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Interview: MESHUGGAH
Titel: In sich gereift

Mit „The Violent Sleep Of Reason“ melden sich die beständigen schwedischen Pioniere ebenso lautstark als auch kompetent zurück.

Seit 1987 sind Meshuggah nun schon mit ihrem progressiv Konfus machenden, kompromisslos und brachial technisierten Sound am Start. Nächstes Jahr werden sie also das 30-jährige (!) feiern. Der beinharte, aber intelligent gemachte Groove Death Metal weiß noch immer eine Menge Fans hinter sich, die neben aller spielerischen Raffinesse gerade eben auch das enorm Abgedrehte der Formation zu schätzen wissen.


Trommelguru, Komponist und Bandleader Tomas Haake freut sich sichtlich:

„Für dieses achte Album gingen wir tief ins uns. Dabei kam die eine oder andere Modifizierung in den neuen Songs an den Tag.“

So behielten er und seine Mitmusiker zwar die bewährte Vorgehensweise im Songwriting und Einstudieren der Lieder bei, doch wurde vermehrter auf einen ‚natürlichen‘ Klang gelegt, falls man das überhaupt so sagen kann.

„Wir wollten das Ganze diesmal wieder etwas organischer hinkriegen, als es beispielsweise auf den beiden Vorgängeralben ‚obZen‘ von 2008 und dem vier Jahre später auf den Markt gekommenen ‚Koloss‘ der Fall ist.“ 



Auf besagten Werken geriet der Formation ihre Musik gewissermaßen zu maschinell, zu steril, so der Mann. „Das war zu der jeweiligen Zeit auch völlig in Ordnung für uns, sonst wäre es nicht so gekommen. Aber mit dem Abstand der Jahre hörte sich das Zeug so an, als wäre es auf dem Reißbrett eines Ingenieurs konstruiert worden“, lacht Tomas.


„Diesmal gingen wir daher mit entsprechender Bedacht an das neue Material heran. Mit aller Beflissenheit bemühten wir uns erfolgreich um das Wesentliche in jedem Stück. Und das fühlte sich schon beim Songwriting verdammt gut an. Umso mehr Freude hatten wir beim Einspielen. Ein gewisses, konstruktives Maß an bewusster Abwechslung macht eben nicht nur beim Schreiben von Musik viel aus.“

So hockten sich die Beteiligten laut dem Schlagzeuger endlich auch mal wieder in aller Regelmäßigkeit zusammen, um die neuen Stücke zu proben und im relevanten Kollektiv reifen zu lassen.

„Das war die pure alte Schule - und es war für uns als Gruppe auch wirklich bitter nötig, das mal genau so zu erleben! Ich persönlich habe es jedenfalls über die Jahre immer sehr vermisst. Irgendwie hat meinen Nummern immer das gewisse Etwas gefehlt. Man muss sich vorstellen, dass es uns früher einfach gar nicht möglich war, zu den Studioaufnahmen song-trainiert und erforderlich eingearbeitet zu erscheinen. Geschuldet war dies primär mangelnder Zeit und Geldnot.“



Wer die neue Platte als Kenner der Band aufmerksam hört, so der Drummer, der wird eine überraschende Lebendigkeit vernehmen.

„Das liegt auch daran, dass wir entgegen der Vorgehensweise vieler anderer Technical Metal-Acts für ‚The Violent Sleep Of Reason‘ strikt als fest verschweißte und somit nahtlose Einheit vorgingen. Das führte so weit, dass wir sogar die Lieder gemeinsam einspielten. In der Vergangenheit nahmen wir meine Schlagzeugparts immer zuerst auf, und legten dann nachfolgend nach den Gitarrenaufnahmen alles andere einfach nach jeweiliger Fertigstellung digital drumherum. Perfektion stand dabei im Vordergrund. Nicht so diesmal. Uns schwebte ein Album vor, das viel mehr ‚lebt‘ als es makellos ist. So bekamen unsere Saitenschrubber, die Gitarristen Jens Kidman und Fredrik Thordendal mitsamt Bassist Dick Lövgren dafür sogar ihren eigenen kleinen Recording-Raum im Studio. Wir spielten uns gemeinsam durch die neuen Nummern. Das war absolut klassisches Aufnehmen, ein echt irres Erlebnis für uns alle!“


Im Zuge dessen lernten Meshuggah auch, weiter über den Tellerrand hinauszublicken, was den ureigenen Gitarrensound der Truppe angeht. Tomas:

„Wir verwenden zwar nach wie vor achtsaitige Klampfen, die wir einen Halbton tiefer stimmen. Aber die letzten Meshuggah-Veröffentlichungen basierten primär auf digitaler Arbeitsweise, sodass fast alles am Computer mit ausgefuchster Software finalisiert und eben penibel perfektioniert wurde. Aktuell hatten wir aber sechs Verstärker in sechs verschiedenen Räumen platziert, was eine mächtige Lautstärke mit sich brachte. Zudem wurde jede Kabine einzeln, also unterschiedlich mit Marshall- oder Orange-Equipment aufgenommen. Abgemischt wurde stets so, wie ein Song danach verlangte. Gerade die von der Geschwindigkeit her etwas gedrosselten Tracks erhielten mehr Orange-Input, was ja einen gewissen, sludgy Stoner-Touch in die Sache legt.“


Früher also demnach noch allzu oft der maßlosen Übertreibung anheim gefallen, zeigen sich die Stockholmer Rhythmus-Feuerwerker auf „The Violent Sleep Of Reason“ hörbar geläutert. „Die Platte birgt ein noch immer höllisch irrwitziges, aber besser nachvollziehbares Element, das in dieser Weise selbst bei uns so nicht zu erleben war. Das liegt auch nicht zuletzt daran, dass mir Dick beim Songschreiben erstmalig tatkräftig zur Hand ging. Er hat einen ganz anderen musikalischen Hintergrund als die anderen Axemans in der Band. Zudem schert sich Dick einen absoluten Dreck um stilistische Grenzen und Möglichkeiten.“


© Markus Eck, 24.09.2016

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