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Interview: KILL THE THRILL
Titel: Kraftvolle Düsterschübe

Nicht erst seit gestern sind diese Franzosen dabei. 1989 gründeten sie ihre Industrial Rock-Band, und noch bevor 1993 das erste Album aufgenommen wurde, spielten Kill The Thrill bereits im Vorprogramm von Acts wie Killing Joke, Zeni Geva, Big Chief, Young Gods, Einstürzende Neubauten, La Muerte, Neurosis, Jim Rose Circus, Grötus, Treponem Pal und Coroner.

Mit den Jahren der Existenz stieg auch der Schwermetallanteil in den düsterkalten und beklemmend desolat klingenden Kompositionen deutlich an. Gerade hat das neue und vierte Studioalbum „Tellurique“ das Presswerk verlassen, während das Marseiller Pessimistentrio um Tieftönerin Marylin Tognolli mit Dillinger Escape Plan, Isis und Jesu auf Tour durch Frankreich, England und Belgien ist.

„Unser Sound ist ständigen Erweiterungen und Entwicklungen unterworfen, das war schon seit Bandbeginn der Fall. Davon ist natürlich auch die Art der Programmierung des Drum-Computers betroffen. Wir verwendeten ja bekanntermaßen immer schon digitale Trommelsklaven, aber in dem Bereich sind wir mit den Jahren natürlich um einiges fitter geworden – wovon man sich mittels des aktuellen Albums ausreichend überzeugen kann“, weiß Marylin eingangs mit merklichem, aber liebenswertem französischem Akzent zu berichten.

Die im Gespräch auffallend freundlich Bassistin fährt fort: „Viele Hörer und Kritiker stempeln unsere Musik immer wieder lediglich mit zwei beschreibenden Faktoren ab: Kalt und dunkel. Doch wir haben eigentlich sehr viel mehr zu bieten, wenn man nur erstmal genauer hinhört. Im Grunde genommen sind wir drei überaus fröhliche Menschen mit einem großen geistigen Aufnahmespektrum. Alles, was wir hören und sehen und was uns darüber hinaus zum Nachdenken anregt, werfen wir in unsere Songs. Klar legen wir primär sehr großen Wert darauf, dass die Kill The Thrill-Tracks allesamt so kraftvoll und düster als möglich werden, erfüllt von kalten Atmosphären. Doch sie sind auch gespickt von diversen musikalischen Feinheiten ganz anderer Natur.“

Eine bestimmte Message an ihre Anhänger haben die drei Franzosen wieder nicht in die Texte von „Tellurique“ verbaut, wie mir meine Gesprächspartnerin in aller Deutlichkeit zu verstehen gibt.

„Wir beschreiben mit unseren Liedern ehrlich gesagt lediglich unsere mannigfaltigen mentalen Zustände, welche zumeist aber eben dunkler Anmut sind. Uns interessiert es auch nicht besonders, was die Konsumenten über unsere Songs und ihre Inhalte denken. Wir haben die spezielle Erfahrung gemacht, dass sich die Leute sowieso genau das herausfiltern, wonach ihnen der Sinn steht.“

Kill The Thrill-Gitarrist und Hauptsänger Nicolas Dick zeichnet erneut für sämtliche Songtexte auf „Tellurique“ verantwortlich, wie von Marylin in Erfahrung zu bringen ist. „Nicolas liebte es schon seit jeher, als Sänger ziemlich diffuse und pessimistische Geschichten in Form der dritten Person vorzutragen. Man könnte seine Textzeilen auch als eine Art verstörte Poesie bezeichnen.“

Was die neuen Songs auf dem aktuellen Silberdeckel selbst angeht, so sieht Marylin ihren absoluten persönlichen Favoriten im Stück „An Indefinite Direction“.

„Aus meiner Sicht ein perfekter Mix aus Kunst und Musik. Obwohl die Lyrik dieses Liedes sehr direkt interpretierbar geworden ist, lässt der Text für den Hörer am Ende doch noch ein Türchen auf, das in eine ganz andere Bedeutungsrichtung führt. Sehr spannend, wie ich finde.“

Als wir zum aktuellen Albumcover übergehen, freut sich die Französin zu berichten:

„Das Foto hat Nicolas gemacht, während wir auf den Straßen zu irgendeinem Tour-Date unterwegs waren. Wir machten überhaupt eine ganze Menge Fotos, aus denen wir dann genau dieses ausgewählt haben. Uns gefällt das Bild, es passt perfekt zu unserer Musik. Die flache und triste Landschaft sieht sehr desolat aus, die einzeln dastehenden Windräder zaubern eine überaus unheimliche Atmosphäre dazu. Wir stellten uns das monoton zischende Luftgeräusch ihrer wirbelnden Rotoren vor, was uns sehr gut auf das Bild eingestimmt hat.“

„Tellurique“, der französische Titel der neuen Scheibe, steht laut Marylin vereint für die diversen gewaltigen Kräfte des Planeten Erde: Anziehungskraft, Rotationskraft und so weiter.

Da sich der konfuse Industrial-Sound von Kill The Thrill alles andere als gewöhnlich anhört, kommt die Bassistin nicht umhin, jüngste musikalische Einflüsse zu nennen. Marylin:

„Wir hörten in der jüngeren Vergangenheit sehr viel von Godflesh, Foetus, New Order und Joy Division. Verschiedene Songs von Fugazi ziehe ich mir auch ganz gerne rein. Zwei ganz große und für die Szene immens bedeutende Bands, die uns daneben schon immer ganz besonders beeindruckt haben, sind natürlich Killing Joke und Einstürzende Neubauten.“

Auf etwaige sonstige Inspirationen von Metal-Truppen nachfolgend von mir angesprochen, schießt der dunkelhaarigen Bassistin schlagartig Bathory in den Schädel. Und sie gibt lachend zu:

„Gerade an den alten Alben von Meister Quorthon kann ich mich schier nicht satt hören. Ich liebe seine Songs, seit ich überhaupt Musik höre. In den Kreisen, in denen ich verkehre, kennt jedoch fast niemand diesen Bandnamen. Darüber hinaus bin ich auch großer ein Fan von Prong und Neurosis, welche ebenfalls einige für mich sehr relevante Kompositionen kreierten. Auch Nicolas sowie unser zweiter Gitarrist und Sänger Fred De Benedetti stehen total auf Neurosis. Das hört man auch in unseren neuen Stücken wieder deutlich heraus, wie ich finde.“

© Markus Eck, 02.05.2005

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