eher zwei getrennte Welten.

Ich habe aggressive Musik zum Dampf ablassen gehört, bin aber selbst dann nie mit geballter Faust losgezogen, auch wenn etwa ein Song dazu aufgerufen hätte.

Da sollte man die Kunstebene und Realitätsebene stets getrennt sehen. Man kann auch Marilyn Manson nicht für irgendwelche Amokläufe von Schülern verantwortlich machen, wie es mal in Amerika versucht wurde. Die Ursache für ein solches Verhalten ist schon wo anders zu suchen. Kunst ist eher der Spiegel der Gesellschaft, sie reflektiert bereits Vorhandenes.

Was muss musikalisch vorhanden sein, damit dich ein Song von einer anderen Band vollauf begeistert?


Süd: Das kann man nicht pauschal sagen, sonst würde ich nur Hits schreiben. Aber ich denke, dass das besungene Thema ernst genommen werden muss und perfekt musikalisch umgesetzt werden soll. Also Authentizität ist hier der Schlüssel zum Erfolg

Was war das allererste Konzert, welches dich so richtig aufwühlte?


Süd: Das war ganz ehrlich ein Konzert der Weltmusikcombo Embryo: Zehn verrückte Typen, die eine Stunde lang einen Song gespielt haben und dabei so in Ekstase gerieten, dass sie das ganze Publikum mitrissen.

Ich war damals noch sehr jung und hoffte während ihrer Show, dass sie bitte nie aufhören mögen.

Es war ein purer Rauschzustand ausschließlich durch Musik. Bei mir zumindest. [lacht]

Welcher Band gehört noch immer dein allergrößter musikalischer Respekt?


Süd: Auch da steht Tool ganz oben bei mir auf der Liste.

Dann gibt es Bands wie Slayer, da würde ich sagen, dass man sich auf diese verlassen kann. Sie experimentieren nicht viel, dadurch weiß man was man hat. Man darf aber auch keine Überraschung erwarten. Ansonsten entdecke ich immer wieder neue Bands oder Künstler, die es schaffen neue Stile zu kreieren oder alte weiterzuentwickeln.

Das macht es leider für Bands, die schon lange im Geschäft sind nicht leicht, da man von ihnen immer den bestimmten Sound erwartet, der dann aber möglicherweise nicht mehr zeitgemäß ist. Das ist sozusagen die große Herausforderung: Weiterentwicklung im persönlichen Bandumfang. Rammstein gelingt das meist sehr gut, weswegen hier mein Respekt ganz groß ist.

Gab es für dich auch positive Überraschungen, die dazu führten, dass du dich für einst von dir verschmähte Bands begeistern konntest?


Süd: Das kommt selten vor, aber manchmal braucht es mehrere Anläufe, bis ich eine neue Band geil finde. So ging es mir anfangs bei Callejon.

Ich hatte selbst eine CD dieser Combo gekauft und schnell ins Regal als uninteressant abgelegt.

Irgendwann habe ich sie einem Kumpel geliehen, der sie rauf und runter gehört hat und mir zwei Anspieltipps mit auf den Weg gab.

Und mit dieser Hinführung fing ich an Callejon kennen und lieben zu lernen. Vielleicht war ich einfach anfangs zu unflexibel oder noch nicht soweit für deren Sound.

Welche Bands haben die Musik von Hämatom von Anfang an eindeutig geprägt beziehungsweise signifikant beeinflusst?


Süd: Ich würde sagen, dass das eine Mischung aus Slipknot, Rammstein und Sepultura war. Jeder hatte weitere andere Lieblingsbands, aber die drei waren schon so ein gemeinsamer Nenner. Nord, unser Sänger ist zum Beispiel auch großer Fan von Machine Head. West, der Bassist hat sich – wen wundert es – auch mit Flea und den Red Hot Chili Peppers beschäftigt.

Wie verlief das über die Jahre? Ihr wurdet ja als Hämatom stetig eigenständiger und individueller … ließ da der anfängliche Einfluss von bestimmten Bands mit der Zeit nach?

Süd: Ich glaube wir musizierten und experimentierten so lange, bis wir unseren eigenen Stil fanden.

Das passiert, wenn man eben seine Lieblingsbands und Lieblingssongs ins Spiel einbringt, aber auch seine Stärken und Schwächen berücksichtigt und auf seine Gefühle lernt zu hören, was eben geil und nicht so geil klingt.

Dazu kommen dann noch die Reaktionen vom Publikum und so ward der Hämatom-Sound geboren.

Die einstigen Bands, die euch inspirierten - welche davon sind deiner Meinung nach auch heute noch gut und hörenswert?


Süd: Rammstein sind immer noch große Helden von uns. Bei Slipknot hatte ich leider ein wenig Probleme mit den letzten Alben und Sepultura ist tot für mich, so hart das klingen mag und möglicherweise liegt es auch an mir. Sie wirken für mich wie ihre eigene Cover-Band.

Und welche Gruppen, Künstler und Songs sind auch heute noch - mehr oder weniger - prägender Einfluss und Inspiration für Hämatom?


Süd: Inzwischen schauen wir nicht mehr so bewusst auf andere Bands, ich denke, dass das eher unbewusst passiert.

Man hört bestimmte Songs gern und viel und diese prägen dann das Songwriting unterbewusst mit. Die große Entwicklung fand in den letzten Jahren bei uns meiner Meinung nach im textlichen Bereich statt. Das liegt auch daran, dass ein Teil von uns unter anderem gerne über den Metal-/ Rocktellerrand hinausblickt und sich Hip-Hop-Kram reinzieht und deren sprachliches Geschick bewundert. Bands wie Casper oder K.I.Z. haben dem Rap dabei eine ganz neue Note verliehen.

Gab beziehungsweise gibt es für dich Musiker anderer Bands, die du eindeutig als Idole titulieren würdest?


Süd: Für mich als Schlagzeuger war in meinen Anfangslehrjahren auf jeden Fall Stewart Copeland von The Police ein großes Idol.

Joey Jordison hat eine ganz eigene Drumming-Note entwickelt.

Und John Bonham von Led Zeppelin hat es natürlich geschafft, den unerreichten Groove auf Platte zu pressen.

Sonstiges, was du zum Gesamtkontext der Fragen noch loswerden magst?


Süd: Es macht als Musiker auf jeden Fall immer wieder aufs Neue Spaß, kreativ zu sein und Neues zu wagen, wie damals Slipknot oder Korn oder System Of A Down.

Alles Bands, die ganz unkonventionell geklungen haben, nicht versucht haben etwas zu kopieren und damit neue Stilrichtungen kreierten, beziehungsweise geschafft haben einen neuen Zeitgeist anzustoßen. Das sollte eigentlich der Grund sein, warum man Musik macht und eben künstlerisch tätig ist.

© Markus Eck, 05.07.2016

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