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Interview: GOLDEN DAWN
Titel: Wehmütig, aber hoffnungsvoll

Sein 1996er Debütalbum „The Art Of Dreaming“ bot verträumt anmutenden und experimentellen Black Metal, welcher entsprechende Ohrenpaare aufgrund musikalischer Vielfalt mit einigem Klangzauber behexte.

Nachfolgend wurde es recht ruhig um den einstigen Schwarzmetallalleinunterhalter Stefan Traunmüller.

Nun kehrt der Österreicher auf heimatlichem Label mit einem neuen Album zurück ins Licht der Öffentlichkeit. „Masquerade“ betitelt, offenbart das aktuelle Werk jetzt die in den letzten Jahren vonstatten gegangene künstlerische Entwicklung Traunmüllers.

So fühlt sich Stefan derzeit mental zwar bestens, aber künstlerisch auch ein klein wenig unentschlossen, wie er mir erzählt:

„Musikalisch bin ich doch ein bißchen desorientiert. Es liegen jetzt viele Dinge hinter mir und ich bin mir nicht ganz im Klaren über den Weg, der vor mir liegt. Aber die Verwirrung wird sich lösen, und Golden Dawn wird zu neuen Ufern aufbrechen.“

Vor dem Kompositionsprozeß seines aktuellen Albums sah dies jedoch ganz anders aus, wie Stefan resümiert:

„Meine Vorgabe war damals ganz klar: Ich wollte so viel wie möglich auf einer Platte vereinen, um mir zwischen allen Kategorien eine eigene Nische zu schaffen. Ich erwarte daher auch jede Menge unterschiedliche Reaktionen und unterschiedliche Sichtweisen meiner Musik. Der Titel `Masquerade` soll ja auch auf nichts Anderes hinaus zielen, als daß Wahrheit eine subjektive Wahrnehmung reflektiert und daher nur Interpretation einer übergeordneten, aber nicht zugänglichen Idee ist. Genauso ist `Masquerade` – mannigfach, schwer greifbar und von vielen verschiedenen Blickwinkeln aus wahrnehmbar.“ Deswegen läßt er seine Musik nicht allzu gerne in Schubladen einordnen. „Ich verwehre mich ja wie gesagt gegen Kategorien. Um alle auf `Masquerade` vertretenen Elemente wiederzugeben, müßte man wohl eine Umschreibung wie `symphonischer Black Metal mit Gothic-, Power Metal- und Elektronik-Einflüssen` bemühen.“

Während des Entstehungshergangs zum Debütalbum von Golden Dawn dominierte in Stefans Geist der pure Enthusiasmus, wie er sich nachfolgend erinnert:

„Das ist alles so lange her. Ich war ja faktisch noch ein Kind, als wir `The Art Of Dreaming` aufgenommen haben. Mein Umgang mit Musik war damals sehr intuitiv und unbeschwert, daher kommt wohl auch dieser spezielle rauhe Charme, der `The Art Of Dreaming` auszeichnet. Es war einfach Vieles noch nicht sehr ausgereift, dafür umso enthusiastischer und experimenteller. Heute kann ich sicherlich Songs besser strukturieren und arrangieren, aber es kann auch durchaus sein, daß eine gewisse Aura gerade durch die dazu gewonnene persönliche und musikalische Reife verloren gegangen ist. Für meinen Teil kann ich nur sagen, daß meine Stimmung immer die Essenz und Triebfeder der Musik ist. Wer mich nicht persönlich kennt, aber intensiv Golden Dawn hört, kann so einen Zugang zu meiner Art zu fühlen gewinnen. Meistens komponiere ich in einer eher melancholischen, wehmütigen aber doch hoffnungsvollen und leicht `heroischen` Stimmung.“

Die Originalpressung von „The Art Of Dreaming“ ist mittlerweile zu einem gesuchten Sammlerstück geworden. Das weiß auch Stefan:

„Ich bekomme auch heute noch immer wieder mit, daß etliche Leute das Album vergeblich suchen. Es dürfte also schon sehr lange vergriffen sein und es kann durchaus sein, daß gar nicht sonderlich viele Einheiten verkauft wurden. Das Schalten und Walten von Dark Matter Records war immer undurchsichtig und so etwas wie Tantiemen oder wenigstens eine Verkaufsabrechnung habe ich nie gesehen.“

Nach der damaligen Veröffentlichung war jedoch erst mal wieder Sendepause hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem Label. Und leider auch mit Golden Dawn, wie Stefan aus der Vergangenheit berichtet:

„Dark Matter Records verschwand sang- und klanglos in der Versenkung und außer leerer Versprechungen und einer fast fertigen, aber nie veröffentlichten zweiten CD blieb nichts übrig. Im Jahre 1999, zwei Jahre nach Beginn der Aufnahmen für das zweite Album, stand dies fest. Bereits damals war ich in Kontakt mit Napalm Records, doch da Dark Matter Records die Rechte für das zweite Album nicht verkaufen wollten und ich nicht alles noch mal neu aufnehmen wollte, habe ich mich einige Zeit vom Musikgeschäft zurückgezogen und im stillen Kämmerlein meine Fähigkeiten auf technischer und musikalischer Ebene reifen lassen. Resultat war eine dritte CD, die ich jedoch nur zu Hause für mich aufgenommen und nur wenigen Personen vorgespielt habe. Nebenbei hatte ich noch ein sehr experimentelles Projekt namens Vanitas am Laufen, das eine Art Symbiose aus Techno, Dark Wave und Metal darstellte. Welches jedoch trotz sehr gutem Feedbacks nie über das Demo-Stadium hinauskam.“

Glücklicherweise gab Stefan trotz einiger Hindernisse aber nicht auf, wie ich weiterhin von ihm erfuhr:

„Daß ich mit der Musik weitermachen würde, stand nie zur Debatte. Triebfeder, konkret einen neuen Gehversuch im Musikgeschäft zu unternehmen, war ein Vertrag mit Ars Metalli. Diesen habe ich Anfang 2001 unterschrieben und mich zusammen mit Karim und Sebastian daran gemacht, die neue CD zu komponieren. Es war dies mein erster Versuch, andere Bandmitglieder einzubinden. Wir sind dann im Herbst ins Studio gegangen und just zu dieser Zeit ging es mit Ars Metalli zu Ende; also Tiefschlag Nummer zwei in Sachen Labels. Wir haben die Produktion natürlich beendet, nur mußte ich fast alles aus eigener Tasche bezahlen und war somit denkbar froh, daß Napalm Records immer noch reges Interesse an Golden Dawn zeigten. Ich kann über Napalm Records bisher nur lobende Worte verlieren, sie sind sehr engagiert, professionell und bemüht, aus allen Bands und Produktionen das Beste herauszuholen.“

Anschließend schwenkten wir über zum neuen Werk; Stefan gewährt Einblick in sein Inneres:

„Ich habe keine bewußten musikalischen Einflüsse für `Masquerade` verarbeitet. Ich persönlich werde beim Schreiben von Songs von allen Sinneseindrücken und Gefühlen beeinflußt, in mir vollzieht sich da sozusagen eine musikalische Reflexion auf die Umwelt. Natürlich stellt die Musik, die wir selbst privat hören einen Teil dieser Einflußwelt dar, aber eben nur ein kleiner Teil. Ich selbst bin ein großer Fan von progressiven Klängen Marke Dream Theater oder Symphony X, höre aber auch etwas Black Metal, Gothic, jede Menge elektronische Musik und ein wenig Klassik.“

Stefan knüpft an und lüftet endlich die Maskerade zum gleich lautenden Albumtitel:

„Unser Zugang zur Realität erfolgt über eine interpretative Wahrnehmung. Anders ausgedrückt, wir `gewöhnen` uns an eine uns primär von außen aufgezwungene Wirklichkeit. Dieses Weltbild wird durch Medien, die Schule, und – um es ganz fundamental auszudrücken – durch die Sprache untermauert. Warum ist ein Baum ein Baum? Weil wir gelernt haben, ihn als Baum zu sehen und gewissermaßen in die Kategorie Baum einzuordnen. Das wahre Wesen der Dinge bleibt unserem in Schemata, Verhältnissen und Worthülsen denkenden Hirn jedoch verschlossen, somit ist die ganze Welt hinter einer Maskerade verhüllt. Es gibt für mich kein gut, böse, schön oder häßlich, nützlich oder unwichtig; das sind alles subjektive Eigenschaften, die jeder von seinem Blickwinkel aus für richtig oder falsch erachtet. Daher haben wir es im Leben überall mit Masken zu tun, die je nach Einstellung und Standpunkt auf- und abgesetzt werden können. In musikalischer Hinsicht versuche ich, genau das den Leuten zu zeigen. Jeder, der `Masquerade` hört, wird entsprechend seiner subjektiven Art, mit Musik umzugehen, andere Dinge hervorheben und andere Dinge weniger schätzen. Recht hat im Endeffekt jeder, obwohl jeder unsere CD anders beschreiben wird.“

Eine interessante Sichtweise, welche auch die ausnahmslos von Stefan erarbeiteten Texte der Songs durchzieht: „Philosophische Betrachtungen über Leben, Tod, Schicksal, Zeit, etc. aus mehreren verschiedenen Blickwinkeln. Es steckt auch oft eine positiv formulierte Aufforderung zum Krieg in meinen Texten. Man muß für seine Ideale und Träume kämpfen. Auf Sieg oder Niederlage kommt es letztlich nicht an, aber auf den Kampf an sich kommt es sehr wohl an. Die Stimmung beim Texten und beim Komponieren ist für mich nicht voneinander zu trennen.“

Einiges hatte Stefan daher nachfolgend auch zum Entstehungsgeschehen des aktuellen Albums mitzuteilen: „Wir haben an und für sich fast täglich an den Stücken gemeinsam gefeilt. Ich habe zwar das letzte Wort bezüglich Songwriting und Arrangement gehabt, aber die Einflüsse von Karim und Sebastian sehr wohl berücksichtigt. Die Stücke `Angel`, `Where Dragons Reign` und `Sic Transit Gloria Mundi` enthalten etwa einige Passagen, die von Karim und Sebastian in ihrer früheren Band verwendet wurden und von mir in den Golden Dawn-Kontext integriert wurden. `Alive And Immortal?` ist übrigens eine stark abgewandelte Version eines Stückes der unveröffentlichten `Sublimity`-CD von Golden Dawn.“

Abschließend empfiehlt Stefan, wie er noch offenbart, sein aktuelles Album zurecht allen Leuten, die bereit sind, das musikalische Kategoriendenken aufzugeben und stilübergreifenden, anspruchsvollen Heavy Metal hören wollen.

© Markus Eck, 07.02.2003

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