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Interview: JESTER'S FUNERAL
Titel: Vertrauen in die innere Stimme

Ihr aktuelles Album „Shifting:Skywards“ hat mich überaus positiv überrascht. Modernen Schwermetallklängen eigentlich eher skeptisch gegenüberstehend, wurden meine in erster Linie auf kompositorische Qualität fixierten Ohren hier jedoch in erfreulichster Weise stimuliert.

Jester´s Funeral, aus dem Südwesten Deutschlands stammend, weisen mit ihrem eingängig markanten New Power Metal-Sound eine außerordentlich belebende Schnittmenge aus 1991er Metallica, 1996er Blind Guardian und einer dezenten Prise des Sounds von Nevermore auf.

Druckvolle Härte, tolle Melodik, energisch vorpreschende Speed-Passagen und ein zweifellos vorhandenes Songwriting-Bewusstsein für die notwendige klangliche Ästhetik können stellenweise gar begeistern.

Das musikalisch sehr selbstbewusst wirkende Quintett legt mit „Shifting:Skywards“ nach den beiden Vorgängerscheiben „Labyrinth“ und „Quick:Silver:Light“ seinen dritten Langspieler vor.

Der ausdrucksstarke Gesang von Sänger und Saitenheld Stefan Schmidt verleiht den aktuellen Stücken einen überaus wertvollen Vokalzusatz.

Schmidt erweist sich mitunter gar als lupenreiner Hetfield-Klon, was den Metallica-Vergleich zusätzlich zu festigen imstande ist.

„Tja, wie steht es um unser Stimmungsbarometer? Ich glaube wir sind in erster Linie total glücklich, dass unser neues Album nun doch das Licht der Welt erblicken durfte – es liegt zwischen den Aufnahmen und der Veröffentlichung immerhin ein düsterer Zeitraum von fast 18 Monaten. Da ist es schön, Licht am Ende des Tunnels zu sehen! Jetzt hoffen wir auf die entsprechende Live-Präsenz und freuen uns über jeden Gig, den wir kriegen können“, nimmt Drummer Basti eingangs Bezug zur von mir angefragten, derzeitigen Stimmung in seiner Band.

Ich lasse den ausdrucksstarken Trommelspieler anschließend erstmal für mich in seine musikalische Vergangenheit blicken:

„Als ich vier Jahre alt war, entschloss sich mein Vater samt unserer Familie nach Afrika zu ziehen, um dort als Entwicklungshelfer tätig zu sein. Und während er dort seine Medizin praktizierte lernte ich meine Faszination fürs Trommeln kennen. Wir wohnten damals in Burkina Faso – ein Land das die afrikanische Trommelkultur sehr verinnerlicht hat und wo man an jeder Ecke mit Trommeln konfrontiert wird. Wir haben im tiefsten Busch gelebt und dadurch an ziemlich vielen traditionellen Festen und Feiern teilnehmen können. Die ganzen Masken, die tranceartigen Tänze um die riesigen Feuer und natürlich die impulsive Trommelei haben mich doch ziemlich geprägt. Als wir wieder nach Deutschland heimkehrten habe ich sofort Schlagzeug zu spielen begonnen und wurde erst einmal mit einer ganz anderen Art des Trommelns konfrontiert. Mittlerweile war ich diverse Male in Burkina und auch in Gambia, um dort Djembe-Unterricht zu erhalten. Dennoch glaube ich gerade bei einem so stark rhythmisch orientierten Instrument, dass es für die musikalische Ausgeglichenheit von Vorteil ist auch ein melodisches Instrument zu erlernen. Damals hat mich meine Mutter mit großer Überzeugungsarbeit zum Klavierunterricht geschleppt, heute bin ich ihr dafür dankbar. Ich habe ein sehr viel besseres Musikverständnis entwickeln können und dadurch auch viel besser die Rolle des Trommlers zum Beispiel in einer Band einordnen können. Ich habe schon oft die abgefahrensten Drummer auf irgendwelchen Bühnen gesehen, die zwar ein atemberaubendes Drumming performt hatten, doch den eigentlichen Song leider komplett damit zerstört haben. Ich erinnere mich gut an die Anfänge unserer Band, wo ich mir (typischerweise von den so genannten Gitaristen) genau diesen Fakt als Vorwurf gefallen lassen musste. Aber mit Recht, wobei das Geheimnis darin liegt, dass man sich gar nicht völlig zu kastrieren braucht um dennoch den Song oder die eigene Band zu featuren. Aber das ist ein langer Prozess und erfordert ein ganz anderes Trommelgefühl, als zum Beispiel der afrikanische Rhythmus.“

Ein interessanter Exkurs in die Geheimnisse seines Drummings, den Basti da schildert.

Blicken wir aber doch ruhig noch etwas zurück. Mich interessiert die Akzeptanz in der Szene beziehungsweise der Erfolg der Vorgängeralben von Jester´s Funeral. Er erinnert sich:

„Die Scheiben liefen eigentlich ganz gut, mitunter jedoch mit einigen Hindernissen zu ihren geneigten Hörern. Da kommt es sicherlich ein wenig auf die Perspektive an: Aus unserer Sicht war es eigentlich ganz toll plötzlich das erste und bald darauf schon das zweite eigene Album in den Händen zu halten. Das fühlte sich schon richtig gut an. Schwer wurde es nur als es darum ging dieses Gefühl mit anderen teilen zu wollen, womit wir auch gleich bei der eher wirtschaftlichen Perspektive wären: Es war ziemlich schwer unsere Platten zu bekommen. Unser damaliger Vertrieb begünstigte das überraschend professionell durch nicht nachvollziehbare Verkaufsstrategien, was zeitweise wirklich ärgerlich war. Von daher `liefen` unsere Platten kommerziell gesehen bestimmt nicht übermäßig erfolgreich. Aber ich glaube Verkaufszahlen sollten wirklich der letzte Grund sein, um Musik zu machen – vor allem im Metal-Business. Mit `Alive!` konnten wir zwar für die Veröffentlichung von `Shifting:Skywards` einen echt kompetenten Vertrieb finden und hoffen, dass zumindest jeder der die Platte möchte sie auch bekommen kann – doch zählt nach wie vor nur die Musik, die man in sich trägt und die umgesetzt werden möchte! Der erste Gedanke eine Band zu gründen resultiert ja auch nicht aus irregeleiteten Verkaufsvorstellungen nicht existenter Platten, sondern aus einem coolen Riff, welches sich – umgesetzt mit ein paar andern Verrückten – verdammt gut anfühlt. Die Kritiken waren eigentlich alle sehr positiv, was uns wirklich total gefreut hat, und auch der Zuspruch vieler Hörer hat uns motiviert. Von daher kann man sagen, dass wir mit den Vorgängeralben sehr zufrieden sein können. Wichtig war uns, eine stetige Weiterentwicklung zwischen den Alben hören zu können. Doch das sind eher die persönlichen Aspekte eines Musikers an sich selbst. Schön ist es allerdings, wenn das auch andere wahrnehmen und es einem mitteilen.“

Gegründet wurde Jester´s Funeral 1996 von Sänger Stefan Schmidt, Gitarrist Heiko Höhn und Bassist Holger Wies. Basti blickt noch einmal zurück:

„Der Stefan fungierte damals als Initiator und ist somit praktisch für alles verantwortlich zu machen. Er hatte vorher schon diverse Bands gehabt, die sich wohl aber alle im Sande verliefen. Daraufhin hat er dann kurzerhand (wohl etwas gefrustet) ein eigenes Demotape produziert und dadurch wieder Energie für eine neue Band tanken können. Kurz darauf hat er mich dann auf dem Schulhof angesprochen (wir waren damals 16 und sind irgendwie noch in die 10. Klasse gegangen) und fragte mich was ich denn so für Bands höre. Da ich wusste, dass er damals tierisch auf Maiden und Europe (àheute mehr denn je) und so große 80er-Acts stand, wollte ich natürlich trumpfen und ihm genau diese Namen nennen. Ich muss entweder ziemlich aufgeregt gewesen sein, oder wollte unterbewusst unter gar keinen Umständen in diese Band – zumindest vergas ich sämtliche Bandnamen und stammelte nur irgendwas von `Such A Surge und so` und konfrontierte ihn erst einmal mit artfremder Kultur. Glücklicherweise gab er mir dann doch noch sein Demotape und verdeutlichte mir zum Abschied kurz noch seine Leidenschaft für Mike Portnoys Drumfills. Na super. Das würde ja einfach, dachte ich mir. Aber es sollte funktionieren und seitdem bin ich nicht nur dabei, sondern lebe mit Stefan gar in einer wunderbaren musikalischen Symbiose. Wir ergänzen uns auf unsere Weise. Als immer deutlicher wurde, dass wir die Keys unserer Aufnahmen auch live gerne umsetzen würden, holten wir uns mit dem Nic nicht nur einen Hobby-Astronomen, sondern auch einen ganz fantastischen Menschen in die Band. Nach der `Quick:Silver:Light` bekam der Holger familiären Zuwachs und wurde durch den Bassisten Marten ersetzt. Heiko wollte sich grundsätzlich musikalisch in anderen Gefilden umschauen – für ihn kam dann der Gerrit.“

Der Proberaum der Band befindet sich laut Basti in Bingen am Rhein. Und von dort kommen eigentlich auch alle Mitglieder größtenteils her.

„Bingen liegt bei Mainz und Wiesbaden, sowie auf der gegenüberliegenden Rheinseite von Rüdesheim – ein beliebtes Touristennest, das man vielleicht eher kennt. Unser Tastenmann Nic allerdings wohnt in Aachen. Er studiert dort Geographie und auf der A 61 (sein zweites Zuhause) den Sinn seines Musikerdaseins, doch seine Motivation würde auch zwei Bands am Leben erhalten. Bandtechnisch sieht es hier allerdings bis auf (cp) rono, die ihr neues Album im Frühsommer veröffentlichen werden, eher mau aus. Hier ist dermaßen wenig los, dass man schon wieder in Richtung Köln schielen muss, wo sich ja wiederum eine gesamte Szene befindet, die mit den Bands Wolfen und Louis Cypher auch gute Freunde von uns beherbergt. Falls sich übrigens jemand fragen sollte wie sich eine Band, die 18 Monate auf die Veröffentlichung ihres Albums wartet, so ihre überschüssige Zeit vertreibt: Proberaum bauen! Wir haben diesen in einem alten Holzlager über den Dächern von Bingen bauen können und dabei immens viel Spaß gehabt. Ich würde sogar behaupten, dass wir zeitweise dem Zimmermannshandwerk weitaus kompetenter gegenüberstanden, als dem musikalischen. Hätte man uns also zu der Zeit engagiert, wären wir vermutlich mit Spacksen und Dämmmaterial vorgefahren und hätten auf der Bühne einen Proberaum designt. Aber das hat sich dann ja glücklicherweise mit Fertigstellung des Raumes geändert und nach zwei drei Proben erkannten wir auch wieder die von uns gespielten Lieder.“

Der handwerklich also auch begabte Drummer entdeckte seine Passion für den Metal erstmals, als er 12 oder 13 Jahre alt war, wie Basti nachfolgend erzählt.

„Ich hab bei einem Freund die `Live After Death` von Iron Maiden gehört und war wie gefesselt. Wir müssen Stunden zugebracht haben diese Platte zu hören. Zumindest galt meine komplette Aufmerksamkeit Nicko McBrain. Ich könnte jetzt wirklich nur wenige Musiker und vor allem Drummer nennen, die mich irgendwie geprägt hätten, oder so. Aber ich glaube anhand des Drummings von Nicko McBrain auf diesem Live-Album habe ich auch mental gelernt zu trommeln. Es war für mich in diesem Moment so unvorstellbar was der Kerl da eigentlich fabriziert, ich wollte es aber unbedingt verstehen. Da sich mein Gehör aber sehr viel schneller die Sachen verinnerlicht hatte, als mein Verstand es begriff, hab ich seine Art zu trommeln nur nach und nach auch verstehen können, bis ich irgendwann jedem erzeugten Ton auch eine Bewegung zuordnen konnte. Das war sehr spannend, aber auch oft echt frustrierend. Aber das ist dieses Trommel-Feeling. Rhythmus hängt unmittelbar mit der Körperbewegung zusammen. Vielmehr muss sich die Bewegung im jeweiligen Moment des Trommelns gut anfühlen, als dass man jetzt weiß auf welchem Klangerzeuger sie jetzt endet. Sich Nico McBrain’s Spiel vorzustellen hat also einen großen Teil meines Trommel-Fundaments gebildet, ohne unmittelbar zu trommeln. Spätestens jetzt machen sich bestimmt nur noch die Drummer unter den Lesern die Mühe weiter zu lesen! Es ist heute echt ein schönes Gefühl diese Platte zu hören und sich dabei immer noch in dieses Staunen von damals hineinversetzen zu können. Die Live-Atmosphäre trug ihr übriges dazu bei. Allerdings weiß ich nicht, ob ich dadurch meine `Passion für den Metal` entdeckt habe. Ich war einfach total fasziniert von diesem Gesamtwerk. Allein das Booklet, für das wahrscheinlich eigens ein Mensch angestellt wurde um sämtliche Verschleißteile der Tour zu zählen, habe ich verschlungen. Fand ich das geil zu lesen wie viele Tetrapacks Milch, wie viele Sticks, wie viele Saiten und was weiß ich was alles auf dieser Tour verbraucht wurden und ich mir diese Mengen dankbar vorstellen durfte. Im Hintergrund die tobende Live-Atmosphäre und vor einem die lange Liste der Städte in der Maiden überall aufgetreten sind – ich meine, dieses Album ist ja geradezu prädestiniert, dass man sofort erfolgreicher Rockstar werden möchte. Musikalisch war für mich wahrscheinlich auch unheimlich wichtig, dass mir die Harmonien als solche ganz gut gefielen. Die sind bei Maiden jetzt zwar nicht so furchtbar komplex, doch eben sehr eingängig. Wenn ich mir vorstelle, dass man mich damals mit so manchem Kram, den ich heute so höre, konfrontiert hätte, dann wüsste ich nicht ob ich denselben Weg musikalischen gegangen wäre. Aber dafür, dass ich Maiden heute eigentlich gar nicht mehr höre (aber nicht weil sie mir nicht mehr gefielen) haben sie mich schon recht intensiv geprägt.“ Meine anschließend gestellte Frage nach der Eigentitulierung der Stilistik seiner Band gefiel dem Schlagzeuger: „Es ist schon mal schön, dass Du das `musikalische Schöpfung` nennst, weil es in der Form noch wirklich keinen Stempel trägt. Ich persönlich tue mich ehrlich gesagt sehr schwer dem ganzen einen Namen geben zu müssen. Ich will mich jetzt nicht der müßigen Debatte des Schubladendenkens widmen, weil ich glaube, dass Musik mehr ist. Es ist doch eigentlich ganz egal was man hört – Musik hat dann ihr Ziel erreicht, wenn sie Dich bewegt.“

Hierzu pflichte ich ihm bei, Basti hat mir mit diesem Statement aus der Seele gesprochen. Nun spricht er aber weiter:

„Wenn sie Dich erreicht und Deine Stimmung in konzentrierter Form widerspiegelt. Wieso sollte man aber etwas verbal in allgemeingültige Grenzen verweisen, was bei dem einen dies und dem anderen das auslöst? Vielleicht sollte Musik mehr nach den Stimmungslagen oder Gefühlsebenen benannt werden, in denen sie am besten gehört werden kann? Also nicht etwa `Klassik`, oder `Country`, oder `Death Metal`, sondern – was weiß ich – `zauberhaft`, oder `anstrengend-abführend`, oder `mächtig`. Testament können gleichermaßen zauberhaft, wie auch mächtig sein. Ich glaube unsere Musik wird verstärkt dem modernen Power Metal zugeschrieben. Das ist für die Leute voll okay, die diese Musik unter diesem Begriff kennen und schätzen gelernt haben. Nur befindet sich auf `Shifting:Skywards` als letzter Song `Tomorrow`, eine Klavierballade, die grundsätzlich wohl keiner als Power Metal-Song bezeichnen würde, die aber gleichermaßen zu der Atmosphäre des Albums beiträgt, wie beispielsweise `Nevertheless`. Ist `Shifting:Skywards` jetzt deshalb nur eine halbe Power Metal-Scheibe oder ein romantisches Klavieralbum, mit der Zensur: `Thema verfehlt`? Vielleicht ist es ja aber auch einfach ein abwechslungsreiches Album, das mal zu dieser und mal zu jener Stimmung passt. Wir werden oft vor den Vergleich mit Metallica und Blind Guardian gestellt. Hey, das ist toll – als mich der Stefan fragte mit ihm in einer Band zu spielen, da habe ich deren Musik gehört. Wenn sich unsere Hörer daran erinnert fühlen, dann freut mich das. Mittlerweile hört man auch Stimmen, die Vergleiche mit Nevermore, oder Angel Dust vollziehen. Ich finde das immer recht spannend wenn Außenstehende versuchen Deiner Musik einen Rahmen zu geben, da hier ja ein dem Komponisten gegensätzlicher Prozess stattfindet: Während bei mir zuerst das Gefühl existiert und ich daraufhin einen Song komponiere, existiert beim Hörer ja erst der Song, der dann daraufhin, oder im besten Fall während des Hörens ein Gefühl dazu entwickelt. Da das Gefühl natürlich keinesfalls dasselbe sein muss, (mal ganz abgesehen vom persönlichen Geschmack), finde ich es allerdings auch immer blöd wenn dann der Vorwurf entsteht, dass man wie dieser oder jener klingt. Ich setze mich ja nicht hin und nehme mir vor einen `Master Of Puppets`-Song zu komponieren – in der Hoffnung dass der Hörer ihn auch als solchen erkennt. Aber wenn sich irgendwelche Leute beim Hören unserer Musik an Metallica oder meinetwegen irgendeine Country-Mucke erinnert fühlen und es ihnen deshalb gefällt, dann ist das doch voll okay.“

Dann kommen ich und Basti auf die hauptsächlichen musikalischen Einflüsse bei Jester´s Funeral zu sprechen. Ich erfahre:

„Da ist es jetzt natürlich recht schwer für die ganze Band zu sprechen, da nur ich die Frage beantworte. Doch glaube ich behaupten zu können, dass wir alle schon ziemlich auf In Flames, Soilwork, Metallica und Nevermore abfahren. Der Marten und der Nic würde ich mal behaupten sind eher die Thrasher unter uns. Der Nic spielt selbst auch noch in einer etwas härteren Kapelle, nämlich Solicitude und kann dort seine ihm bei uns fehlende Härte ausleben. Der Gerrit ist eher der musikalische Gitarrenästhet, der stark von so Gitarren-Heros wie Steve Vai und anderen geprägt wurde und ist überhaupt musikalisch über jeden Zweifel erhaben. Der Stef ist zwar moderner Musik, also auch dem ganzen New Metal-Kram sehr aufgeschlossen (wie eigentlich alle), doch wurzelt sein musikalischer Input auch in so größeren Achtzigerkapellen, wie etwa Europe, Maiden und Manowar. Joey Tempest ist neben Hetfield wohl sein größtes Idol. Allerdings spätestens wenn er zum Spaß in der Probe die eierlose Sirene auspackt weisen wir ihn vorsichtig daraufhin, dass er unangefochten der wohl größte, lebende Manowar-Fan ist – zumindest in der Band, und das doch bitte in seiner musikalischen Interpretation unserer Songs berücksichtigen sollte. Ich persönlich höre mir dermaßen komplett verschiedene Sachen an, dass man sich vielleicht nicht mehr wundern muss, dass der ganze Wust an Eindrücken einfach nur durch harte Metal-Musik kompensiert werden kann. Ich steh total auf Tori Amos und Loreena McKennitt, habe mir letztens das Avril Lavigne-Album gekauft und entdecke gerade die grandiosen Fingerfertigkeiten von Franz Liszt und die harmonische Genialität eines Chopin. Die Eindrücke innerhalb der Band sind also recht verschieden, wenngleich wir letztens nach der Probe feststellen mussten, dass jeder Einzelne von uns eigentlich sehr selten in seiner Freizeit Metal hört. Aber das ist denke ich normal, dass man der Materie, mit der man sich intensiv auseinandersetzt, in seiner Freizeit etwas `den Rücken kehrt`. Gerade durch Abstand einer bestimmten Sache gegenüber geht man ihr oftmals viel tiefer auf den Grund.“

Ich stimme ihm zu seinem letzten Satz ebenso zu wie bei der Hingabe an Loreena McKennitt, die ich vollkommen teile.

Basti erinnert sich an sein erstes selbst gekauftes (Metal)-Album:

„Ich glaube, dass Guns N' Roses damals in die Zeit fiel, als ich begann mir eigene Platten zu kaufen – nur weiß ich jetzt nicht ob das von den hart gesottenen Metal-Fans als Metal-Album akzeptiert wird. Doch glaube ich wirklich, dass das damals die erste der beiden `Use Your Illusion`-Scheiben war. Aber man sollte vielleicht dazu sagen, dass ich erst recht spät mit dem Plattenkauf begann, keine Ahnung – entgegengesetzt anderer frühreifer Entwicklungsprozesse in meinem Leben, war ich diesbezüglich vielleicht etwas spätreif. oder so. Zumindest finde ich Guns N' Roses heute immer noch super und kann vielleicht somit mein Versäumnis verteidigen indem ich behaupte mir auch nur Platten in meinem Leben gekauft zu haben, die mir auch noch heute nach wie vor sehr gut gefallen. Mein allererstes Tape hingegen war `Elvis in Hawaii`. Das hatte mir meine Oma, auf die Frage ob ich Musik mag, damals geschenkt. Danke Oma!“

Alle drei Jester´s Funeral-Alben, „Labyrinth“, „Quick:Silver:Light“ und „Shifting:Skywards“, sind beim Label TTS-Media Musik veröffentlicht worden.

Der Kontakt mit diesem Bremer Label kam über das zweite Demo-Tape „Days Of Medieval“ zustande, das die Band damals an sämtliche Magazine schickte, wie sich Basti nun noch zurückbesinnt.

„Sönke Lau, der A&R von TTS, hat uns dann kontaktiert und uns 1997 zu ersten Gesprächen nach Bremen eingeladen. Im Sommer 1998 haben wir dann `Labyrinth` in dem labelinternen Studio aufgenommen. Sowohl die `Labyrinth`, als auch `Quick:Silver:Light` wurden damals noch unter Point Music veröffentlicht, ein Vertrieb, der durch abenteuerliche Verkaufsstrategien keine Erfolge, dafür aber mächtig viel Ärger garantiert. Von Point Music hat sich das Label dann auch getrennt und konnte mit ALIVE! einen superben Vertrieb für sich gewinnen. Deshalb hat sich unsere Veröffentlichung von `Shifting:Skywards` auch so in die Länge gezogen, da der Vertriebswechsel im Nachhinein doch mehr Aufwand kostete, als im ersten Moment angenommen. Mit der Veröffentlichung von `Shifting:Skywards` ist unser Plattenvertrag mit diesem Label allerdings ausgelaufen, d.h. dass wir uns jetzt nach neuen kompetenten Menschen umschauen, die nicht nur Gefallen an unserer Musik finden, sondern auch das Potential besitzen die Musik an die Hörerschaft zu bringen. Das scheint oftmals schwerer als man annehmen möchte.“

Ich empfinde die graphische Umsetzung des Bandlogos nach wie vor als nicht zufrieden stellend. Sicherlich Geschmackssache, aber mich interessiert Bastis Meinung dazu. Dieser konstatiert:

„Also ich muss sagen unser Logo gefällt mir mehr als der Name, den es verkörpert. Du hast natürlich Recht, dass das vor allem eine Frage des Geschmacks ist, doch unser Logo hat jetzt schon so einige Metamorphosen hinnehmen müssen und von all den bisherigen Varianten gefällt mir dieses Design wirklich am besten. Es ist schlicht, ohne dabei langweilig zu wirken. Es wirkt ein wenig geheimnisvoll, ohne dabei mit Effekten und Schnörkeleien übersättigt zu sein und es ist modern, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Aber wie gesagt – das muss jeder für sich entscheiden. In meinen Augen erfüllt es voll und ganz seine Funktion: Es verkörpert einen Bandnamen, der sich ohnehin schon schwer zu merken ist. Würde man hier versuchen noch besondere Aufmerksamkeiten durch überladene Designvorstellungen zu erzielen, käme das kommerziell gesehen schon den suizidähnlichen Geschäftsideen unseres alten Vertriebs gleich, da man sich ja nun wirklich nichts mehr von der Band behalten könnte. Aber wir sind gerne offen für jede Art von Designvorschlägen! Wenn ein Leser genau das Logo-Design entwerfen mag, das uns noch gefehlt hat, dann soll ihn nichts daran hindern diesen uns zu präsentieren – wir sind offen für alle Vorschläge!“

Der Bandname gefällt mir hingegen sehr, was meinen Gesprächspartner tatsächlich zu amüsieren scheint.

„Es ist lustig, dass Du das Design unseres Logos kritisiert, dir der Name aber gefällt – bei mir ist es nämlich genau umgekehrt: Der Name verfügt nicht wirklich über Hit-Potential. Er ist weder griffig, noch hip und gerade wenn man versucht sich einen Namen zu machen, haben wir beim ersten Mal, nämlich der Namengebung selbst, nicht wirklich weit gedacht. Sich mit unserer Musik einen Namen zu machen ist unser zweiter Versuch und gehen wir schon mit etwas anderen Aspekten an die Sache ran. Den Namen kann sich einfach kein Mensch merken. Und dann ist da noch dieses unangenehme Apostroph, das die Sache nicht wirklich vereinfacht. Aber wenn man ihn einmal kennt, wird man ihn sich hoffentlich gerne in Erinnerung behalten. Der Sinn, der hinter dem Namen steht gefällt mir hingegen sehr gut. Er bedeutet nicht, wie du vermutest, das Ende aller Lebenslust, sondern eher das Gegenteil: Der Name spiegelt das Begräbnis des Hofnarren, des Jesters wieder und symbolisiert damit den einerseits bestimmt schmerzhaften Abschied einer Figur, die durch seine dominante Persönlichkeit sicherlich eine gewisse Lücke hinterlässt, dessen trauriger Beigeschmack aber voll im Gegensatz zu der positiven Natur der zur verabschiedeten Person steht. Es darf sich nun ein jeder selbst fragen was er für sich aus dieser paradoxen Situation herausfiltern möchte: Den traurigen Verlust eines Menschen oder den wertvollen Gewinn, resultierend aus der Begegnung mit ihm und konservierbar in Form von Erinnerungen, die einem keiner nehmen kann und deren Inhalte man sich vielleicht auf ganz spezielle Weise verinnerlicht hat. Ich denke die positive Grundstimmung wird auch sehr gut in dem Refrain des gleichnamigen Songs von der `Labyrinth` wiedergegeben: `It’s a jester’s funeral – buried with a grin – blackness falls on him – it’s a jester’s funeral.` Indem wir uns von Dingen trennen, lernen wir sie schätzen. Indem wir die Trennung auch akzeptieren können wir vielleicht auch den Sinn ihrer Bedeutung begreifen. Aber das geht nur wenn wir unser Hauptaugenmerk auf das Verlorengegangene, und nicht auf die Tatsache, dass es verloren gegangen ist richten. Ich beginne zu predigen, das ist nicht gut. Aus der Sicht des Jesters allerdings bedeutet der Name, dass man ganz einfach glücklich Abschied nehmen sollte – in welcher Form auch immer. Wenn man sich sein Leben lang treu bleibt und seinen Weg geht, wird in einem auch niemals der Vorwurf aufkeimen, sein Leben nicht voll gelebt zu haben. Ich meine das jetzt nicht so pathetisch, als dass man als William Wallace Schottland von den Engländern befreien sollte, doch ist dieses Lebensprinzip auf viele kleine Situationen im Alltag anwendbar und gestaltet somit den roten Faden des jeweiligen Lebens. Du willst glücklich sterben? Dann lebe, und vertrau Deiner inneren Stimme!“

Vertraute man der damals auch bei der Bandgründung? „Wie schon erwähnt gab es in erster Linie keine konkrete Vorstellung von dem was man als Band erreichen möchte. Es war viel spannender endlich mit jemandem Musik zu machen, die jedem der Bandmitglieder gefällt und die zu funktionieren schien. Dieses zusammengehörige Bandgefühl ist ja allein schon recht euphorisierend: Jeder trägt auf unterschiedliche Weise seinen Teil dazu bei und kann den jeweilig perfektionistischen Anspruch an sich selbst ausleben, doch alle tun es für ein und dieselbe Sache: Nämlich der Band zu immer mehr Daseinsberechtigung für sich und der gesamten Welt zu verschaffen. Ich persönlich bin da eigentlich total verwöhnt: Jester’s Funeral ist meine allererste Band und gleichzeitig immer noch nach all der Zeit, in der man sich ja auch musikalisch weiterentwickelt, mein Hauptbetätigungsfeld. In der letzten Zeit haben zwar alle Bandmitglieder Nebenprojekte gestartet, die aber in meinen Augen auch ganz notwendig sind um in diesem gemeinschaftlichen Unternehmen die Frische zu erhalten und somit der sich oftmals einschleichenden Staknation oder Gewohntheit die Stirn zu bieten. Nic hat wie schon erwähnt Solicitude, Marten und Gerrit spielen bei Beyond Surface und Stefan und ich spielen seit Frühling letzten Jahres in einer Surfband (à la Pulp Fiction, Dick Dale, Slacktone) mit dem Namen The Razorblades, die allerdings nur Live-Aktivitäten nachgeht. Natürlich hat jedes Bandmitglied noch seine eigene musikalische Selbstverwirklichung, egal ob dass jetzt andere Musikrichtungen sind, oder ob es zum Beispiel nur ums Produzieren geht. Nur denke ich mir manchmal, dass bei all der Professionalität, die sich bzgl. bestimmter Dinge einfach einstellen sollte, man gerade das anfängliche Bandgefühl nicht vergessen darf. Es ist einfach schön vier weitere Menschen um sich zu haben, von denen man weiß, dass ein jeder sehr viel auf sich nimmt, um die Band trotz des manchmal anstrengenden Alltags noch zu verwirklichen. Ich kann gar nicht sagen wie beeindruckt ich oftmals vom Nic bin, der wöchentlich von Aachen nach Bingen und wieder zurück fährt – nur um einer weiteren Probe beizuwohnen. Das ist bemerkenswert und motiviert die anderen sich in selbem Maße den Arsch aufzureißen.“

Grundsätzlich steht die Band zu all ihren Veröffentlichungen, wie Basti weiter offenbart.

„Sie sind wichtige Bestandteile unserer musikalischen Vergangenheit und ohne deren Verwirklichung wären wir bestimmt nicht da wo wir heute sind. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mir meine Platten nach deren Produktion nur ganz selten anhöre – nicht etwa weil sie mir nicht mehr gefallen, sondern weil ich für mich gespürt habe, dass in so einem kreativen Prozess des Komponierens bis hin zur Plattenaufnahme unheimlich viele Verarbeitungsprozesse von einem selbst mit drin stecken. Zumindest konnte ich das für mich feststellen. Sobald die Platte dann veröffentlicht ist und man sie der Öffentlichkeit zugänglich macht (wenn es denn der Vertrieb so will) ist dieser Verarbeitungsprozess abgeschlossen. Künstlerisch gesehen finde ich `Labyrinth` sehr lustig und interessant, würde es mir heute aber nicht mehr kaufen, weil es einfach nicht mehr meine Musik ist. Wie gesagt – das heißt nicht, dass ich nicht mehr dazu stehe, doch entwickelt man sich weiter, und ich kann nicht behaupten, dass ich zur Zeit noch auf die Musik abfahre, die ich früher einmal gespielt habe. Ich höre sie mir ab und zu gern mal an, doch hält sich meine Begeisterung in Grenzen. Das wunderbar kontroverse Thema `Neue und Alte Metallica` kann ich für mich durch diese Erfahrung getrost abhaken. Ich finde es absolut berechtigt und auch ein Muss für jeden Künstler sich in jede nur erdenkliche Ecke weiter zu entwickeln, die ihm Spaß macht. Ob das nun gegen den Musikgeschmack einiger Fans geht, ist dabei völlig irrelevant. Nur weil ich ein Album herausbringe habe ich mich deshalb noch keinem Menschen verpflichtet. Doch denke ich dass wenn ernsthaftes Interesse in eine Band besteht, sich der Hörer nicht nur seine aktuellen Alben zu Gemüte führen wird, sondern auch den allgemeinen Weg der Musiker mitverfolgt. Den Prozess der Weiterentwicklung gehen ja beide: Band und Hörer. Von daher finde ich es seltsam, dass gerade die Hardcore-Fans aus allen Wolken fallen, wenn ein Künstler mal für seinen Geschmack etwas zu eigentümliche Wege geht. Nichtsdestotrotz verbinde ich mit `Labyrinth` eine Menge schöner Erinnerungen, wenngleich ich heute auf zwar nicht komplett verschiedenen, aber anderen musikalischen Pfaden wandele.“

„Shifting:Skywards“ soll laut Basti genau das vermitteln was der Name auch sagt: Dem Himmel entgegen. „Auch wenn das Cover zunächst vielleicht einen etwas düsteren Eindruck erweckt, war uns die positive Grundstimmung, die dieses Album vermittelt ganz wichtig. `Shifting:Skywards` besitzt keinen Titelsong als solchen, sondern besteht aus den Grundaussagen der einzelnen Songs, die somit durch die Summe ihrer Einzelaussagen den Albumtitel verdeutlichen. Der Song `Intensifire` kommt dieser Grundaussage allerdings schon sehr nahe: Nimm Dein Leben in die Hand und verwirkliche Dich selbst! Es kann im Leben keinen schlimmeren, an sich selbst gerichteten Vorwurf geben, als die Früchte der eigenen Fähigkeiten nicht genug geerntet zu haben, weil man sich aus irgendwelchen belanglosen Gründen, die mit der Gesellschaft oder was auch immer zu tun haben mögen, kastriert und verbogen hat. Genau das realisiert der Mensch, der in dem Song `Intensifire` eines Nachts aufwacht und begreift, dass es nicht darum geht seinen Selbstzweifeln zu erliegen, sondern seine innere Kraft zu bündeln und sich in der verbleibenden Zeit seines Lebens selbst zu verwirklichen. Das Gefühl, dass daraus resultiert beschreibt nun der Titel `Shifting:Skywards`: Ich persönlich kann mich wirklich nur dann gut fühlen, wenn ich ein Betätigungsfeld habe, in dem ich mich austoben kann. Stagnation empfinde ich als ganz schrecklich. Zwei Zeilen aus dem Refrain finde ich für das Unternehmen der Selbstverwirklichung als sehr wegweisend: `Every sun needs a lightening flame`: Hier wird die Initialzündung beschrieben, die ich eben erwähnte. Sie ist wichtig um Dein Leben als lebenswert zu gestalten, kann allerdings nur in Eigenregie entzündet werden. Nur Du allein bist für Dein Leben verantwortlich Ein weiterer wichtiger Bestandteil der mit der Selbstverwirklichung einher geht ist in folgender Zeile beschrieben: `Every sky needs a ground below`. Es ist eigentlich traurig sich vorzustellen wie viele Menschen mit unwahrscheinlich genialen Vision auf der Erde leben, die allerdings von keinem wahrgenommen werden, da sie nicht in der Lage sind sie zu verwirklichen. Und darin liegt etwas sehr Verhängnisvolles, da man auch nur dann einem Himmel entgegenstreben kann, wenn sich darunter ein Boden befindet, der dem Himmel seine Funktion verleiht. Es geht eben nicht nur darum unheimlich fantastische Dinge in sich zu tragen, sondern diese auch umzusetzen. In bildhafter Vorstellung könnte man sich vielleicht eine Rakete vorstellen, die in den Himmel abhebt. Es ist eine Startrampe nötig, die sich auf einem Fundament befinden muss. Dieses Fundament ist mit der Fähigkeit Dinge in die Tat umzusetzen vergleichbar. Die Rakete selbst entspricht der Idee, die man hat und die man verwirklichen möchte. Und nun sitzt Du darin und erfährst das einmalige Gefühl dem Himmel entgegen zu fliegen. Dieses Gefühl kann aber nur deshalb zustande kommen weil Du neben der genialen Idee, mit einer Idee in den Himmel zu fliegen, auch noch in der Lage warst Dir eine Startrampe zu bauen. Ich persönlich tendiere mehr zu der Idee, wie beispielsweise beim Komponieren. Die Zusammenarbeit mit unserem Sänger Stefan hat mir unheimlich geholfen Dinge zu realisieren. Er hat die einmalige Fähigkeit Idealen eine Gestalt zu verleihen.“

Über die Hoffnungen hinsichtlich des aktuellen Releases „Shifting:Skywards“ haben sich Jester´s Funeral noch gar nicht so recht Gedanken gemacht, wie ich anschließend noch in Erfahrung bringen kann. Basti:

„Was in unserer Prioritätenliste sicherlich ganz oben steht sind Live-Auftritte. Das ist unser absolutes Manko. Unsere Live-Erfahrungen stehen nicht im geringsten Verhältnis zu unseren Studio-Erfahrungen. Wir haben uns immer sehr auf die anstehende Platte konzentriert und dabei echt – so blöd das klingt – die Anstrengungen, die Musik auch mal live zu präsentieren, ein wenig vernachlässigt. Aber das gewährleistet garantiert geballte Konzerte – wir haben tierisch Druck auf die Bühne zu kommen! Wenn Deine Frage jetzt auch in Richtung Verkäufe zielt, dann kann ich Dir leider keine Antwort geben. Unser letzter Vertrieb hat die wenigen Platten, die er verheuern konnte eher geheim gehalten (wahrscheinlich war ihnen die Fähigkeit doch verkaufen zu können unangenehm) und somit haben wir nicht den Hauch einer Vorstellung ob wir gespannt sein dürfen oder nicht. Wie schon gesagt ist Alive! ein wirklich kompetenter Vertrieb, der es wenigstens ermöglicht all denen die `Shifting:Skywards` zu bieten, die sie auch tatsächlich haben wollen. Es wäre vielleicht einfach schön ein paar mehr Hörer zu gewinnen, die sich auch gerne über die Platte auf unserer Homepage auslassen dürfen. Ansonsten besteht unser aller Wunsch glaube ich einfach darin – wie schon erwähnt – vielleicht mal auf etwas größeren Festivals mitspielen zu können, oder mit irgendeiner coolen Band auf `ne kleine Tour zu gehen.“

Das gesamte visuelle Konzept des aktuellen Booklets haben Christian Weber, ein mit der Band befreundeter Designer, Frank Holländer – ein ebenfalls befreundeter Fotograf, und Shouter Stefan entworfen:

„Eigentlich wollten wir auf dem Front-Cover irgendetwas `Aufsteigendes`, oder `Empor fahrendes` darstellen und haben uns so über sämtliche alltägliche, dem Himmel entgegenstrebende Dinge den Kopf zerbrochen und endeten schließlich bei einer abstrakten Darstellung, bei der es doch eher um die Atmosphäre, die es zu vermitteln galt, ging. Den direkten Bezug erhält man vielleicht eher wenn man sich die Rückseite des Booklets zu Gemüte führt. Hier steht die Band in einem nach oben geöffneten Aufzug (jenem, der zu unserem Proberaum führt) und versucht klassischerweise in die 666. Etage zu gelangen. Überhaupt verfügt das Booklet über viele kleine Features, die die ganze Atmosphäre etwas auflockern und der Stimmung manchmal den etwas übermäßigen Ernst nehmen sollen. Grundsätzlich wollten wir uns mit dem Booklet wieder viel Mühe geben, da wir sehr positive Erfahrungen mit dem der `Quick:Silver:Light` machen konnten. Jeder Song wird grafisch seiner individuellen Aussage nach präsentiert, wobei diesmal auch alle Texte vorhanden sind. Es besteht insgesamt ein sehr großer Bezug zwischen der Visualisierung und den Texten. Ich kann verstehen wenn man das Konzept als zu überladen empfindet, doch als wir uns vor der grundsätzlichen Frage sahen was es zu transportieren gilt, war es uns schon auch wichtig ein Booklet zu kreieren, das man sich öfter anschauen kann um vielleicht immer mal wieder was neues zu entdecken. Ich finde es schon wichtig auch auf die Gestaltung des Booklets wert zu legen – es rundet die Musik ab und komplettiert den Gesamteindruck des Hörers, indem es ihn in seiner Vorstellungskraft bereichert. Es ist schade, dass hier den kleinen Bands oftmals das Geld knapp gehalten wird, da es wie ich glaube einer der entscheidenden Aspekte ist, ob man sich ein Album nun kauft, oder gleich aus dem Netz zieht. Aber das sei jedem selbst überlassen. Zumindest haben wir uns auch ordentlich Mühe mit dem Booklet gemacht und wollen somit die ohnehin schon perversen CD-Preisen etwas entschädigen.“ Löblich.

Wie schon erwähnt haben sich die Bemühungen der Band um Live-Aktivitäten nach der „Quick:Silver:Light“-Scheibe eher in eng gestellten Grenzen gehalten, sodass sie nach deren Veröffentlichung eigentlich recht schnell wieder mit dem Songwriting begannen:

„Es lässt sich allerdings schwer beurteilen wie lange wir nun wirklich gebraucht haben um die Platte – so wie sie jetzt zu hören ist – zu komponieren. Doch würde ich mal behaupten, dass wir so um die neun bis zehn Monate in der Probe aktiv neue Songs schrieben. `Shifting:Skywards` wurde ja schon im September 2001 aufgenommen. Ich weiß noch, dass ich gerade meinen zweiten Studiotag hatte, als in New York der Anschlag auf das World Trade Center geschah. Deshalb ist es nicht immer leicht eine Platte live zu präsentieren, die im Kopf schon so lange abgeschlossen ist da man mittlerweile wieder etliche neue Songs geschrieben hat.“

Grundsätzlich haben Basti und Stefan alle Songs von „Shifting:Skywards“ geschrieben, wie sich dann im weiteren Gesprächsverlauf auftut:

„Ich selbst habe schon wirklich eine Menge an kompositorischen Material dazugeliefert – aber ob das jetzt der Löwenanteil war, vermag ich nicht zu sagen, doch weiß ich noch, dass ich innerhalb der Komponierphase für `Shifting:Skywards` bis kurz vor Studiobeginn eine immense kreative Phase hatte und ich ernsthaft Angst hatte zu platzen. Der Stefan musste mich dann ein wenig zügeln und mich am Boden der Tatsachen festnageln, da wir vor hatten nur 10 Songs – die dafür aber sehr gut produziert sein sollten – auf die Platte zu bringen. Im Studio hab’ ich dann noch `Tomorrow` geschrieben und konnte alle anderen davon überzeugen, dass der Song einfach auf die Platte kommen muss. Nicht des Egos wegen, sondern weil ich wirklich erst in dem Moment mit der Komponierphase dieser Platte friedlich abschließen konnte. Stefan hat dann über Nacht einen Text zu `Tomorrow` geschrieben und es gleich am nächsten Tag eingesungen.“ In welcher Stimmung und unter welchen Einflüssen meistens komponiert wird, ist laut Bastian ganz unterschiedlich: „Zunächst entstehen die wenigsten Songs bei uns im Proberaum. Stefan, Marten, oder ich haben meistens irgendeine Idee, die dann in der folgenden Probe umgesetzt wird. Seitdem der Marten in der Band ist hat er sich auch am aktiven Songwriting beteiligt, was wir alle sehr begrüßt haben, da er absolut wertvolle Ideen beisteuert. Außerdem kommt er meiner Vorstellung vom Gitarre spielen schon sehr nah. Bei mir ist ja das Problem, dass ich sämtliche Teile, also auch Riffe, am Klavier schreibe und es nicht immer ganz einfach ist einem Gitaristen seine Ideen zu verdeutlichen – wobei man sagen muss, dass Stefan und ich da mittlerweile ein perfekt eingespieltes Team sind. Die Stimmung in der jeder einzelne komponiert ist natürlich nicht verallgemeinerbar. Ich persönlich bin ziemlich stimmungsabhängig beim komponieren und unterliege da sehr meinen Emotionen. Ob die nun aus Alltäglichkeiten oder privaten Dingen resultieren ist zweitrangig – jedes Gefühl ist potentielles Futter für einen Teil oder kompletten Song. Aber ich komponiere ja auch nicht nur Metal-Musik. Ich trage immer sehr viele Ideen in meinem Kopf rum und rufe mich sogar manchmal an und beträllere meinen Anrufbeantworter (ich brauche unbedingt ein Diktiergerät) wenn irgendeine Melodie wie aus dem Nichts erscheint. Bei Stefan und Marten wird es nicht anders sein. Gemeinsame Stimmungen als Initialzündung für einen Song zwischen Stefan und mir entstehen oft wenn wir auf irgendwelchen Festivals sind. Bei größeren Live-Acts, die mal eben ein paar tausend Leute animieren und mitreißen kann man schön beobachten welche musikalische Idee jetzt funktioniert und welche eher etwas schwer aufs Publikum übertragbar ist. Das finde ich unheimlich spannend, und macht umso mehr Spaß wenn man dazu in der Menge steht und sich verausgabt.“

Stefan ist bis auf „City Of Glass“ für alle Texte des aktuellen Albums verantwortlich, wie Basti nun erzählt:

„Den Text zu `City Of Glass` hat der Jan Kucharczewski geschrieben. Ich möchte sagen eine lyrische Bombe, also der Sprache – vor allem der englischen – sehr mächtig. Ansonsten ist es mir ein Phänomen wie Stefan sich in kurzer Zeit in die Atmosphäre eines Liedes hineinversetzen und diese textlich brillant wiedergeben kann. Ich glaube aber, dass das grobe Grundgerüst seiner Worte oftmals schon im Arrangieren der Gesangsmelodien geschaffen wird. Manche Worte lassen sich einfach schöner singen als andere. Der Sinn kommt automatisch hinzu. Wenngleich ich ihm jetzt nicht unterstellen möchte, dass, entgegen anderer Behauptungen – am Anfang nur das Wort war und sich der Sinn erst hinterher eingestellt hat. Doch kann ich schon behaupten, dass es sich bei Stefans Texten immer ein wenig um die Mischung aus transportiertem Sinn und gut klingenden Worten handelt. Aber mit diesem Konzept konnten ja schon so manche Poeten bestehen. Da wir uns als eine Band sehen, die vor allem ein echt positives Gefühl vermitteln möchte, fallen unsere Texte auch hauptsächlich dementsprechend aus. Mit `Shifting:Skywards` versuchen wir eine Energie zu vermitteln, die etwas auslösen soll, die vergegenwärtigt, dass das Leben eigentlich verdammt geil ist. Während sich `Quick:Silver:Light` thematisch sehr mit Trennungsschmerz und Abschied befasste, verkörpert `Shifting:Skywards` den vielleicht logischen Neuanfang nach einer solchen Trennung. `Shifting:Skywards` ist definitiv kein Konzeptalbum, jeder Text kann also einzeln betrachtet werden, doch besteht eine Grundaussage innerhalb eines jeden Songs, die sich individuell auf das `Shifting:Skywards`-Prinzip, das ich ja schon weiter oben beschrieben habe, bezieht. Diese Grundaussage verdeutlicht das Gefühl, das man unmittelbar erhält wenn man Dinge in die Tat umsetzt und sich dadurch vielleicht dem Himmel etwas näher fühlt als vorher. `Shifting:Skywards` wurde in einer Zeit geschrieben, in der wir voller Optimismus waren und man die Aufbruchsstimmung förmlich riechen konnte. Diese Platte zu komponieren und zu produzieren war einfach genau das Betätigungsfeld das wir brauchten und indem wir aufgingen. Es war eine Selbsterfahrung, die uns mit fortschreitender Arbeit in immer höhere Dimensionen versetzte. Dieses Hochgefühl, das wir dabei empfanden verinnerlichten wir uns immer mehr zum Konzept dieser Platte. Jeder Schritt zu dem fertigen Album hin war gleichzeitig der Auslöser des nächsten. Das wurde in vielerlei Hinsicht dann eben auch in unseren Texten wiedergegeben.“

Das Wichtigste bei einer Live-Show ist für Basti, mächtig viel zu rocken und auf das Publikum die Spielfreude zu übertragen, die ihn selbst auf der Bühne antreibt, wie er bekennt:

„Man muss das Publikum mit einbeziehen – es hat es verdient und man steht in der Schuld seiner Erwartungshaltung. Deshalb ist es uns auch ganz wichtig das Material unserer Platten live möglichst 1:1 wiederzugeben. Präzision ist hierbei ganz wichtig, ohne dabei angestrengt zu wirken. Ein Publikum zu entfesseln ist erst dann möglich, wenn man sich wirklich gehen lässt. Da dürfen keine Schranken mehr zwischen uns und dem Hörer existieren, es muss einfach rocken wie Sau! Ansonsten covern wir öfters auch gern mal dem Metal-Genre eher unübliche Songs und spielen die dann ein zwei Noten härter – Britney Spears und Pink eignen sich dafür super. Das kommt immer recht gut an. Zwar erntet man zunächst verwirrte Blicke, doch dann funktioniert es. Es muss halt Spaß machen! Es sind uns schon so viele unerwartete Pannen und unvorhergesehene Dinge auf der Bühne passiert, da ist es nicht schlecht ein kleines Alternativprogramm parat zu haben. Auf meinem letzten In Flames-Konzert war ich schwer von der authentischen Wiedergabe ihres Sounds und ihres Albums überhaupt beeindruckt. Das hatte echt schon Playback-Qualität. Aber so sollte es auch sein. Ein Live-Konzert ermöglicht den Fans nicht nur die Musik zu hören, sondern eben auch in die Gesichter ihrer Idole zu gucken. Und ich spreche hier ebenfalls als Fan, nicht etwa als Idol. Das transportiert natürlich gleich viel mehr Energie, als nur die Platte zu hören. Ich mag es, wenn die Band publikumsnah ist und nicht arrogant auf der Bühne herumsteht und die Fans dirigiert. Das hat schon oft ein Konzert zerstört. Von daher ist das gemeinsame Feeling, also das des Publikums und der Band ein sehr wichtiger Bestandteil einer Live-Show.“

Erneut nachvollziehbare Statements eines zweifellos sehr intelligenten und auffallend weltoffenen Musikers, welcher hier noch abschließend letzte Worte an die Fans richtet: „Gebt uns Feedback was das Zeug hält! Darüber freuen wir uns tierisch! Möglichkeiten dazu findet ihr auf unserer Homepage www.jestersfuneral.de. Uns ist es wirklich wichtig einen direkten Bezug zu den Menschen zu haben, die unsere Musik mögen und wir interessieren uns für deren Meinung sehr. Ansonsten wäre es fantastisch, euch vor unseren Bühnen zu sehen – und hören zu können wie ihr unsere Chöre komplettiert! This world is a design – i will redevine!”

© Markus Eck, 11.04.2003

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