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Interview: SLAYER
Titel: Wieder erwachter Teamgeist

Ursprünglich war es ja für den 06.06.2006 vorgesehen, das brandneue Studioalbum der kalifornischen Totschläger, doch schier nicht enden wollende Schwierigkeiten verhinderten dieses schwermetallisch verdammt reizvolle Veröffentlichungsdatum schließlich.

Nicht zuletzt waren dafür auch massive gesundheitliche Probleme von Brüllsänger und Tieftöner Tom Araya verantwortlich, dem man seine derzeitige miese körperliche Verfassung bereits am Äußeren anmerkt.

Kein Wunder, mit der Gallenblase ist eben nicht zu spaßen. Vorerst noch mit dem Arbeitstitel „The Final Six“ versehen, dann pre-medial unter dem Titel „Jihad“ angepriesen, dämmerte den Verantwortlichen wohl alsbald der gerade mit der zweiten Titelversion einhergehende weltweite Ärger.

So kommt der neue Thrash Metal-Langspieler der Erfolgreichen – von den zahllosen Fans noch heißer ersehnt als der aktuelle Sommer sich anfühlt – nun also endlich als „Christ Illusion“ daher.

Erblickt man das fiese Front-Cover der neuen Drescherscheibe, fühlt man sich von der morbiden Optik her stark an den schmissigen ´86er Albumwurf „Reign In Blood“ erinnert – was auch musikalisch gar nicht mal so unbegründet ist.

Zudem ist „Christ Illusion“ das erste Slayer-Album der seit einem Vierteljahrhundert aktiven Riff-Biester in der Originalbesetzung seit 1990.

Und Araya, die zwei Gitarrenquäler Jeff Hannemann und Kerry King sowie Ur-Drummer Dave Lombardo haben mal wieder ihrem Ruf alle Ehre gemacht.

„Zum Glück habe ich auf den guten Rat meines Arztes gehört“, beginnt der Exil-Chilene und Familienvater Tom Araya die Interview-Konversation.

„Hätte ich mich nämlich nicht entsprechend schnell operieren lassen, dann hätte die Sache wohl ziemlich böse für mich geendet. Der ganze Scheiß damit begann urplötzlich, als ich mich gerade auf dem Rückflug vom Aufnahmestudio in Los Angels in meine Heimat Texas, Buffalo, befand. Wie aus dem Nichts verspürte ich sehr starke Schmerzen – was kurze Zeit später als Entzündung der Gallenblase diagnostiziert wurde. Was ich mir selbst noch immer nicht beziehungsweise sehr schwer erklären kann, wodurch diese Entzündung begründet war. Ja, man wird eben nicht jünger, jedes Jahr melden sich neue körperliche Mätzchen“, lacht der 44-jährige gequält, der seit einigen Jahren ein eigentlich ziemlich gesundes Leben führt, nachdem er sich früher stets so einige chemische Substanzen eingeworfen hat und auch kein Bier hat stehen lassen.

Der noch immer ziemlich angeschlagen wirkende und aussehende Sänger klärt weiter auf:

„Nicht einfach wegzustecken war für uns auch die Tatsache, dass die anstehende Tour zum neuen Album verschoben werden musste, aber es war wohl am besten so. Da stehe ich doch lieber in guter Verfassung auf der Bühne und gebe alles, als mich zurückhalten zu müssen. Ich meine, was wäre das denn für eine Slayer-Show, bei der ich nicht Vollgas geben kann?“

Das letzte reguläre Studioalbum, „God Hates Us All“, liegt mittlerweile fünf Jahre zurück.

Als enthusiastischer Slayer-Fan und -Sammler hatte man also harte Zeiten zu überbrücken.

Araya rechtfertigt den langen Entstehungshintergrund zum neuen Thrash-Teller: „Ich persönlich bin ehrlich gesagt heilfroh, dass es Slayer überhaupt noch gibt und dass wir überhaupt das neue Album aufgenommen haben und nun veröffentlichen können. Wenn man bedenkt, in was für einer akuten Sinn- und Schaffenskrise wir als Band uns damals 2001 befunden haben, so kann man meine Worte sicherlich sehr gut nachvollziehen. Wir gelangten gar an einen kreativen Todpunkt, an dem es schier nicht mehr weiterzugehen schien. Alles deutete schließlich daraufhin, dass eine massive Veränderung in unserer Denkweise bezüglich der Band-Belange vonstatten gehen musste – und glücklicherweise haben wir das gemeistert. Ich sprach damals einige sehr deutliche Worte zu den Jungs, und das hat bis heute bestens gewirkt. Doch es dauerte schon einige Jahre, bis Slayer wieder Slayer waren. Doch richtig gute und griffige Songs schreibt man in einer Musikgruppe eben nur bei entsprechender Harmonie und Ziel-Einigkeit. Man darf eben bei allem künstlerischen Geschick und Eifer das Zwischenmenschliche niemals ins Hintertreffen geraten lassen. Aus dieser Misere gingen wir alle gereift hervor und ich denke beziehungsweise hoffe, dass uns so was niemals wieder passiert.“

Was also „Christ Illusion“ angeht, da war Mr. Araya laut eigener Aussage mehr als zuvor am Songwriting-Prozess beteiligt.

„Alles lief eigentlich wie am Schnürchen, wenn ich so zurückblicke und resümiere. Die Lieder wuchsen nach und nach zu ihrer endgültigen Form heran. Ich war ständig beim Herumfeilen und Ausarbeiten der ganzen Details dabei, was mir sehr gut getan hat – ich meine, schließlich soll ich die Tracks ja stimmlich vortragen, also sollten sie mir schon auch verdammt gut gefallen, um eine überzeugende gesangliche Leistung dafür zu erbringen. Wir ließen uns wirklich viel nötige Zeit dafür, unsere neuen Kompositionen einerseits so originell und typisch für Slayer eben werden zu lassen und andererseits so unverkrampft wie möglich dabei zu klingen. Somit kann ich deiner Anmerkung, dass der aktuellen Platte ein gehöriges Maß an Slayer´scher Tradition zueigen ist, eigentlich nur zustimmen.“

Der bekannte Stammproduzent des zumindest spieltechnisch recht flinken Thrash Metal-Quartetts, Rick Rubin, dessen umfangreiche Verpflichtungen laut Statement von Araya ebenfalls zur Verzögerung von „Christ Illusion“ beitrugen, produzierte auch dieses Album. Tom:

„Mit Rick zu arbeiten heißt, die eigene künstlerische Dickköpfigkeit gleich an der Studiotür abzugeben“, scherzt der Sänger – „Er ist schon ein echtes Original mit einer ganz individuellen Denk- und Arbeitsweise, aber wir arbeiten nicht umsonst seit so vielen Jahren mit ihm zusammen. Das Gute an ihm ist nämlich, wenn er etwas macht, macht er es voll und ganz – ein echter Herzblutmensch eben. Wir mögen ihn sehr.“

© Markus Eck, 27.07.2006

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