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Interview: TANZWUT
Titel: Pakt mit dem Teufel

Das zehnte Studioalbum ist für eine Band doch immer eine lange und fröhliche Feier wert. Und die Berliner Mittelalter Rocker um Sänger und Sackpfeifer Teufel gehen dieses Jubiläum mit dem neuen Langspieler „Schreib es mit Blut“ auch quicklebendig und ausgelassen an!

Die Songs des 2015er Albumvorgängers „Freitag der 13.“ sind noch im Ohr, da kreuzen die Tanzwütigen schon wieder mit einer weiteren Liederkollektion auf. Und wie der stets spielfreudige Haufen Spielleute auf „Schreib es mit Blut“ verdammt keck offenbart, hat man bei Tanzwut immer noch haufenweise pfiffige Ideen für überzeugendes Liedgut parat.

Umfassende Vorbereitung
Die Berliner Mittelaltermusikanten waren etwa vier Monate im Winter mit dem Schreiben der neuen Songs beschäftigt, wie Frontmann Teufel berichtet.

„Wir beginnen immer mit der Vorproduktion der Songs. Das geschieht in unserem eigenen Studio. Das Texten und Komponieren ist die längste und intensivste Phase bei unseren Plattenproduktionen. Aber diese Phase macht mir auch am meisten Spaß. Das Erschaffen von neuem Liedgut ist eine anstrengende aber auch zufrieden stellende Sache. Die reine Aufnahme dauerte hingegen nur sechs Wochen. Das heißt, wir waren 2016 größtenteils mit der Plattenproduktion beschäftigt. Parallel dazu haben wir aber die Puppen auferstehen lassen. Vor 20 Jahren war ich schon einmal mit Marionetten unterwegs und in diesem Jahr konnte ich endlich das Theatrum Diaboli zum Leben erwecken. Mit neuen Marionettenstücken und mittelalterlicher Musik kann man uns dieses Jahr noch auf Schloss Kaltenberg und Burg Satzvey erleben.“

Stets gut genutzte Zeit
Er fügt dazu noch an: „Wir arbeiten einfach kontinuierlich an einer Sache. Außerdem bin ich ungeduldig. Ich habe noch so viel vor und so viele Ideen, dass ich alles immer schnell umsetzen will. Die Zeit rennt und ich habe das Gefühl, dass die Zeit nicht ausreicht, um alles umzusetzen. So kam es auch auf der letzten CD zu dem Song ‚Der Zeitdieb‘. Ich freue mich, dass ich es im vergangenen Herbst und Winter endlich geschafft habe die Marionetten zu schnitzen, eine Bühne gebaut, neue Stücke dafür geschrieben und einstudiert zu haben. Frei nach dem Spruch: ‚Nicht labern, sondern machen.‘“

Klare Selbstsicht
Teufel ist überzeugt: „Wir wissen, was wir wollen und trotzdem ist es immer wieder ein Abenteuer. Kreativität ist ja nicht planbar. Es gibt Tage, da fällt einem nichts ein und dann wieder zwei bis drei Songtexte an einem Tag. Wir sprudeln vor Ideen und haben Lust auf die Musik. Selbst nachts träume ich manchmal davon, stehe dann auf und mache mir Stichpunkte. Auch wird man oft einfach unterwegs inspiriert. Ein Notizbuch habe ich immer dabei. So kann man einer Vorproduktion auch entspannt entgegen sehen.“

Lieber individuell
Insgesamt sind sich die Berliner natürlich auch für die neue Platte „Schreib es mit Blut“ musikalisch treu geblieben, wie der Mann sagt.

„Dudelsäcke und kleine Mittelalterelemente, die Tanzwut ausmachen, sind weiterhin dabei. Aber wir haben versucht noch mehr Breite und Tiefe in die Songs zu legen. Sei es textlich oder musikalisch kein Blatt vor den Mund zu nehmen, aber trotzdem poetisch zu bleiben. Nicht zu einfach, aber trotzdem verständlich. Und es rockt ein fettes Brett, welches live viel Spaß machen wird, sowohl auf, als auch vor der Bühne. Uns kommt es am allermeisten darauf an, dass wir unangepasst bleiben und Musik machen, die wir selbst gut finden. Auch sollte kein Text, keine Zeile, keine Melodie und kein Akkord ohne Herz und Seele sein.“

Vom Inneren geleitet
Jeder Song ist laut Aussage des Barden aus dem Bauch heraus entstanden und hat seine speziellen Besonderheiten.

„Ein Merkmal ist auf jeden Fall immer noch der Dudelsack, welcher in jedem Song zu hören ist und die deutschen Texte. Bei der Songauswahl für das Album wurde ebenfalls mit Bauchgefühl heraus vorgegangen. Wir machen das immer noch wie in den Anfangszeiten, als wir mit den Dudelsäcken auf der Straße gespielt haben. Also man verlässt sich auf sein Gefühl.“

Dichterische Erwägungen
Der Hintergrund zum Albumtitel „Schreib es mit Blut“ ist geradezu diabolisch. „Wer Goethes Faust kennt, weiß, dass es dort um den Pakt mit dem Teufel geht. Um die Versuchung genau genommen. Und dieser Pakt wird traditionell mit Blut unterschrieben. In unserem Song wird dieser Text aufgegriffen und in unsere Zeit projiziert. Wer schließt den Pakt? Wer hat ihn bereits geschlossen? Vielleicht ist die heutige Welt ja schon längst der Pakt mit dem Teufel?“

Dringende Fragen
Und jedes der neuen Stücke auf dem Album hat sein eigenes Thema bekommen, so der rotgehörnte Sänger. „Es geht um das Drama des menschlichen Wesens. Reflexion der Gesellschaft, Verhaltensweisen durch gewisse Einflüsse. Die Frage ‚Was wäre wenn?’ oder was bedeutet uns Freiheit und Liebe, wie dekadent oder verrückt sind wir? Sind wir die Sklaven unserer eigenen Wünsche und des Geldes?“

Erfolgreiche Stilfindung
Es gibt immer Ideen und Vorschläge von allen Seiten, welche sich Gevatter Teufel erst einmal notiert, wie er wissen lässt.

„Aus diesen und aus meinen Textfragmenten entstehen dann die Songtexte. Die Texte sind seit jeher hauptsächlich mein Part. Dann geht es mit unserem Mitproduzenten ins Studio, wo während der Vorproduktion die Songs entwickelt werden. Ich glaube, dass wir nach zehn Studioalben den typischen Tanzwut-Stil entwickelt haben. Klar wandelt man sich im Laufe der Zeit. Und es gab beziehungsweise gibt auch immer Einflüsse von außen. Beispielsweise gibt es bei dem Song ‚An den Klippen’ Einflüsse aus Irish Folk.“

Schöne Töne
Das ganz spezielle Klangbild der neuen Scheibe ist einfach prima geglückt. Der Sänger und Sackpfeifer teilt die Einschätzung vollauf: „Für den Wahnsinns-Sound ist unser Mitproduzent Benjamin Schwenen verantwortlich. Wir waren selbst extrem beeindruckt, wie er geschmackvoll und gefühlvoll einen ultrafetten Mix für uns gezaubert hat. Die wahren Geheimnisse kennt aber nur der Meister selbst.“

Lauter Verrückte
Zur zwischenmenschlichen Chemie, die bei Tanzwut immer wieder so wirkungsvoll und produktiv zum Tragen kommt, verkündet Teufel noch hocherfreut: „Die Band besteht aus verrückten, lustigen und wahnsinnig geilen Musikern. Und das macht alles unglaublich amüsant. Jeder ist für sich eine spezielle Type. Eine Horde guter Freunde, die gerne Musik macht und unterwegs ist. Wir können uns auf den anderen verlassen und ergänzen uns gut.“

Magische Momente
Abschließend noch zu dem für ihn faszinierendsten Ort befragt, an dem er schon einmal persönlich zugegen war, verwandelt sich die Miene des Mannes in eine Art Kaleidoskop. Er strahlt:

„Ich war vor 15 Jahren in Mexiko auf einer Maya-Pyramide, welche auf einem Berg mit einer heißen Quelle stand. Das war magisch. Wir waren da, um der Beerdigung eines lieben Freundes beizuwohnen. Als seine Asche in alle vier Winde verstreut wurde, haben wir dazu Musik gemacht mit Trommeln und Dudelsäcken. Es brannten große Feuerschalen neben uns. Und es waren fünfhundert Leute anwesend, welche zu weinen und schreien anfingen. Danach begann eine orgastische Party. Das Wasser der heißen Quelle sprudelte aus großen steinernen Köpfen in ein Steinbecken um darin zu baden. Es war eine unbeschreibliche mystische Nacht.“

Sehnsucht nach innerer Einkehr
Und wie der Rotgehörnte dazu weiter offenbart, würde er gerne einmal nach Tibet reisen und sich dort die Welt von oben anschauen. Die Gründe dafür sind vollauf nachvollziehbar: „Nachdenken und Ruhe finden. Einfach mal entschleunigen und Abstand von dieser irren Welt bekommen.“

© Markus Eck, 24.06.2016

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