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Interview: VISIONS OF ATLANTIS
Titel: Schwermetallische Klassik

Der malerischen österreichischen Steiermark entstammt dieses derzeit mit rasant hoher Geschwindigkeit aufstrebende Sextett. Visions Of Atlantis wurde im Sommer des Jahres 2000 gegründet, um den zahlreichen Mythen um die versunkene Meeresstadt Atlantis auf musikalisch möglichst anspruchsvolle Weise künstlerischen Tribut zu zollen. Als die ebenso talentierte wie ansehnliche Sängerin Nicole Bogner kurze Zeit später zu Visions Of Atlantis stieß, schloss sich der ambitionierte Musikantenreigen. Heraus kamen dabei mit großartigen symphonischen Orchestrierungen versehene und brillant feinmelodische Gothic bzw. Fantasy Metal-Epen, deren ausgeprägt individuelle Güte-Charakteristiken jeweils völlig für sich alleine glänzen können – eine Seltenheit in diesem Metier.

Zählt man offensichtliche Inspirationsquellen auf, rangiert der finnische Exportschlager Nightwish hier allzu deutlich vor ähnlichen Genrebands wie Within Temptation, After Forever oder Epica. Vom reinen Plagiat sind unsere ästhetisch agierenden Helden aus der Alpenrepublik jedoch im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen so weit entfernt wie Atlantis selbst von der Meeresoberfläche. Dem 2002er Debütalbum „Eternal Endless Infinity” hängen Visions Of Atlantis nun den in vielen Belangen überragenden Nachfolger „Cast Away“ an. Sopransängerin Nicole griff für mich erneut nach ihrem Telefon.

„Anfänglich konnte ich mir unseren Videoclip zum Song `Lost` auf VIVA Plus und im WOM Music Shop ehrlich gesagt fast nicht anschauen, weil ich mir darin überhaupt nicht gefiel. So schaltete ich beim ersten Sichtkontakt blitzschnell meinen Fernseher aus, weil ich mich schier selbst nicht sehen konnte. Doch dann machte ich ihn aber gleich ebenso schnell wieder an, weil die Neugier auf meinen eigenen Anblick größer war. Es war ein wirklich eigenartiges Gefühl, dass zu beschreiben mir noch immer relativ schwer fällt. Das geht wohl fast jedem Künstler so, der sich selbst das erste Mal irgendwo selbst hört oder sieht, denke ich mir. Doch mittlerweile, nach einer gewissen Gewöhnungsphase, finde ich mich nun doch noch ganz gut“, bringt sich Nicole mit sympathischem Understatement zu Beginn des Gespräches mit einiger Heiterkeit ein.

Den aktuell scheinbar plötzlich einsetzenden Publikumserfolg ihrer Band Visions Of Atlantis schreibt die hübsche Protagonistin nicht zuletzt auch dem neuen Label zu, wie sie offenbart:

„Das in Bremen ansässige Label, welches unsere Debüt-CD `Eternal Endless Infinity` veröffentlichte, hatte ja leider nur begrenzte Möglichkeiten und konnte darum nur sehr wenig Promotion für uns machen. Um ehrlich zu sein, machten wir eigentlich fast alles selbst, um uns und das Album bekannt zu machen. Daher verwundert es nicht, dass `Eternal Endless Infinity` im Großen und Ganzen im Wust ähnlicher Veröffentlichungen untergegangen ist. Unsere neue österreichische Plattenfirma verfügt dagegen über ein beträchtliches Werbeetat und hängte sich entsprechend für uns rein. Im Fernsehen zu sehen zu sein, hätte ich mir beispielsweise früher nicht mal zu träumen gewagt“, ergänzt sich Nicole mit urigstem steirischen Akzent.

In der breit angelegten medialen Werbekampagne ihres neuen ebenfalls aus Österreich stammenden Label-Vertragspartners wird mit dem bestens reputierten Erfolgsnamen Nightwish emsig hausieren gegangen. Nun eventuell einsetzenden Vorwürfen der Trendreiterei bringt meine Gesprächspartnerin jedoch entschlossen entgegen:

„Schon auf unserem Debütalbum waren deutliche musikalische Einflüsse zu hören, ohne die man als junge Band doch größtenteils auch gar nicht auskommt: Nightwish, Rhapsody, Stratovarius und Helloween. Simultan flossen dabei aber auch berühmte Opern und Operetten ein. Unser Gitarrist Werner Fiedler ist beispielsweise totaler Schwermetaller, während unser Schlagzeuger Thomas Caser sich eigentlich alles anhört und ich mich dagegen sehr für Klassik an sich begeistern kann. Ich selbst genoss circa sieben Jahre lang klassischen Sologesang bei einer Lehrerin, was natürlich deutliche Spuren hinterlassen hat.“

Die im Dialog bestens aufgelegte und ständig herzhaft freudig lachende Nicole, die laut eigenem Bekunden all ihre Leidenschaft ins Singen legt, bilanziert in diesem Zusammenhang:

„Im Alter zwischen 12 und 13 Jahren trat ich einem ortsansässigen Chor bei, nämlich dem Brucker Stadtchor. Weil ich so viel Freude am Singen hatte, begann ich dann zwei Jahre später bereits verstärkt Solounterricht zu nehmen. Heute bin ich mittlerweile so sehr darin involviert, dass ich mir vor kurzem glatt deswegen das Rauchen abgewöhnt habe.“

Trotz dieser Umstände hat sie laut nachfolgendem Statement keinerlei Probleme damit, sich in einer Metalband wie Visions Of Atlantis gut zu behaupten. Überwiegend unter Jungs aufgewachsen, sollte ihre Weiblichkeit sich darum erst relativ spät vollkommen entfalten.

„Freundinnen hatte ich eigentlich nie, denn mit den Jungs aus meiner Gegend verstand ich mich irgendwie viel besser.“ Nächtliches Schwarzfischen gehörte daher ebenso zu ihrem früheren Repertoire dazu wie das gezielte Bewerfen eines örtlichen Bordells mit zahlreichen Äpfeln.“

Eine aus vielen ungewöhnlichen Gegensätzen bestehende Persönlichkeit also, die ihrem Redefluss im Weiteren freie Bahn lässt. „Irgendwann entstand ganz in meiner Nähe dann die `Versuchsband` namens Vipera Aspis, aus der dann recht rasch V.A und nachfolgend schließlich Visions Of Atlantis wurde. Die letzte Umbenennung fand exakt nach meinem Beitritt im Sommer 2000 statt. Im September hatten wir dann unser erstes Demo-Material im Kasten.“

Nightwish feierten zu diesem Zeitpunkt bekanntlich ihre ersten größeren Erfolge, was auch an den jungen Österreichern nicht vorbeiging. „Aufgrund unserer persönlichen musikalischen Neigungen kamen wir irgendwie nicht daran vorbei, ihnen unseren Tribut zu erbringen. Wir wollten sowieso Songs machen, die in diese Richtung gingen; also satten Metal mit Klassik und anspruchsvollem Frauengesang verbinden.“

Und genau dieses Vorhaben wurde für den aktuellen Langspieler „Cast Away“ dann auch erstmals so richtig überzeugend umgesetzt, denn laut Nicole verkauft sich der Silberdeckel ganz passabel. „Genaue Verkaufszahlen liegen uns im Moment noch nicht vor. Doch der erfreuliche Fakt, dass wir als ziemliche Underground-Band am Tag der Veröffentlichung von `Cast Away` bei euch in Deutschland gleich 200 Exemplare des Albums über den Ladentisch gehen ließen, spricht schon für sich.“

Die Veröffentlichung von „Cast Away“ wurde von einer Europatour flankiert, welche laut Nicole vom 27. Oktober bis eigentlich 26. November 2004 dauern sollte. Doch der gesamte Tourtross wurde von einer massiven Grippewelle erfasst, wie sie sich zurückerinnert.

„Die letzten paar Konzerte mussten wir leider absagen, weil es Simone Simons, die Sängerin von Epica mit am stärksten erwischte. Dafür möchte ich mich im Namen der Band auch nachträglich noch einmal entschuldigen, aber es ging wirklich nicht anders. Wir hielten durch, solange es uns allen möglich war. Auch ich war bei meiner Heimkehr komplett krank.“

Für die in diesem Punkt noch recht unerfahrene Sopransängerin Nicole war es ohnehin das erste Mal, an einer solchen Konzertreise beteiligt zu sein, wie sie verlauten lässt.

„Tage zuvor war ich schon immens nervös, da ich nicht genau wusste, was da überhaupt alles auf mich zukommt. Es war aber insgesamt gesehen schon ziemlich hart für mich, einen ganzen Monat lang auf diese Art und Weise unterwegs zu sein – nur zweimal schlief ich in einem richtigen Bett, ansonsten immer im Tourbus, was aber eigentlich ganz gut funktionierte. Gefeiert wurde natürlich entsprechend viel, wie man sich nur zu leicht vorstellen kann. Ich brauchte ganze 30 Paar Socken und Unterwäschen in diesem Zeitraum auf. Der erste Gig war simpel gesagt ein erfolgreiches Heimspiel für uns, da spielten wir in Oberaich als Headliner. Überwiegend waren sämtliche Familienmitglieder von uns allen im dortigen Publikum anwesend.“

Der erfolgreichste Gig dieser Tour war ihrer Meinung nach sicherlich der Auftritt bei Metal Female Voices-Festival in Brüssel am siebten November, wo auch die Idole Nightwish live zu erleben waren.

„Wir kennen uns nun ohnehin schon etwas länger persönlich, da unser Gitarrist Werner Fiedler ziemlich eng mit ihrem Gitarristen Erno Vuorinen alias Emppu befreundet ist. Wir trafen Nightwish also zuvor schon dreimal, von daher liefen sich alte Bekannte über den Weg. Noch mit von der Partie waren dort u.a. auch noch Flowing Tears. Unser Auftritt war sehr erfolgreich, wenn auch mit leichten Anlaufschwierigkeiten – so fiel mir beispielsweise vor lauter Nervosität gleich zu Beginn erstmal das Mikro um, als ich auf der Bühne davor trat“, lacht sie abschließend laut schallend bei ihrem Statement.

© Markus Eck, 09.01.2005

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