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Interview: URIAH HEEP
Titel: Noch immer voller Feuer

Als der britische Gitarrist Mick Box im damaligen kalten Dezember 1969 diese einzigartige Formation gründete, konnte er noch nicht ansatzweise wissen, in welche kreativen und populären Höhen er damit noch aufsteigen sollte. Denn bis heute haben Uriah Heep über 30 Millionen Tonträger verkauft. Bekanntlich benannt nach der gleichnamigen Romanfigur aus dem Buch „David Copperfield“ von Autor Charles Dickens, zählen Uriah Heep neben gleichsam enorm bedeutungsvollen Hard Rock-Gruppen wie beispielsweise Led Zeppelin, Black Sabbath und Deep Purple zu den frühesten und auch erfolgreichsten Repräsentanten dieser Stilistik.

Zudem dürfen sie proklamieren, im schicksalsträchtigen Jahr 1987 als erste westliche Band überhaupt im damaligen Sowjetrussland aufgetreten zu sein. Progressive Elemente sind bis heute im unverwechselbaren Sound dieser Erfolgsmodelle vorzufinden, mit welchen die Beteiligten seit jeher gekonnt umzugehen verstehen. Auch eine ganz gewisse Portion melodramatischer Romantik hat die Kompositionen bis heute nicht verlassen, wovon das neue gelungene Studioalbum „Into The Wild“ kündet.

Und die scheinbar unverwüstlichen englischen Hard Rock-Giganten, welche auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in den 70er Jahren ganze Stadien füllen konnten, haben sich ihre kreative Handschrift auch aktuell bewahrt.

„Ich bin in guter Verfassung heute, Danke der Nachfrage“, freut sich der im nördlichen Teil Londons lebende Mick in herzlicher und höflicher Manier als einzig verbliebenes Gründungsmitglied zu Beginn des Interviews.

Im Anschluss von mir darauf angesprochen, was ihn bis heute als Künstler antreibt, erläutert er:

„Für mich war und ist Hard Rock schon immer die beste Musikform auf dieser Welt gewesen. Und so wird es immer sein. Ich liebe es einfach, diesen Stil zu spielen! Es gibt für mich einfach nichts Größeres, als mich in und mit Uriah Heep verwirklichen zu können. Und den anderen in der Band geht es glücklicherweise ganz genau so. Wir haben einen Riesenspaß an unserem Tun hier. Und wir können es auch diesmal wieder kaum erwarten, den Fans in vielen Teilen der Erde unsere alten und neuen Songs vorzuspielen und im Zuge dessen wieder viele interessante Länder zu besuchen.“

Dann geht das weitere Gespräch auch schon zu den Gegebenheiten hinsichtlich der neuen Albumscheibe „Into The Wild“ über. Und Mick legt dazu sehr gut gelaunt dar:

„Bereits, als ich mich als Hauptsongwriter ans Schreiben der neuen Lieder machte, bemerkte ich erfreulicher Weise an mir, dass tief in mir noch immer das gute alte künstlerische Hard Rock-Feuer nur so lodert. Einen speziellen Ritus zum Komponieren beziehungsweise eine spezielle Stimmung benötige ich zum Glück nicht. Ich nehme es einfach wie es kommt, wie man so schön sagt. [lacht laut] Und das kann durchaus auch mal in den frühen Morgenstunden sein, oder nachdem ich meinen Sohn zur Schule gebracht habe: Danach setze ich mich nieder, meine Akustikgitarre im Arm, und lasse mich von der Inspiration treiben. Wenn etwas Brauchbares dabei herausgekommen ist, nehme ich das in der Regel auch sehr schnell auf bei mir zuhause. Das Allerwichtigste dabei ist meiner Auffassung und Erfahrung nach, als Komponist jederzeit offen für alles zu sein, was einem in den Geist kommt. Man sollte sich seinen eigenen Ideen nicht verschließen; wenn eine Idee kommt, sollte sie rasch umgesetzt beziehungsweise verfeinert werden. Dann bleibt das Ganze auch natürlich und unverkrampft, was schon auch einen sehr guten Nebeneffekt innehat.“

Wann immer er also ausreichend Zeit dazu hat und genug Muse verspürt, so Mick im Anschluss, schnappt er sich die Gitarre und spielt auf ihr. Wir erfahren vom Altmeister:

„Mit den Jahren hat sich da auch eine Art Routine eingeschlichen, die mir die Umsetzung meiner kompositorischen Visionen mittlerweile relativ leicht gemacht hat. Circa 90 % der Lieder entstanden auf der Gitarre, den Rest erarbeitete ich am Keyboard. Wobei mir das Tastenspiel ja ehrlich gesagt lange nicht so gut liegt wie das Arbeiten an den Saiten. [grinst herzlich] Ich bin einfach durch und durch ein Gitarrist, das liegt mir am allerbesten. Apropos: Einen der Tracks komponierte unser Keyboarder Phil, und er hat gute Arbeit geleistet. Ja, all das, was mich als Mensch beziehungsweise als Charakter ausmacht sowie all das, was mich als Musiker auszeichnet, floss in die aktuellen Kompositionen. Ich habe es ehrlich gesagt auch noch nie anders gemacht.“ [lacht]

Und wie mir der immens leidenschaftliche und trainierte Saitendehner im Weiteren unumwunden in aller spürbaren Ehrlichkeit und Selbstlosigkeit bekennt, hätte er wirklich niemals gedacht, als Musiker überhaupt so weit zu kommen, wie es heute der Fall ist.

Es folgt hochgradig sympathische Bescheidenheit und Bodenständigkeit:

„An so etwas denkt man ja nicht, eigentlich zu keiner Zeit. Man übt, man komponiert, man geht ins Studio, nimmt Songs auf und veröffentlicht Alben. Man macht immer weiter. Bei uns hat es sich glücklicherweise so ergeben, dass wir auch gegenwärtig noch immer in der erfreulichen Lage sind, unsere Musik zu machen und Platten auf den hart umkämpften Markt zu bringen. Und Konzerte zu geben, zu denen ein buntes Sammelsurium an Fans unterschiedlichster Altersstufen sehr gerne kommt. Immer wieder erstaunt es mich auf höchst angenehme Weise, dass selbst sehr junge Fans zu unseren Live-Auftritten kommen. Und ebenfalls erfreulich verwundert es mich stets aufs Neue, dass auch Anhänger zu uns kommen, die von Anfang an bei Uriah Heep als Hörer dabei waren. Ich finde das wunderbar! Das ganze Ding mit Uriah Heep ist ohnehin über die Jahre für uns alle etwas sehr Spezielles geworden. Und ich bin noch immer fest gewillt, mit meinen Bandkollegen stets das Beste zu geben. Die Fans haben es schließlich verdient.“

Der nachfolgende angeregte Dialog dreht sich darum, ob Mick einen persönlichen Favoriten unter den elf brandneuen Uriah Heep-Stücken hat. Er gibt ohne lange zu warten preis:

„Um ganz ehrlich zu sein, ist das sehr schwierig zu sagen für mich. Die Scheibe ist im Kasten, ich höre sie auch zuhause schon die ganze Zeit und ich mag alle der neuen Nummern auf ‚Into The Wild’ wirklich sehr. Es sind eine Menge wirklich guter Songs darauf vertreten. Wenn ich so dazu überlege, kommt mir das epische ‚Trail Of Diamonds’ in den Sinn, der fünfte Track der neuen Platte. Ein starker Progressive Hard Rock-Song, wie man ihn einfach lieben muss. Alles ist an seinem richtigen Platz darin; nichts zuviel, nichts zuwenig. Dieser Song wächst mit jedem Hören, er ermöglicht bei intensiver Hingabe eine großartige imaginäre Reise ins Reich der Fantasie. Aber auch die anderen Songs sind mir eine wahre Freude, selbst auf spieltechnischem Terrain. Als wir in Buckinghamshire aus den Liscombe Park Studios kamen, wusste ich sowieso: Wir hatten alles richtig gemacht. Aber eigentlich war mir dies schon im Vorfeld klar. Ich spürte tief in mir, dass die neuen Songs richtig gut sein würden; sich darüber hinaus auch im Studio problemlos einspielen lassen würden. Und diese neue Scheibe bietet einer Vielzahl von musikalischen Geschmäckern etwas: Haufenweise klassischen Rock-Stuff in traditioneller Art, kraftvolle Midtempo-Momente und darüber noch viel hinaus. ‚Into The Wild’ ist auf seine ganz eigene Art ein sehr vielfältiges Werk geworden, voller verschiedener emotionaler Facetten. Und musikalische Frische und Spontaneität kommt keinesfalls zu kurz darauf, was mir auch von Anfang an sehr wichtig war.“

Flankierend zur Veröffentlichung des neuen Studioalbums „Into The Wild“ sind natürlich auch wieder eine ganze Menge Konzerte für die alten britischen Haudegen, welche die Band beinahe um den ganzen Globus führen werden. Mick expliziert hierzu:

„Das wird wieder großartig! Geplant sind ganze 250 Shows für dieses Jahr 2011. Insgesamt werden wir im Zuge dessen wohl vor circa 150.000 Leuten spielen. Ich sehe dem mit großer Freude im Herzen entgegen. Möge alles gut werden!“

Auf meine diesbezüglich gestellte Frage, ob er als Urvater von Uriah Heep einen ganz bestimmten Song im Sinn hat, welchen er auf der Bühne immer wieder am liebsten zum Besten gibt, folgt das Bekenntnis:

„Eigentlich sind es ja immer wieder die frenetischsten Besucher unserer Konzerte, die uns dazu antreiben beziehungsweise anfeuern, die alten Uriah Heep-Klassiker wieder und wieder zu spielen. Andererseits ist es auch so, dass wenn wir von selbst mal einen Klassiker wie beispielsweise ‚Easy Living’ anstimmen, sofort sämtliche Fäuste im Auditorium hochgehen. Da wird jedes Mal eine immense Energie frei. Meine ganz persönliche Lieblingsnummer auf der Bühne ist jedoch schon seit vielen Jahren ‚July Morning’, wenn ich ehrlich bin. Denn der Song hat ja von allem etwas. Er hat schöne balladeske Parts in sich, aber er rockt auch mit schwerem Riffing herrlich satt ab. Jahren ‚July Morning’ ist erfüllt von reizvollen Dyamiken, und verfügt über ein sehr eingängiges Grundmotiv. Mir ist das Stück immens ans Herz gewachsen.“

Dann möchte ich abschließend auch noch wissen, welches der für Mick allergrößte Moment war, den er mit seiner Gruppe Uriah Heep überhaupt jemals erleben durfte.

Jetzt wird der Gute wie gewünscht noch liebenswert nostalgisch:

„Das war eindeutig damals 1987, als wir für zehn Tage in Russland auftraten. Insgesamt spielten wir innerhalb dieser Tage vor 180.000 Besuchern unserer Konzerte. Wir konnten es nicht glauben, bis wir selbst dort waren. Die russischen Fans waren wirklich sehr enthusiastisch, die waren zu der Zeit ja total unterversorgt mit solcherlei Musik. Vinylplatten mit westlicher Rockmusik kosteten die Leute zu der Zeit auf Schwarzmärkten sehr viel Geld. Heute eigentlich unvorstellbar. Ich werde das dort Erlebte jedenfalls niemals wieder in meine Leben vergessen.“

© Markus Eck, 11.03.2011

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