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Interview: KNOWHERE
Titel: Schweizer Schwarzstahl

In der Quartettformation sind diese mit hörbar großer Hingabe agierenden Enthusiasten unterwegs. Die Bandgründung von Knowhere ist auf das Jahr 1992 datiert, mit der Zeit wandelte sich der Stil der vier Eidgenossen glücklicherweise vom anfänglichen Grindcore hin zum atmosphärischen Melodic Black Metal.

Einem 1994er Demo folgte drei Jahre später das Debütalbum, 2003 ließen Drummer und Sänger Kov, die beiden Gitarrenquäler Zappi und Fuhli sowie Tieftönerin Arlette H.D. dann den variantenreichen Albumnachfolger „The Mascot“ von der rostigen Kette. Progressive Elemente werden darauf in nicht unwesentlicher Anzahl verbaut, nebst vereinzelten Jazz-Anleihen. Insgesamt ist diese handwerklich wirklich überdurchschnittlich gut inszenierte Misanthropen-Scheibe also ein in kompositorischer Hinsicht ziemlich komplexer Hassbolzen geworden und somit eine erlesene Ausnahmescheibe für genau diejenigen Hörer, welche sich sehr gerne eingehend und tief mit „ihrer“ Musik befassen.

Mich sprach der betont eigenwillige Individualistensound dieser Schweizer Dunkelgarde daher schon beim ersten Hörkontakt ziemlich direkt an. So spreche ich im Gegenzug mit Bassistin Arlette, welche bei der Band unter dem Pseudonym ,Eiselfe‘ mitmischt.

Die einschlägigen Reaktionen auf „The Mascot“ waren laut ihrer Aussage zu circa 80 % sehr positiv und begeistert.

„Die negativen Reaktionen beschränken sich mehr oder minder auf das Urteil "zu kompliziert", was für uns ein Kompliment darstellt. Insgesamt sind wir aber schon sehr zufrieden. Wir machen uns keine Gedanken, ob wir nun gerecht bewertet wurden oder nicht. Wenn jemandem unser Kram nicht gefällt, dann ist das sein oder ihr gutes Recht. Wenn uns jemand als Jazz-Musiker bezeichnet, ist das zwar schon eher dilettantisch, aber wie schon erklärt, ein Kompliment für uns. Im Zusammenhang mit den weniger kompetenten Reviews – positiven wie negativen – lässt sich sagen, dass wir uns immerhin schon mehrmals vorzüglich über gewisse Formulierungen amüsiert haben!“

Unter den vielen Reviews waren, was die Fachkompetenz der Autorenschaft und den Gehalt an konstruktiver Kritik betrifft, jedoch auch einige sehr wertvolle Rezensionen zu verzeichnen, so Arlette.

Das Grundsätzliche zu „The Mascot“ ist rasch erzählt. „Wir haben dafür unsere, zum damaligen Zeitpunkt, neuesten acht Songs aufgenommen. Dies hört sich reichlich einfach an, doch wir stießen bei der Aufgabenbewältigung auf einige Schwierigkeiten. Da die Gitarrenaufnahmen in unserem alten Proberaum stattfanden, wo wir einige lärmende Nachbarn hatten, musste unser Gitarrist Zappi nach den Aufnahmen erstmal die Störgeräusche aus den Spuren rausfiltern. Im Speziellen handelte es sich bei diesen "Geräuschen" um die "Jenny from the Block"-Darbietungen unserer damaligen (durchaus talentierten) Freestyle-Rap-Proberaumnachbarn.“

Die Anmerkung, wie man mit solch schrecklichen Zappel-Sounds im Nebenzimmer überhaupt musizieren kann, lasse ich offen. Denn die Antwort liegt bereits in der Frage. Um einen optimalen Sound für ihre CD zu haben, nahmen Knowhere die Vocals und die Akustikklampfen in Zappis Badezimmer auf. Amüsant:

„Es war der einzige Raum, der sich perfekt dämpfen ließ und somit für die Aufnahmen am Samstagnachmittag zweckentfremdet wurde. Uns ist aufgefallen, dass wenn sich jemand einen Nachmittag lang die Seele aus dem Leib brüllt, niemand zu Hilfe eilt. Die Nachbarn haben Kovs Schreie ignoriert.“

Wie beschämend; die saßen höchstwahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt wie immer vollkommen elektrisiert vor der samstagnachmittäglichen Fernseh-Verblödung mit Bierflaschen in den Händen oder blätterten hektisch in Gratis-Erotikkatalogen.

Insgesamt sind Knowhere auf jeden Fall mit „The Mascot“ zufrieden; die Scheibe transportiert laut Bekunden der Bassistin mehr Atmosphäre, als sich die Band anfänglich überhaupt erhofft hatte. Wir erfahren:

„Natürlich gibt es in einigen Belangen noch Verbesserungspotenzial, welches wir uns aber mit gutem Gewissen für die nächste Scheibe aufsparen können Eins ist auf jeden Fall schon klar: Das nächste Mal nehmen wir die Drums ungedämpft auf. Unser Kov hat sich inzwischen auf die Stimmung der Dinger spezialisiert. Man merkt, dass die einzelnen Songs genug Zeit und Sorgfalt erfahren haben, um reifen zu können. Es ist uns gelungen, die Scheibe so einzuspielen und zu produzieren, dass sie sehr natürlich und lebendig sowie gleichzeitig dreckig und doch transparent genug klingt.“

Es ging dem Quartett primär darum, Musik zu erschaffen, die sie selbst mögen und die auch nicht so schnell langweilig wird. Arlette hierzu:

„Hierbei konnten wir frei schalten und walten, da wir ja keine vorgegebenen Auflagen erfüllen mussten. Wir alle lassen uns gerne von genrefremden Musikrichtungen und mitunter unkonventionellen Ansätzen inspirieren. Das Ziel war sicherlich, dass es trotzdem nach Knowhere klingt. Die Songs für das aktuelle Werk entstanden zwischen 1997 und 2001. Diese Urversionen wurden allerdings während den Aufnahmen noch überarbeitet, ergänzt und verfeinert. Den kompositorischen Löwenanteil trugen Zappi, ich und Kov bei. Fuhli ist in der Hinsicht auf der Scheibe nur mit einigen Leads, Soli und diversen kleineren Modifikationen vertreten, da er erst Ende 2000 bei uns eingestiegen ist. Mittlerweile sieht es anders aus.“

Musikalische Einflüsse kamen so einige zur Geltung. „Alles, was wir uns so anhören. Die Einflüsse reichen von klassischer Musik über Rock bis Grindcore, Kov hortet sogar Destiny's Child-Songs. Wir hören gern über den Tellerrand hinaus.“

Was lyrische Einflüsse anbelangt, so kommen bei Knowhere inhaltlich, außer beim Song "Snowball", Kovs Beobachtungen aus dem Alltag zur Geltung. „Stilistisch verwendet er gerne einen an Eminem angelegten Zynismus. In die Lyrics hinein schaffen es meistens nur die negativen Sachen, die er dann dort auch ziemlich sarkastisch behandelt. Die Lyrics zu "Snowball" basieren auf Eindrücken einer Bergtour, werden jedoch von dunklen Gedanken besiedelt statt von Heidi und rot besockten Wanderern. Der Titel des aktuellen Albums ist der Titel eines Songs, der sich als Albumtitel gut gemacht hat. Er ist prägnant und klischeefrei.“

Einige Rezensenten haben das Front-Cover von „The Mascot“ eher als leuchtendes Warnschild empfunden, wie die gute Arlette resümiert.

„Das Albumcover wurde von unserem Kumpel JSP gemalt. Seit er 13 Jahre alt war, war es sein größter Wunsch, einmal für eine Black Metal-Band ein Cover malen zu dürfen. Zehn Jahre später hat er für uns die Staffelei gezückt und wir waren gleich alle vom Resultat überzeugt. Die meisten Bilder im Booklet stammen ebenfalls von ihm, einige hat sich auch noch unser Grafiktalent Fuhli zu nächtlicher Stunde aus den Fingern gesaugt. Vor allem die grafische Kombination der Bilder und der kalligraphischen Lyrics war eine langwierige Sache für mich, da ich bei meinen Schreibeskapaden noch immer mit Stift und unliniertem Papier zu Werke gehe. Nachdem das Cover-Design dann nach sechs Monaten Arbeit endlich fertig war, merkten wir in letzter Sekunde vor der Abgabe ans Presswerk, dass die Songreihenfolge auf dem Backcover falsch war. Fuhli hat aber auch diesen Anruf zu später Stunde und die darauf folgende Nachtschicht überstanden.“

Schlagwerker und Shouter Kov hört sich nur Black Metal-Scheiben an, die genügend kaputte Musik enthalten um wenigstens ansatzweise an „A Blaze In The Northern Sky“ von Darkthrone ranzukommen und dabei keinen billigen Abklatsch darstellen.

„Da bleibt dann neben den Klassikern nicht mehr viel außer dem Craft-Zeug übrig. Die sonstigen Sounds, die wir favorisieren, sind technischer und progressiver Death Metal, innovative extreme Metal/HC/Jazz-Sachen, 80er-Thrash Metal – vor allem das Bay Area-Zeug, Black Sabbath, Iron Maiden, Techno/Technotrance der Jahre 1988 bis 1994, Trip Hop, Jazz, Bohren und der Club Of Gore, Destiny's Child. Ich, Zappi und Fuhli haben sehr ähnliche musikalische Neigungen wie Kov. Bei den Black Metal-Bands sind sicher Darkthrone, Satyricon, Ulver, Enslaved, Emperor, Immortal, Mayhem, Dissection und Dark Funeral zu nennen. Ansonsten sind wir der klassischen Musik nicht abgeneigt, solange sie authentisch ist und nicht von Nichtskönnern wie André Rieu oder Andrea Bocelli verschandelt wird. Fuhli mag zudem Alternative-Retro-Zeugs. Alte 80er Pop-, Blues- oder Rock-Klassiker haben in unseren Musiksammlungen ebenfalls einen festen Platz. Zappi lauscht zudem auch gerne den Klängen alter analoger Synthesizer à la Jean-Michel Jarre und ich habe zusätzlich ein gewisses Faible für die Musik von Windir und Wikinger-Thematiken.“

Knowhere spielen live zunehmend besser aufeinander eingespielt und auch rhythmisch kompakter, freut sich die Tieftöner-Lady.

„Zudem funktionieren unsere Tracks wirklich alle in einer Live-Umsetzung, wir sind nicht auf Samples vom Band oder ähnlichen Schickschnack angewiesen. Eine weitere Stärke von uns ist, dass Kov keine Trigger verwendet und wir so einen authentischen Drumsound bieten. Ungewöhnlich ist sicherlich, dass wir keinen Frontmann besitzen, da ja unser Drummer die Vokills liefert. Auch, dass die Frau in der Band weder Keyboards spielt noch singt sondern Bass spielt, ist sicher nicht alltäglich. Unsere Besetzung sorgt daher schon mal für erstaunte Blicke im Publikum. Ansonsten gilt: Wir hauen unser Zeug dynamisch, natürlich und ehrlich raus. Sprich, in der Regel keine Intros vor dem ersten Song, sondern einzählen und ab die Post, keine speziellen Bühnenoutfits, keine speziellen Lichtshows, keine Dekoration und auch sonst keine Sachen, die von der Musik ablenken. Wir lassen lediglich die Musik und ihre Intensität für sich sprechen. Bei uns werden jedenfalls keine ausgelutschten Klischees bedient.“

© Markus Eck, 25.08.2005

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