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Interview: MYSTERIUM
Titel: Melancholisch geprägte Aggressionen

„The Glowering Facades Of Night“, das gelungene 2000er Debütalbum dieser verheißungsvollen Saarbrücker Dark Metal-Poeten, dürfte vielen Hörern in guter, ja, gar angenehmster Erinnerung sein. Es bot trotz aller überaus emotional vermittelten Seelenschwere melodisch erfrischenden und kompositorisch unverbraucht klingenden Alptraumsound, welcher sich aus einem immensen Fundus verschiedenster Inspirationseinflüsse bediente.

Nun tanzen Mysterium wieder mit großen kreativen Schritten über die Bühne extremer metallischer Düster-Eitelkeiten. Ihr neues Albumspektakel „Soulwards“ zeigt das erneut mit schwarzromantischer Ader musizierende Elegiequintett in absoluter Bestform.

„Für die lange Veröffentlichungspause gab es eigentlich keinen speziellen Grund. Nach den Aufnahmen zu `The Glowering Facades Of Night` haben wir uns einfach wieder eine sehr lange Pause gegönnt. Zum einen, weil wir schon ein bis zwei neue Songs für `Soulwards` stehen hatten und zum anderen, weil wir diese schlechte Angewohnheit wohl nie loswerden, uns nach jedem Album sehr lange Zeit zu lassen bevor wir ernsthaft an neuen Sachen arbeiten. Andererseits finde ich es auch gar nicht so schlecht, eine gewisse zeitliche Distanz zu den älteren Sachen zu schaffen, weil man schon alleine dadurch zumindest einen gewissen Grad an Abwechslung garantieren kann. Ich fände es einfach nur langweilig, wenn `Soulwards` nur eine etwas bessere Kopie unseres letzten Albums geworden wäre. Durch die Pause haben wir dem Sound von Mysterium viele neue Facetten gegeben, die sich vor allem durch das häufige Proben der Songs von selbst entwickelt haben. Wenn man einen Song, sei es im Proberaum oder auf Live-Konzerten, immer wieder spielt, hat man viel bessere Möglichkeiten, das Stück im Detail auszuarbeiten. So merkt man meiner Meinung nach unserem neuen Song `Dreams Unfold` diese starke Detailausarbeitung am meisten an, weil es der älteste Song auf dem aktuellen Album ist und er somit die meiste Zeit hatte zu reifen“, berichtet mir Saitendiener, Vokalist und Bandgründer Peter Domma, neuerdings alias Sagron, zu Beginn unseres zweiten Interviews.

Sagron? Er erläutert: „Die Synonyme verwenden wir, weil Mysterium zwar ein großer Teil im Leben von uns allen ist, andererseits aber auch ein Teil, der mit dem gewöhnlichen Leben nicht viel zu tun hat. Wir versuchen seit längerer Zeit diese Teile stärker voneinander zu trennen, um zu vermeiden, dass sie sich zu stark vermischen und so zum Beispiel unsere kreative Seite, die wir mit Mysterium und unserer Musik ausleben von anderen Einflüssen geprägt wird. Sicher kann jeder nachvollziehen, dass auch wir nicht die Möglichkeit haben uns nur auf die Musik zu konzentrieren und deshalb auch noch unser normales Leben bestreiten müssen.“

Um diese Trennung laut seiner Aussage auch äußerlich ersichtlich zu machen haben sie sich entschlossen, Synonyme zu verwenden. „Die Synonyme haben aber größtenteils keine mythologische Bedeutung, sondern wurden von jedem Mitglied der Band noch persönlichen Kriterien ausgewählt.“

Seine persönlichen Selbstbewertungskriterien soll mir der Sänger von Mysterium in diesem Kontext dann auch gleich mitteilen. Sagron mustert für mich daher sein Spiegelbild: „Ich wage zu behaupten, dass ich ein sehr nachdenklicher und emotionaler Mensch bin, der sich allerdings abgewöhnt hat sein Seelenleben mit zu vielen Leuten zu teilen. Es gibt in meinem Leben nur sehr, sehr wenige Personen, die meine Persönlichkeit wirklich ohne jede Maske kennen. Andererseits bin ich aber auch ein Mensch, der Phasen des absoluten Übermuts hat und diese auch ohne Probleme auslebt. Deswegen liebe ich meine Arbeit bei Mysterium auch so, weil ich dort eine emotionale, kreative Seite ausleben kann, die mit anderen Facetten meines Lebens im Widerspruch steht, und somit den gewissen Ausgleich schafft. Im Moment genieße ich es, verschiedene, sehr unterschiedliche Seiten meiner Persönlichkeit ausleben zu können. Als Musiker würde ich sagen, bin ich doch jemand der sehr hohe Ansprüche an sich selbst und die Mitmusiker stellt, dem die Arbeit, die die Musik eben auch beinhaltet niemals zu viel wird und der das gemeinsame Schaffen innerhalb einer Gruppe automatisch sehr stark an persönliche Sympathien bindet. Für mich wäre es zum Beispiel unvorstellbar, ausschließlich mit Musikern zusammenzuarbeiten, die ich nicht gut kenne und mit denen ich mich nicht auch auf menschlicher Ebene verstehe. Wir stammen alle aus dem Saarland und haben bis vor ein paar Jahren auch noch alle in der gleichen Stadt gewohnt. Metal-mäßig und generell szenemäßig ist hier im Saarland nicht viel zu holen. Die einzigen, mit denen wir in Kontakt stehen sind Autumnblaze, vor allem mit Markus B., woraus sich auch die Zusammenarbeit auf dem neuen Album ergab.“

Blicken wir aber doch ruhig noch etwas zurück. Das Vorgängeralbum lief eigentlich ganz gut, wie Sagron nachfolgend mitteilt:

„Im Großen und Ganzen sind wir sehr zufrieden mit den Reaktionen auf unser Debüt `The Glowering Facades Of Night`. Wie ich den Interviews zum letzten Album ja schon einmal erklärt hatte, war das Debüt ein etwas problematisches Thema für uns. Zum einen waren wir natürlich überglücklich einen Vertrag mit Prophecy Productions zu haben und das Album professionell veröffentlichen zu können, zum anderen haben wir uns aber danach auch oft die Frage gestellt, ob wir schon reif dafür waren. Das hatte verschiedene Gründe: Die Songs, die wir damals veröffentlicht haben, waren zum Zeitpunkt der Aufnahmen teilweise mehrere Jahre alt, so dass sie nicht den aktuellen Stand unserer Musik repräsentierten. Außerdem war das Debüt ursprünglich ja als Demo geplant und deshalb war die Arbeitsweise eben auch eine andere wie bei einer professionellen Produktion. Desto überraschter waren wir natürlich wie durchweg positiv das Album von den Magazinen und den Hörern angenommen wurde. Wenn ich mir heute das Debütalbum anhöre, gehe ich da sicherlich mit sehr gemischten Gefühlen ran. Zum einen gibt es wie oben erwähnt viele Punkte mit denen ich ganz und gar nicht zufrieden bin, zum anderen glaube ich aber, dass es als Debüt durchaus zu vertreten ist und auch viele schöne Momente hat, die mir auch heute noch sehr gut gefallen. Rückblickend hat uns das Debüt auf jeden Fall viele Türen geöffnet, um auch die Möglichkeiten zu haben, einige Konzerte und eine Tour zu spielen, andere Bands und die Szene im allgemeinen kennen zu lernen, und uns und unsere Musik zumindest in einem gewissen Rahmen bekannter zu machen.“

Eine erste gemeinsame Band entwickelte sich damals, wie ich weiter von Sagron erzählt bekomme, schon 1993 aus einer Freundschaft heraus und aus der einfachen Motivation, zusammen Musik zu machen: „Aufgrund unseres wirklich jungen Alters haben wir viele Jahre einfach zusammen unseren Spaß an der Musik ausgelebt, viele verschiedene Sachen ausprobiert. Man kann sagen, dass Mysterium ungefähr 1997 entstanden ist, indem wir im Bereich des atmosphärischen Metals eine Richtung fanden, in der wir uns alle wohl fühlten und verwirklichen konnten. Die folgenden Jahre bis zu unserem Demo haben wir dann versucht unsere Musik weiterzuentwickeln und nicht zuletzt auch ein gewisses technisches Niveau zu erreichen. Dass wir uns damals in diese Richtung entwickelt und uns für diese Art von Musik entschieden haben war wohl zum einen ein Teil persönlicher Reifeprozess, zum anderen auch die Begeisterung für verschiedene Bands und die Szene im Allgemeinen. Heute betrachten wir das Ganze sicher aus einem anderen Blickwinkel und haben unseren musikalischen Horizont auch stark erweitert. Trotzdem ist die Art von Musik, die wir mit Mysterium machen, die beste, um uns zu verwirklichen und unsere Ideen umzusetzen. Ich denke ich spreche für alle in der Band, wenn ich sage, dass keiner von uns noch ausschließlich Metal hört. Inzwischen hat jeder verschiedene neue Sachen für sich entdeckt, die teilweise recht wenig mit der Metal-Ecke zu tun haben. Aus dem Metal-Bereich sind es auf jeden Fall Bands wie In Flames, Dark Tranquility oder Soilwork, die unserer Meinung nach einen guten Weg gefunden haben ihren Stil weiterzuentwickeln und moderner zu gestalten. Natürlich gibt es auch nach wie vor Kultbands gerade aus dem Black Metal-Bereich, die wir alle sehr schätzen, aber inzwischen sind wir diesbezüglich offener geworden und können an vielen Sachen Gefallen finden.“

Wie bereits erwähnt hat sich dieser Stil aus verschiedenen Einflüssen ergeben. Sagron ergänzt mich: „Aber der Hauptgrund war eine Musikrichtung und ein Konzept zu finden, in denen jeder Einzelne seine ganz persönlichen Vorstellungen einbringen konnte. So hatte sich beispielsweise eine Zeit lang die Frage gestellt, wie wir die elektronischen Elemente in einen Sound einbinden, der hauptsächlich von schweren Gitarren geprägt werden sollte und kamen dann, sicherlich auch durch Bands wie Moonspell oder Theatre of Tragedy beeinflusst, zu dieser Art von Musik, die beides miteinander verbindet.“

Und laut Aussage von Sagron haben sich Mysterium auch keine großen Gedanken über eine Konzeption gemacht, die hinter der Band stehen soll. Weil es ihrer Meinung nach eben kontraproduktiv ist, sich zu stark auf etwas festzulegen und sich so selber in seiner Kreativität Grenzen zu setzen, die man später mühsam wieder durchbrechen muss. Man erfährt:

„Sicher haben wir uns da mit dem Titel und der textlichen Konzeption des letzten Albums selbst nicht gerade einen Gefallen getan, was das angeht. Trotzdem ist eine gewisse Linie bei jeder Band zu erkennen und bei uns ist es meiner Meinung nach die Verbindung der harten Metal-Parts mit den atmosphärischen Parts und vor allem der starke Gegensatz sowie der Wechsel zwischen Melancholie und Aggression. Diese Grundstimmung macht Mysterium aus und wird sicher auch bei einer absehbaren Weiterentwicklung und Veränderung des Sounds nicht verloren gehen. Prophecy nennen es Mystic Metal, andere Dark Metal, andere atmosphärischen Black Metal, wir wurden aber auch schon in Reviews als Death Metal oder Neofolk beschrieben.“

Wie jeder, der anfängt sich für Musik zu interessieren, hat auch mein Interviewpartner verschiedene Phasen durchlebt, bis er die Musikrichtung fand, in der er sich wohl fühlte:

„Ich habe ganz früher mit Sachen wie Metallica und Guns N' Roses angefangen, habe mich dann eher so in die Alternative- und Punk-Richtung weiterbewegt und bin über Hardcore-Sachen schließlich zum Gothic Metal und von dort zum Black Metal gekommen. Heavy Metal-Bands wie Manowar konnte ich mir aber noch nie anhören, genauso wie amerikanische Death Metal-Acts. Heute höre ich mir ehrlich gesagt eher weniger aus dem Metal-Bereich an, was ich aber in der Ecke mit Abstand am besten finde, sind Soilwork, In Flames oder Dark Tranquillity. Eben Bands, die mit der Zeit gegangen sind und nicht immer wieder veraltete Klischees aufwärmen. An mein erstes selbst gekauftes Album überhaupt kann ich mich nicht mehr erinnern. Das erste Metal-Album war auf jeden Fall die Metallica-Scheibe `Jump In The Fire / Creeping Death`, eine Schallplatte, die ich sogar heute noch habe.“

Ihren Bandnamen wählten Mysterium, weil er damals ihrer Ansicht nach sowohl den lyrischen Hintergrund als auch die musikalische Grundstimmung am besten repräsentierte: „Nun hat er natürlich durch die leichte Abwendung von der lyrischen Welt der Mythen und Mysterien etwas an Bedeutung verloren, trotzdem verdeutlicht er auch heute noch recht gut die musikalische Intention unseres Schaffens und hat somit seine Berechtigung. Das lyrische Konzept, wenn man es denn so nennen will, bewegt sich ja auch heute noch im weitesten Sinne im Bereich des Unerklärten, Unterbewussten und Mysteriösen – nur mit dem Unterschied, dass es heute stärker die ganz persönlichen und fast alltäglichen Mysterien sind, die uns beschäftigen. Unser Seelenleben verbirgt so viele schöne und auch beängstigende Facetten, die alle entdeckt werden wollen und heute leider größtenteils verkümmern und zu wenig Beachtung erfahren.“

Anschließend kommen wir endlich auf den aktuellen Albumtitel „Soulwards“ zu sprechen, Sagron erklärt: „Wir wollten auf jeden Fall einen Albumtitel, der zum einen diesmal kurz, knapp und prägnant ist und der zum anderen die grundlegende textliche Thematik widerspiegelt. `Soulwards` besteht aus `soul` und `wards`, welches sich von `to-wards` ableitet. Zu Deutsch könnte man es vielleicht mit `seelenwärts` übersetzen. `Soulwards` beschreibt den lyrischen Rahmen, in dem sich die Texte des aktuellen Albums bewegen. Jeder Song stellt eine Facette der menschlichen Persönlichkeit beziehungsweise ihres Seelenlebens dar. Da wir auch mit der Anordnung der Stücke einen gewissen Bewegungseffekt oder fortlaufenden Charakter erreichen wollten, repräsentiert das `-wards` diesen Aspekt des Albums. Auch wenn ich an dieser Stelle noch einmal betonen möchte, dass `Soulwards` kein Konzeptalbum ist und die Stücke keinen direkten Bezug zueinander haben.“

Das aktuelle Album-Frontcover, sowie das komplette CD-Booklet wurde von Lukasz Jaszak entworfen und umgesetzt, laut Sagron sozusagen der Prophecy Productions-Hausgraphiker, der auch Empyrium's „Weiland“-Album, Arcturus u.a. gemacht hat:

„Seine Arbeit kann man unter www.jashackh.com bewundern. Das Cover für `Soulwards` wurde größtenteils nach graphischen Aspekten gemacht und hat keinen Bezug zu den textlichen Inhalten. Die Idee, sowie die Ausarbeitung stammen von Lukasz, wobei ich alle einzelnen Seiten des Booklets immer wieder mit ihm diskutiert habe und direkt Einfluss darauf nehmen konnte. Um die Sache allerdings nicht zu kompliziert zu machen, haben wir ihm diesbezüglich größtenteils absolute Freiheit gelassen und nur einige Punkte, die uns wichtig erschienen eingebracht. Ich persönlich bin mit seiner Arbeit vollkommen zufrieden.“

Laut Sagron war eines der Hauptziele für das aktuelle Album der Versuch, die atmosphärischen, langen Parts nicht zu verlieren, gleichzeitig aber den Sound von Mysterium moderner zu gestalten und auch etwas eingängiger zu machen. Der vielseitige Sänger offenbart Internes:

„Ein Song lebt unserer Meinung nach auch einfach von Parts, die einen gewissen Wiedererkennungswert haben und so versuchten wir ein wenig die Verstrickung in zu viele, zu lange Parts zugunsten einer eingängigeren Komposition zu vermeiden. Wie lange die effektive Zeit war, die wir an den Songs für `Soulwards` gearbeitet haben, kann ich wirklich schlecht schätzen. Dieses Mal haben wir auch einmal den Versuch unternommen verschiedene Parts beispielsweise im Bezug auf ihre Umsetzung offen zu lassen und erst im Studio endgültig festzulegen. Rückblickend war es eine tolle Erfahrung, vor allem in der Zusammenarbeit mit Markus Stock und auch mit Markus B., im Studio spontan verschiedene Sachen auszuprobieren und die Stücke nicht nur stur einzuspielen. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass wir Markus Stock wirklich dankbar für seine Unterstützung und seine Tipps sind. Er hat immer wieder versucht uns bei der einen oder anderen Sache über alternative Möglichkeiten nachdenken zu lassen und uns vor allem im Hinblick auf die Umsetzung beraten.“

Der Großteil der Ideen für die neuen Songs stammt auch dieses Mal wieder von Keyboarder Gwydion und ihm, wie Sagron weiterhin resümiert. „Wobei Gwydion diesmal für den absolut überwiegenden Teil der Lyrics verantwortlich war. Dieses Mal haben sich aber auch Ciikh und Ferrak sehr viel stärker eingebracht, was meiner Meinung nach auch zum Teil die Weiterentwicklung unserer Musik mit veranlasst hat. Wir haben dieses Mal stärker denn je gemeinsam in Proben an den Stücken gearbeitet und vor allem die neuesten Songs wie `Within Tempted Moon` oder auch `Sphereflight` entstanden größtenteils in der Zusammenarbeit aller Mitglieder. Um ehrlich zu sein haben wir früher sehr starke Zweifel daran gehabt, ob es so sinnvoll ist, einen Song zusammen entstehen zu lassen und sind meist so an die Sache rangegangen, dass ein Grundgerüst auf jeden Fall stehen musste. Dieses wurde dann im Proberaum mit verschiedenen Elementen erweitert. Aber da wir nun inzwischen ja schon über zehn Jahre gemeinsam Musik machen, können wir untereinander unsere Vorstellungen zu gewissen Parts oder Arrangements sehr schnell verständlich machen und so auch produktiv an einer Sache arbeiten, ohne uns in endlosen, nutzlosen Sessions zu verlieren. Wir hoffen diese Arbeitsweise in Zukunft noch weiterentwickeln zu können und jedem Mitglied noch mehr die Möglichkeit geben zu können, sich stärker einzubinden.“

Es gab keine bestimmte Stimmung oder Umgebung in der „Soulwards“ komponiert wurde, wie ich erfahre. Sagron ist hierzu nämlich der Meinung: „Heutzutage kann man sich meiner Meinung nach auch nicht mehr auf äußerliche Einflüsse verlassen, die Ideen oder Inspirationen liefern. Wer behauptet, dass er in der heutigen reizüberfluteten Welt seine Ideen aus der direkten Nähe zur Natur oder ähnlichem schöpft, muss sicherlich ein äußerst zurückgezogenes Leben führen. Da uns dies nicht möglich ist und auch nicht unserem Bild eines erfüllten Lebens entspricht, finden wir unsere Inspiration in uns selbst. Mit der Zeit entwickelt man die Fähigkeit, alle Störfaktoren auszublenden und sich auf die Musik zu konzentrieren, sie einfach fließen zu lassen. Ich glaube bei dieser Platte sind die Inspirationen ehrlicher als bei allen anderen Songs, die wir jemals geschrieben haben, weil wir dieses Mal nicht versucht haben uns in ein Thema einzuarbeiten oder über etwas bestimmtes zu schreiben, sondern unsere ganz persönlichen Gefühle und Stimmungen umzusetzen. Auch wenn mancher sagen wird, dies wäre zu profan oder ähnliches, frage ich mich doch, ob es so nicht wirklich sehr viel ehrlicher und somit auch besser ist, als etwas zu schaffen, was derart weit von den eigenen Erfahrungen entfernt ist, dass man nicht ernsthaft behaupten kann, dazu einen wirklichen Zugang zu haben.“ Ein nachvollziehbares Statement.

Die begeisternden Keyboardkreationen auf „Soulwards“ haben es mir total angetan. Ist Gwydion nun ein neuer Tastenmann oder steckt der alte Keyboarder dahinter? „Gwydion ist unser alter Tastenmann, der auch dieses Mal für alle Keyboardparts auf dem Album verantwortlich war. Auch er hat sich natürlich stark weiterentwickelt und hat meiner Meinung nach die innovativsten Ideen für `Soulwards` gehabt. Ich mag an seinem Stil einfach, dass er auch im Bezug auf das Songwriting nicht ständig den Drang hat, sein Instrument in den Vordergrund zu stellen, sondern auch mal eine Grundfläche für Gitarrenmelodien und ähnliches bietet, andererseits aber auch an manchen Stellen die zündende Idee für eine tragende Melodie hat und diese auch entsprechend umsetzt.“ Die Texte für das neue Album stammen laut Sagron wie gewohnt aus dem heimischen, stillen Kämmerlein: „Wir haben sie in aller Ruhe und meistens zu nächtlicher Zeit kreiert, oftmals unabhängig von der Musik, um sie dann später im Proberaum oder gar erst im Studio perfekt mit der instrumentalen Seite von Mysterium zu vereinen. Die Stimmung war diesmal eher zurückgezogen, abgeschottet und ein wenig bizarr, wodurch diese persönlichen Merkmale in die Lyrik eingeflossen sind. Wenn man das Endergebnis in seiner vertonten Form in einer ruhigen Minute auf sich wirken lässt, kann man, glaube ich, schon ein wenig nachfühlen, wie sehr die Texte diesmal aus uns selbst kommen.“

Deshalb war es auch ideal, sie in komplexeren Gesangsschichten darzustellen: „Da sich die Einflüsse diesmal, wie erwähnt, fast nur aus uns selbst gründen, mussten wir nicht erst umständlich nach Inspiration suchen, es strömte mehr oder weniger aus der Seele direkt auf das Papier.“

Kenne ich gut, genau so geht es mir immer beim Verfassen meiner Artikel. Wie der Titel „Soulwards“ also schon ankündigt, begibt sich der Hörer auf eine Reise in die Tiefen der Seele. Dies muss jedoch nicht unbedingt seine eigene oder die von Mysterium sein, sondern kann ganz einfach die menschliche Natur an sich verkörpern. Sagron betrachtet den textlichen Bereich der neuen CD als Einheit:

„Obwohl es sich, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte, aber wie bereits erwähnt, nicht um ein Konzeptalbum handelt. Es deckt lediglich ein großes Spektrum an mythischen, psychischen und alltäglichen Dingen ab: Träume, Unterbewusstsein, Selbstfindung, Sehnsüchte, Verzweiflung, Hoffnung. Dennoch haben wir wie beim Albumvorgänger wieder ansatzweise auf verschiedene mythologische Themen zurückgegriffen, die diesmal allerdings eher unterstützend wirken. So ist es bei `Within Tempted Moon` altes Hexentum, bei `Sphereflight` andererseits henochische Mystik, die einem die holprige Fahrt ins eigene Ich bebildern. `TheSe Mirrored 1s` ist dagegen bewusst simpel gehalten, lässt viel Spielraum, sein ureigenes Unterbewusstsein zu erforschen. Der abstrakteste Text auf `Soulwards` ist sicherlich der des Songs `Spiral Mystery`, welcher halb schlafwandelnd, halb bei Sinnen eigene Schwächen, Sehnsüchte und schamvoll die Irrwege eines undurchsichtigen Daseins darzulegen sucht.“

Im Grunde sollte laut Sagron aber jeder seine eigene, subjektive Reise unternehmen, denn „Soulwards“ enthält keine objektiven Wahrheiten und es steht jedem frei, einen darin Sinn zu entdecken! Oder aber auch nicht fündig zu werden. Die größte Hoffnung und Erwartung der Band ist seiner Meinung nach, dass man die Weiterentwicklung, die sie seit ihrem Debüt durchlaufen hat, auch bemerkt. Er wird deutlich:

„Wir sind davon überzeugt, dass wir uns verbessert haben und somit vielleicht auch den einen oder anderen, der vom Debüt nicht so angetan war, für unsere Musik begeistern können. Für uns war es nach den Schwächen, die uns an unserem Debüt etwas störten, ein Bedürfnis zu zeigen, wo sich Mysterium inzwischen befindet und eine Platte mit dem Anspruch aufzunehmen, diesmal möglichst keine Fehler zu machen. Unser höchstes Ziel war aber sicher etwas zu schaffen, mit dem vor allem wir zufrieden sind und an dem wir auch nach mehrmaligem Hören noch Gefallen finden.“

Für die Musiker in Mysterium ist es am wichtigsten, wie ich anschließend Kenntnis erhalte, ihre Songs so perfekt wie möglich zu beherrschen und sie dementsprechend live präsentieren zu können. „Mysterium ist eigentlich eine Live-Band, weswegen alle Stücke ausnahmslos auch live umsetzbar sind. Wir stellen bei Konzerten nicht den Anspruch, erwarten zu können, dass alle Facetten unserer Musik dort dem Hörer zugänglich werden – was schon alleine wegen den teilweise schwierigen Soundverhältnissen nicht möglich ist. Im Moment planen wir daran, in Zukunft eventuell auch visuelle Medien auf Live-Konzerten einzusetzen. Dazu kann ich allerdings noch nicht mehr sagen, außer dass uns eine Art komplette visuelle Darstellung aller Songs in Form von Animationen, Videos etc. vorschwebt. Wenn es dazu neues gibt werden wir auch versuchsweise ein paar Ausschnitte auf unsere Homepage stellen. Außerdem denke ich, ist unsere Live-Performance durch die Erfahrungen, die wir u.a. auch auf der Tour sammeln konnten wesentlich besser und energiereicher geworden. Jeder, der mit `Soulwards` etwas anfangen kann wird auch live ganz sicher nicht von uns enttäuscht sein.“

Zum ersten Mal werden Mysterium ihr neues Album am dritten Mai 2003 in Berlin im Knaack-Club zusammen mit Ashes You Leave präsentieren: „Nähere Infos dazu, sowie alle anderen etwaigen Konzerte können frühzeitig der Homepage unseres Labels unter www.prophecy.cd, sowie unserer eigenen Homepage www.prophecy.cd/mysterium entnommen werden. Unsere eigene Seite befindet sich momentan allerdings noch im Aufbau und wird wohl erst in den nächsten Wochen online sein.“

Letzte Worte an die Mysterium-Fans? „Da ich anhand der bisherigen Reaktionen den Eindruck gewonnen habe, dass viele erst nach längerem Hören des neuen Albums wirklich Zugang zu den zahlreichen Facetten finden, liegt es mir am Herzen, dass alle Interessierten und auch diejenigen, die das letzte Album mochten, sich wirklich Zeit nehmen um `Soulwards` intensiv und umfassend zu erleben!“ Dem schließe ich mich nahtlos an.

© Markus Eck, 03.04.2003

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