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Special: Transmigration • 1993
Titel: Sinn für das Besondere

Bereits zwei Jahre nach der 1991 vollzogenen Bandgründung sind Crematory mit ihrem Debütalbum an den Start gegangen. Zu der Zeit wurde der härtere Musikbereich bekanntlich von zwei gewichtigen Blöcken jeweils auch in den Medien breit dominiert.

Ohren, Bühnen und Magazine waren zum einen voll von deprimiertem Grunge Rock, primär aus Seattle. Und andererseits trat skandinavisch beziehungsweise US-amerikanisch geprägter Death Metal hervor.

Somit präsentiert sich auch „Transmigration“, insgesamt überaus düster und bedrohlich angelegt, noch stark dem dunklen und abgründigen Todesblei zugewandt.

„Es ging damals wirklich alles recht schnell. Der Plattenvertrag war der erste große Erfolg in der Bandgeschichte von Crematory und keiner von uns hätte das nach so kurzer Zeit erwartet. Von daher war die Freude darüber riesengroß und es ging für jeden von uns ein Traum in Erfüllung“, kommentiert Schlagzeuger Markus Jüllich die Frage, was es ihm und den anderen in der Band zu der Zeit bedeutete, selbst ein Album herausbringen zu können.

Für einen dermaßen schnellen und vielversprechenden Start brauchten und brauchen viele andere Bands ungleich länger. „Eigentlich hatten wir noch nie eine Formel für Produktivität. Jedoch haben wir schon immer sehr zielorientiert gearbeitet. Wir haben seit jeher unser ,eigenes Ding‘ gemacht und uns darin auch von Außenstehenden niemals beeinflussen lassen. Vielleicht ist das unser Erfolgsgeheimnis.“

Der Drummer möchte bezüglich „Transmigration“ allerdings beileibe nicht von einem reibungslosen Ablauf sprechen.

„Wir waren zwar vorbereitet, jedoch war es unsere erste Plattenproduktion im Studio. Da musste jeder von uns ,schuften‘. Denn wir wussten auch damals schon was wir wollten. Und wir wollten diese Platte so produzieren dass jeder von uns damit zufrieden war. Das war nicht immer ganz einfach, aber wir haben es im Endeffekt gut geschafft. Denn auch die Studiozeit war damals mit drei Wochen recht kurz bemessen. Ohne Vorbereitung wäre das schwer machbar gewesen.“

Welcher Song von „Transmigration“ brauchte am längsten und welcher war am schnellsten fertig, Markus?

„Da muss ich jetzt aber wirklich weit zurückdenken um diese Frage beantworten zu können. Songs wie ,Eyes Of Suffering‘ und ,Deformity‘ gingen uns recht schnell von der Hand, während wir mit den Liedern ,Hall Of Torment‘ und ,Victims‘ , bei denen anspruchsvollere Keyboards integriert wurden, deutlich länger beschäftigt waren.“

Von welchen Bands Crematory für die Songs von „Transmigration“ am allermeisten beeinflusst wurden, das ist für den Drummer ziemlich leicht zu beantworten.

„Wir hatten damals wie heute schon sehr verschiedene Musikgeschmäcker, was auch schon immer einen guten Mix für unseren Produktionen ergeben hat, weil jeder von uns versucht hat seine Einflüsse mit ins Ganze einzubringen. Zum damaligen Zeitpunkt waren wir schon durch Acts wie Death oder Obituary oder auch Morbid Angel beeinflusst, also reine Death Metal-Bands.“

Auf den Markt gebracht wurde das Debüt von einer bekannten schwäbischen Firma. Markus erinnert sich:

„Es war nicht gerade einfach zur damaligen Zeit einen Plattenvertrag zu erhalten. Jedoch hatten wir in Massacre Records ein Label gefunden, welches in Crematory eine Chance sah, um sich am Markt zu etablieren. Es gab zum damaligen Zeitpunkt kaum Frauen im Metal- beziehungsweise Gothic Metal-Bereich und auch Keyboards waren eher selten vertreten. Ich denke, ohne diese beiden Komponenten wäre es vielleicht gar nicht zu einem Plattenvertrag gekommen. Ebenfalls hat uns mein guter Kumpel Andy Siry damals mit seinen Kontakten sehr geholfen.“

Auf „Transmigration“ ist der Gesamtsound zwar noch sehr viel stärker im Death Metal verwurzelt als später, aber schon mit ersten Gothic-Elementen verzahnt.

Der Schlagzeuger erläutert dazu:

„Wir wollten schon immer Keyboards in unsere Musik mit einbauen um die Musik hierdurch ,melodiöser‘ und ,sphärischer‘ zu gestalten. Wie schon erwähnt wurde damals im Death Metal-Bereich wenig beziehungsweise gar nicht mit Keyboards gearbeitet. Uns hat dies jedoch schon immer von anderen Gruppen abgehoben. Zu unseren Anfängen nannte man es noch Melodic Death Metal, was später dann zu Gothic Metal wurde.“

Ein markanter Anfang war jedenfalls getan. Crematory waren von Anfang an ohnehin überaus eigenständig. Markus: „Unser damaliger Gitarrist war für das Songwriting verantwortlich. Aber wir waren zu der Zeit schon alle fleißig am Songwriting beteiligt. Jeder brachte seine Ideen mit ein und wir versuchten die verschiedenen Einflüsse unter einen Hut zu bringen. Das ist uns damals wie heute schon immer gut gelungen und so bekamen wir auch eine gewisse Eigenständigkeit, welche uns auch heute noch auszeichnet.“

Und schließlich waren Crematory die ersten in Deutschland, die Death Metal mutig mit Keyboards mixten.

Der Kesselwart entsinnt sich noch gut an den ,Aufschrei‘ der Puristen aus der Szene:

„Einige Presse-Idioten waren eigentlich von Anfang an nicht wirklich auf unserer Seite. Man nannte es damals Melodic Death Metal mit Keyboards. Crematory konnte von der Metal-Presse nicht wirklich in eine ,Schublade‘ eingeordnet werden. Und mit einer Frau in einer Death Metal-Band konnten die engstirnigen Eierköppe schon gar nix anfangen. Ich glaube, das war für einige Journalisten nicht ganz einfach. Und so hielten sich einige der Schreiber zurück oder stellten Crematory eher negativ da, weil sie mit dieser damaligen Moderne nichts anfangen konnten.“

Mit Kompetenz hatten die damaligen Reviews tatsächlich recht wenig zu tun, so der Mann.

„Ignoranz bezeichnet es schon eher. Eins steht fest: Wenn es nach der Presse gegangen beziehungsweise die Fans auf die Presse gehört hätten, dann wäre Crematory wohl nie so erfolgreich geworden. Unseren Erfolg haben wir ausschließlich unseren Fans zu verdanken.“

Das gesamte Line-Up hat sowohl im Proberaum als dann auch im Studio hart an den Songs gearbeitet. „Jeder hat sich mit in das Songwriting eingebracht, doch die eigentliche Basis für die Songs lieferte das Gitarrengerüst. Darauf wurde aufgebaut und die Stücke weiter ausgebaut und verfeinert.“

Für die Texte war auch damals schon alleine Frontmann Felix zuständig. „Und auch die Themen entschied er eigenständig. Die Lyrics auf ,Transmigration‘ handeln vom Leben nach dem Tod und anderen Fantasy-Ideen. Wir haben Felix hierbei schon immer freie Hand gelassen, also hier konnte er sich dabei gänzlich selbst verwirklichen.“

Dazu befragt, wie er die Tracks des Albums mit dem mittlerweile vorhandenen Abstand nach heutigem Ermessen sieht beziehungsweise hört, erhellt sich die Miene des Felldreschers.

„Ich muss ehrlich zugeben, dass ich die Songs selbst schon lange nicht mehr gehört habe. Also musste ich mir die Scheibe doch mal wieder reinziehen. Und ich merke, selbst 23 Jahre später kann ich mir das Album noch anhören. Und ich finde, dass wir mit ,Transmigration‘ der Zeit entsprechend ein tolles Debütalbum produziert haben und damit der Szene weit voraus waren.“

Kompositionen wir „Eyes Of Suffering“ oder „Never Forgotten Place“ gehören dabei immer noch zu seinen Favoriten.

„Da hat sich auch über die Jahre nichts geändert. ,Transmigration‘ ist der Ursprung der Crematory-Ära und wir sind immer noch verdammt stolz auf unser erstes Album.“

Crematory verkaufte schon immer am allermeisten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wie der Schlagzeuger wissen lässt.

„Hier lag auch der Hauptaugenmerk des Vertriebes der Plattenfirma. Natürlich wurde unsere Debüt-CD weltweit vertrieben, doch der größte Anteil wurde in Deutschland verkauft.“

Massacre Records waren mit den damaligen Verkäufen auch sehr zufrieden, wie Markus noch genau weiß. Er strahlt:

„Das Album hat sich über die Jahre sowieso immer stetig verkauft. Auch heute werden immer noch ,Transmigration‘ CDs verkauft. Für das Debüt einer neuen Band war der Absatz wirklich sehr gut. Denn wir hatten direkt im ersten Jahr ganze 10.000 Exemplare davon über die Ladentische bringen können und sind insgesamt mittlerweile sogar bei knapp 100.000 verkauften Einheiten.“

Das Frontcover des ersten Crematory-Albums stammt vom Künstler Herrmann Hoormann, welcher in der Nähe der Band ansässig war. „Uns gefiel das, was er machte. Und so erwarben wir die Rechte an der Zeichnung. Der Stil und das Cover von ,Transmigration‘ passte sehr gut zur Musik und auch zu den Texten. Wir haben seinen speziellen Stil über mehrere Jahre für weitere unserer Frontcover beibehalten und auch darüber hinaus mit ihm zusammengearbeitet.“

Die Wellen schlugen erfreulich hoch für Crematory. Nach der Veröffentlichung von „Transmigration“ bekamen die Newcomer sogar eine TV-Anfrage von einem öffentlich-rechtlichen Sender!

„So hatten wir auf Südwest 3 in der Sendung von Stefanie Tücking mit ,Eyes Of Suffering‘ unseren ersten offiziellen TV-Auftritt. Das war schon ein tolles Erlebnis. Und auch unsere ersten Shows in den neuen Bundesländern waren für uns sehr aufregend.“

© Markus Eck, 24.05.2016

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