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Interview: SALTATIO MORTIS
Titel: Ständige Weiterentwicklung

Eine zur Jahrtausendwende gegründete Spielmannstruppe, die allein schon durch die Pseudonyme der beteiligten Musiker mehr erzählt als die nicht selten plagiatorische Musik manch anderer Mittelalterrocker, stellen diese sieben Kerle bekanntlich dar.

Alea der Bescheidene, Dominor der Filigrane, Die Fackel, Falk Irmenfried von Hasen-Mümmelstein, Ungemach der Missgestimmte, Lasterbalk der Lästerliche sowie Thoron Trommelfeuer sind Saltatio Mortis, so benannt nach einem mittelalterlichen Totentanz. Mit Sackpfeifen, Schalmeien, Pommern, Binjou, Darbuka, Mandola, Harfe, Keyboards, Perkussion, Pauken, Gitarre und stilechtem Gesang inszenieren sie ihre jedes Jahr erfolgreicheren Lieder.

Enorm abwechslungsreiche Lieder, mit denen sie sich zwischen Künstlern wie Subway To Sally, Cornix Maledictum, In Extremo, Corvus Corax und Tanzwut einreihen. Stellvertretend für Saltatio Mortis öffneten sich Sackpfeifen- sowie Schalmeispieler Falk Irminfried von Hasen-Mümmelstein samt Perkussionist Lasterbalk dem Lästerlichen als ebenso rede- wie auskunftsfreudiges Duett meinen Fragen.

Der ganzen Band und allen die mit ihnen zu tun haben, geht es laut Aussage der beiden zurzeit wirklich blendend, wie sie mir eingangs gut gelaunt berichten: „Gerade haben wir eine wundervolle Zeit hinter uns. Die Dark and Mystery Music Nights sind vorbei und ein wenig Wehmut macht sich breit, da man sich an den ganzen Tross und die Menge an gleich gesinnten Kollegen zu gewöhnen begann.“

Die Truppe ist, wie danach zu erfahren war, nach wie vor in Ursprungsbesetzung und alle beteiligten Musiker wollen auch, dass das so bleibt: „Unsere wundervolle Live-Crew jedoch, ohne die wir überhaupt nicht mehr losfahren wollen, hat einige Neuzugänge zu verzeichnen und für die neue Rockplatte werden wir mit einem neuen Team an den Start gehen. Das bedeutet auch ein neues Studio und einen neuen Produzenten.“

Um etwaigen diesbezüglichen Gerüchten und Spekulationen gleich vorzubeugen verkünden Falk und Lasterbalk an dieser Stelle: „Wir sind immer noch dick mit Lutz befreundet, welcher auch unser Live-Album `Manufactum`, bis zu den Knien im Matsch stehend, aufgenommen und gemischt hat.“ Der Schritt zu einem neuen Produzenten für die modernen Scheiben von Saltatio Mortis hatte in erster Linie mit neuen Anregungen und frischem Wind zu tun, den jede Band nach ein paar Jahren mal braucht, wie sie erzählen.

Musikalisch bewegte die gleichfalls umtriebigen wie stilistisch wandelbaren Mittelaltermusikanten 2004 wohl am allermeisten die Aussicht auf 2005 – das Jahr, das für sie wohl einen Wendepunkt darstellen wird. Sie blicken zurück: „Die Vorbereitungen für unsere neue Scheibe liefen das Jahr 2004 über auf Hochtouren, lediglich unsere Bühnenauftritte waren da eine Art Verschnaufpause. In Sachen Bühnenpräsenz gaben uns die Dark and Mystery Music Nights doch einiges an Bewegung. Es ist ein großartiges Projekt das Gisbert Hiller da angestoßen hat und wir sind sehr froh dass wir dort teilnehmen durften. Politisch hat uns alle sehr die innenpolitische Situation in Amerika und der Krieg im Irak bewegt. Amerika als bigotter, christlich-fundamentalistischer Staat, das ist mehr als nur eine Horrorvision für uns alle.“

Am meisten erheitert waren Saltatio Mortis 2004 von einem Review über ihr Album „Erwachen“, welches ihrer Information nach in einem deutschen Rockmagazin, den Namen wollten sie nicht nennen, zu lesen war. „In der Tat hat dieser Bericht einen ungeahnten Heiterkeitsschub bei uns im Proberaum verbreitet. Dem Schreiber verleihen wir dafür den goldenen Gummipokal für Spaß ohne Grenzen und ein Leben lang freien Eintritt auf unseren Konzerten“, scherzen Falk und Lasterbalk mit merklich ungefangener Beherztheit.

Auf dem Album „Erwachen“ sind Saltatio Mortis wieder deutlich rockiger geworden. Insgesamt gesehen hatten sie genau so viel Erfolg mit dieser Veröffentlichung wie sie es sich auch erwartet hatten. „Wir sind uns sehr bewusst was wir mit diesem Album erreichen wollten und dies ist auch zu unserer Zufriedenheit eingetreten. Zwar sind wir noch keine Millionäre durch `Erwachen` geworden, aber ich denke es ist immer ein gutes Zeichen, wenn unsere Plattenfirma auch danach sehr gern weitere Alben mit uns veröffentlichen möchte. Des Weiteren sind unsere Plattenverkäufe für uns nicht wirklich allzu wichtig, da wir unsere Erfüllung im Live-Spielen der Stücke sehen. Uns sind ausverkaufte Hallen zunächst einmal also viel lieber.“

Meine nachfolgende Frage nach belegten Rangplätzen von Saltatio Mortis in diversen Polls von Musikmagazinen sorgte zuerst für weit hochgezogene Augenbrauen, dann für eine Gegenfrage plus Antwort: „Punktezahlen für Musik? Ich habe mit dem Sinn von Schulnoten schon so meine Probleme. Was heißt denn schon, ein Album hat viereinhalb Punkte von sechs? Wer mir das schlüssig erklären kann, den schlage ich für den Nobelpreis vor“, gibt ein hier sehr sarkastischer Falk zu dieser Thematik vor.

Lasterbalk ergänzt ihn: „Wir sind mit `Erwachen` in allen relevanten Magazinen besprochen worden. Manchmal hätten wir uns gewünscht, dass die ganzen Rezensenten sich das Album auch wirklich angehört hätten. Im Großen und Ganzen sind wir aber sehr zufrieden mit den Kritiken der Schreiber.“ Die Meinung der schreibenden Zunft über das letzte Album von Saltatio Mortis ist laut den Statements meiner beiden Gesprächspartner sehr ambivalent – wie sie auch 2004 wieder feststellen mussten, findet manch einer ihre Musik innovativ, kreativ und konsequent, manch anderer Griffelknecht legt jedoch auch immer wieder genau das Gegenteil dar. Fest steht jedenfalls: „Die einzige Kritik über die wir uns ärgern ist keine Kritik. Aber es ist immer eine sehr undankbare Sache Kritiker zu kritisieren. Da diese zunächst ihrem Gefühl entsprechend schreiben und dieses Gefühl dann wieder als Kritisierter in Frage zu stellen ist schon irgendwie doof. Schön aber ist, dass allgemein festgestellt worden ist, dass wir rockiger geworden sind.“

Wie diese neue musikalische Direktive auf „Erwachen“ denn bei ihren Anhängern so ankam, darum drehte sich der anschließende Gesprächsdreier. „Von unseren Fans ist dieses Album zunächst natürlich kritisch begutachtet worden. Einigen ist die Einschränkung der elektronischen Parts aufgefallen, aber allen scheint es letztendlich doch noch gefallen zu haben. Unsere Konzerte werden voller und voller und es ist schon begeisternd zu erleben wie tausend Kehlen bei `Falsche Freunde`, `Mea Culpa` oder `God Gave Rock’n’Roll To You` mitsingen.“

2004 war insgesamt ein wichtiges Entwicklungsjahr für Saltatio Mortis als Band als auch privat. „Wichtige Entscheidungen wurden getroffen und Weichen für die Zukunft gestellt. `Erwachen` bildet, wie der Titel der CD schon andeutet, lediglich den Beginn einer weitreichenden Entwicklung bei uns. Wir haben es zudem wie gesagt geschafft mit `Manufactum` eine fantastische Live-Platte aufzunehmen, die am 31.01.2005 erscheinen wird. Dafür haben wir ein Abendkonzert auf einem Mittelaltermarkt live mitgeschnitten. Wer uns schon mal live unplugged auf einem Mark erlebt hat, der weiß was auf der CD drauf sein wird. Alle anderen kommen uns entweder 2005 auf einem Markt besuchen oder verkürzen sich die Zeit indem sie auf `Manufactum` schon mal ein Ohr auf riskieren. Mit unserer Arbeit an sich, an uns und auf der Bühne können wir also sehr zufrieden sein.“

2004 war also schon ein besonderes Jahr für diese Mittelalterrocker. Dabei waren sie auf den größten Bühnen, mit der aufwendigsten Show ihrer Bandgeschichte und dabei mit so vielen Leuten wie noch nie zuvor unterwegs. „Mera Luna, SummerBreeze und natürlich das Wave Gothic Treffen sind zweifellos immer wieder aufs Neue echte Jahreshighlights – und wenn man dann noch erleben darf wie die Leute feiern, das macht uns wirklich glücklich. Dieses Jahr bekamen wir auf dem Mera Luna bereits Mittag um ein Uhr schon Zugaberufe, da freut man sich auf das was noch kommen wird.“

Wie die beiden sich gegenseitig ergänzen, hat ihre Band 2004 einen unerwartet hohen Zulauf bekommen: „Es war mitunter schon recht befremdlich festzustellen, dass Saltatio Mortis inzwischen ein fester Begriff in der einschlägigen Musikszene geworden ist und wir mittlerweile zu etwas Großem geworden sind, über das wir sonst als Fans gesprochen haben.“ Die Fans von Saltatio Mortis sind für Falk und Lasterbalk so etwas Ähnliches wie „Energiezellen“. „Jedes Mal wenn wir auftreten werden unsere Reservoirs wieder aufgeladen und all die Arbeit und Anstrengung ist durch ein tobendes Publikum gerechtfertigt. Es sind zwei Songs die das Publikum am meisten bewegten: `Falsche Freunde`, weil der Liedinhalt etwas ist, das jeder kennt und womit man sich identifizieren kann. Und natürlich unser `Dunkler Engel`, der einfach ein Mördersong ist.“

Das beste Konzert 2004 gab es aber laut Feststellung der beiden bekennend tourfreudigen Musikanten nach nicht. „Es waren viele davon richtig spitze, einige merkwürdig und ein paar waren eher der Stoff aus dem Albträume sind. Ich glaube, wer wie wir so circa 80 Konzerte im Jahr spielt, der weiß ganz genau was ich damit meine.“

Ab Februar 2005 plant das Septett wieder einen längeren Studioaufenthalt und generell wird sich musikalisch viel bei ihnen tun. „Wir arbeiteten schon das ganze Jahr 2004 an der Weiterentwicklung unserer modernen Musik. Die neuen Songs sind ausnahmslos ohne Elektronik entstanden, Dominor wird verstärkt zur Gitarre greifen und abgerundet wird der Schritt durch einen neuen Mann an der Reglern, der bereits viel Erfahrung mit anderen Mittelalter-Bands gesammelt hat und der uns auch zurzeit schon kräftig unter die Arme greift.“

© Markus Eck, 25.10.2004

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