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Interview: FINSTERFORST
Titel: Reine Gefühlssache

Sieben Geister. Erfüllt von gigantischen Visionen. Beseelt von übermächtigen Leidenschaften. Geprägt von absoluter Naturverbundenheit. Durchzogen von unbedingtem musikalischen Willen. Wenn solch‘ eine Notentruppe sich dem Genre Folk Metal verschreibt, dann kann ein monumentales Album wie „Rastlos“ entstehen.

Und dieser aktuelle vierte Langspielexkurs der aus dem Schwarzwald stammenden Band zeigt das anspruchsvolle Schaffen der Beteiligten als ebenso linientreu wie auch anhaltend inspiriert auf.

In den fünf überlangen Kompositionen der Scheibe scheint sich gar mehr Gutes zu tun als in den letzten 2.000 Jahren Historie der weltweiten Forstwirtschaft. So loten diese fähigen Finsterförster die noch heute bestehenden Mystiken aus dem altmythischen Bezug der Menschheit zu geheimnisvoller Flora und Fauna bemerkenswert tiefgründig aus.

„Auch wenn mir die Entwicklung im Pagan- und Folk Metal eher traurig erscheint, so konzentrieren wir uns auf unser eigenes Schaffen ohne uns davon in irgendeiner Weise beeinflussen zu lassen. Die musikalische Definition des Pagan Metal ist meiner Meinung nach sowieso nicht wirklich eindeutig festlegbar, da es viel zu viele unterschiedliche Auffassungen davon gibt. Fakt ist, dass sehr viele Trinkhorn-Bands die ursprünglich recht idealistisch gehaltene Pagan-Szene überrollt hatten, wodurch sich eher eine Art ,Ich bin Thors treuer Anhänger und trinke ununterbrochen Met!‘-Trend entwickelt hatte. Dieser Schritt war auch irgendwie absehbar, denn ganz egal ob tief episches oder heiteres Liedgut erklingt, es lädt immer zum kräftigen Umtrunk ein. Wir selber werden immer alles dafür geben, um mit unserer stets druckvoller werdenden Musik die Leute zu begeistern. Der Begriff des Pagan Metal spielt für uns keine Rolle, denn wir präsentieren sowohl auf der Bühne als auch auf dem Tonträger feinsten Black Forest Metal‘, konstatiert Lead- und Rhythmusgitarrist Simon Schillinger, auf das merkliche Abflauen eines musikalischen Trends angesprochen.

„Wir wollen zeigen, dass es keinen Trend geben muss, um feiern zu können. Die Musik soll den Hörern schlichtweg den Atem rauben und sie zum Abgehen animieren; einfach abschalten, sich gehen lassen und den Rest für zumindest einige Augenblicke ignorieren.“  

Und auch, so Simon weiter, wenn seine Gruppe vielleicht schon die eine oder andere Idee bezüglich einer für Finsterforst etwas exotischeren Produktion gehabt hat, werden sie sich musikalisch und lyrisch niemals zu etwas drängen lassen, was ihnen nicht von alleine in den Sinn käme.

„Man kann es mir glauben, wir werden das machen, was wir fühlen und wofür wir leben.“  

Bis auf den Sängerposten ist alles beim Alten geblieben. „Mit Olli haben wir nun ein unglaubliches Monster am Mikrofon, welches die Musik um so viel aggressive Brutalität und Wut bereichert.“  

Wenn der Gitarrist die neue Veröffentlichung „Rastlos“ nun mit all den vorigen Finsterforst-Werken vergleicht, dann kann er sich, wie er bekennt, ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Auch ich denke, dass unser neues Material um ganze Welten an Reife gewonnen hat und sich in allen Belangen sehr klar und definiert präsentiert. Selbstwertgefühl in unserer Musik? Sicherlich schreitet diese mit erhobenem Haupt durch das komplette Album und lässt nur schwer irgendwelche Zweifel an ihrem Erscheinen erkennen. Jede Melodie, jegliches Harmoniespiel und alle Elemente innerhalb dieser Produktion sind wohl durchdacht. Man sollte schon etwas wie ein Perfektionist für sich selber sein, damit man am Ende mit allem zufrieden sein kann.“  

Die überirdisch mächtig anmutende und erhaben getragene Epik auf „Rastlos“ ist schlicht phänomenal. Simon resümiert: „Wenn ich nun zurückblicke und versuche mir vor Augen zu halten, was alles nötig war, um dieses Endprodukt zu kreieren, dann muss ich mir beziehungsweise uns schon auf die Schulter klopfen. Viel Arbeit, Zeit und Nerv musste in das gesamte Werk investiert werden. Vom reinen Kompositionsprozess bis hin zur Aufnahmevorbereitung und stressigen Studioarbeit - der Arbeitsaufwand von ,Rastlos‘ war enorm. Ich selber verspüre dabei keinen negativen Stress, denn das ganze bereitet mit Hilfe von ausreichend Schweinshaxen ja auch einen riesigen Spaß“, entfährt es ihm lachend, „und es ist ein unfassbares Gefühl, wenn man dann nach Abschluss des Mixprozesses realisiert, was man innerhalb der vergangenen Zeit geleistet, kreiert und produziert hat.“  

Die erhaben erscheinende Pracht der orchestralen Anteile auf „Rastlos“ ist beeindruckend, zumal dafür rein mit digitalen Mitteln vorgegangen wurde.

Es würde leider jegliches, der Formation zur Verfügung stehendes Budget sprengen, so Simon, wenn Finsterforst ein ganzes Streicher- oder Bläser-Ensemble für die Studioaufnahmen engagieren würden.  

„Das wäre in ferner Zukunft vielleicht mal eine echt starke Sache, aber bis dahin muss man auf die Hilfe von Computer-Software zurückgreifen. Im Weiteren ist es ja nun auch nicht so, dass wir übertriebene symphonische Passagen in der Musik haben, sondern die orchestrale Begleitung eher als sehr druckvoller Support dient, welcher die gesamte Klangfläche etwas pompöser aufpoliert.“

Bezüglich ihrer musikalischen Studio- und Live-Aktivitäten wollen Finsterforst in Zukunft die ganze Zeit „Rastlos“ sein, gibt der Lead- und Rhythmusgitarrist grinsend zu Protokoll. „Ich finde, dass der Begriff der Rastlosigkeit völlig auf die Realität der menschlichen Psyche zutrifft. Wie fast jeder andere Mensch können wir selber die meiste Zeit nichts anderes als rastlos sein. Gerade in der heutigen, so sehr konsumverseuchten Gesellschaft findet man neben Arbeit, Studium oder privaten Angelegenheiten kaum noch ausreichend Möglichkeiten, um sich ausgiebig auszuruhen.“  

Und auch, obwohl er persönlich kein Smartphone-Besitzer ist und er der atemberaubenden Plattform namens Facebook fernbleibt, so Simon, fühlt er sich weitgehend rastlos. „Du hast Recht, in der heutigen modernisierten Zeit weiß man gar nicht mehr wo links und rechts ist, da man von allem möglichen Quatsch permanent überrollt wird. Scheißegal, ob im Internet, Fernsehen oder sonst irgendwo - die Trendsetter lauern überall auf einen und können nicht eine Sekunde vor jeglichen Attacken Halt machen. Ich selber lehne mich aber bezüglich dieses ganzen Konsumtheaters eher gelassen zurück und kann darüber nur lachen. Trotzdem bin ich auf diesem Gebiet rastlos, denn ich verschwende ja schon Nerven und Zeit, indem ich etwas neues, völlig hirnloses und schwachsinniges schlichtweg nur lese und mir dann fassungslos oder belustigend vor die Stirn schlagen muss. Da man heutzutage offensichtlich nicht in Ruhe gelassen werden kann, heißt es wohl am besten ,Flucht in die Isolation!‘“ [lacht]

Der weitere Dialog kümmert sich um die aktuellen Liedertexte auf dem neuen Werk „Rastlos“. Wie Simon offenbart, findet er alle neuen Texte stark und sehr gelungen. „Mir persönlich gefällt der Opener ,Nichts als Asche‘ dabei vielleicht sogar noch am allerbesten, da dieser die Orientierungslosigkeit des Protagonisten so gut beschreibt. Solch‘ eine Hilflosigkeit kann sich ohne Mühen auf die eigene Realität widerspiegeln.“  

Was das Songwriting seiner Gruppe angeht, so hat Gevatter Simon sogar noch große Pläne:  

„Alles ist zu toppen! Dies wird man in Zukunft auch merken beziehungsweise hören. [grinst] Am eigentlichen Prinzip des Songwriting-Prozesses hat sich nach wie vor nichts verändert. Ich bin für die komplette Musik verantwortlich und die lyrische Arbeit wird dann im Nachhinein meistens von Sänger Olli geleistet. Schon kurze Zeit nach dem Release von ,...zum Tode hin‘ hatte ich schon einiges an neuem Material geschrieben gehabt. Allerdings verging einige Zeit, in der ich dann weitere Stücke geschrieben hatte, welche qualitativ stetig an Niveau gewannen. Dies hatte zur Folge, dass ich schon bald zu viel Material zusammen hatte, welches nur ein Album füllen sollte. Im Endeffekt wurden sogar vier Songs wieder verworfen. Es war mit Sicherheit nicht vorteilhaft, so lange auf die nächste Album-Aufnahme zu warten, denn während die Zeit vergeht kann ich mich nicht zurückhalten und meine neuen Ideen ignorieren. Des Weiteren spielte auch der Sängerwechsel eine Rolle bezüglich des Buchens für das folgende Album und somit verging noch mehr Zeit als geplant. Wirkliche Tiefen während des Schreibeprozesses gab es eigentlich nicht wirklich. Man kann natürlich sagen, dass es um den ,Verlust‘ von ein paar Songs etwas schade ist, aber das alles hatte letztlich seine Richtigkeit.“

Das Ziel für ein starkes Ergebnis ist bei Finsterforst sowieso immer sehr hoch angesetzt, und der Klampfer weiß auch jetzt schon, wie er verlauten lässt, dass „Rastlos“ die zukünftige Messlatte der Band um einiges höher geschoben hat.  

„Es gab nicht nur eine oder weniger Komponenten, welche man verbessern wollte. Beim Komponieren gab ich mir diesmal viel mehr Mühe und ging überlegter und vorsichtiger ans Werk. Das Puzzle der Kompositionen und deren Arrangements passt nun besser und geschickter zusammen als auf dem Vorgänger. Ich wollte, dass die gesamte Klangwand sehr massiv und mächtig in sich stimmig erklingt. Ich wollte dabei nicht einzelne Soloinstrumente haben, welche extrem eindeutig im Vordergrund erscheinen und den Rest der Band klein wirken lassen. Dir ist sicherlich aufgefallen, dass beispielsweise das Akkordeon etwas zurückgenommen wurde, dafür aber mehr Klargesang von Akkordeonist Hannes zusammen mit vollen Chören erklingt und auch die Keyboard-Wand kombiniert mit den orchestralen Elementen gekonnt agiert. Dies sind alles bewusste Änderungen, welche die Balance zwischen allen möglichen Instrumenten und auch dem neuen Mords-Gesang von Olli perfekt halten. Wirklich zusammen geprobt hatten wir das neue Material erst nachdem es aufgenommen worden war. Die neuen Stücke erforden live natürlich ein paar Opfer des instrumentalen Spektrums, dass man auf Platte hört. Hier und da muss eventuell was geschnitten beziehungsweise weggelassen werden, was aber wohl kaum ein Problem darstellen wird, denn ... live ist doch alles immer so verdammt scheiße laut, sodass man solche kleinen Unterschiede gar nicht merken kann!“ [lacht laut]  

Der talentierte und spielfreudige Griffbrettmann ist jedenfalls stolz auf das aktuelle Ergebnis. „Und es macht mich sehr glücklich dieses zu hören - unbeschreiblich geil! Wenn ich zurückblicke und mich an die Arbeit im Studio erinnere, dann muss ich aufgrund des ganzen chaotischen Quatsches und Spaßes, welchen wir im Studio permanent machen und haben, hauptsächlich nur schmunzeln. Auch wenn die Arbeit selber an dieser Produktion wirklich sehr anstrengend und stressig war, kann ich nur sagen, dass es die pure Freude war, bei Christoph Brandes in den Iguana Studios zu sein. Daran wird sich niemals etwas ändern, da er einfach ein super Kumpel von uns geworden ist und wir mit ihm, wie du es unschwer an ,Rastlos‘ hören kannst, immer das perfekte Ergebnis einer Albumproduktion erreichen. Des Weiteren ist Christoph einer der Begründer des Haxismus! [lacht] Ernsthaft, der gesamte Arbeitsprozess zu ,Rastlos‘ hat mir sehr viel Freude bereitet, da Musik und deren Produktion einfach einen riesigen Teil meines Lebens ausmachen. Ich kann die nächste Aufnahme kaum abwarten. Bis dahin heißt es: Liedgut schreiben und Haxe essen!“   

Ganze acht Jahre gibt es die Finsterförster erfreulicherweise nun schon als Formation.

Hätten die Beteiligten sich das damals bei der Bandgründung denn jemals überhaupt so erwartet? Simon:

„Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nicht mehr genau weiß, was ich vor acht Jahren gedacht habe, aber ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns zu Beginn unseres Schaffens damit gerechnet hätte, dass wir ohne Probleme ein paar Alben aufnehmen und diese über Plattenfirmen veröffentlichen werden. Natürlich war und ist man ambitioniert und steckte viel Herzblut in alle Machenschaften innerhalb der Band, sodass man voranschreitet und den Pokal eines etwaigen Erfolges in Sichtweite erblickt. Aber ich kann nicht sagen, ob einer von uns damals dachte, dass wir jemals auch außerhalb von kleinen Jugendzentren spielen werden. Zudem muss man im Hinterkopf behalten, dass unsere Live-Aktivität erst im Jahre 2007 startete, da wir vorher keinen Schlagzeuger hatten. Doch dann ging es los und wir merkten innerhalb kurzer Zeit, dass uns offensichtlich nicht nur fünf Leute vor der Bühne mögen. [lächelt] Ich bin für die Entwicklung Finsterforsts sehr dankbar!“  

Dazu noch anschließend befragt, wie die Musik seiner Truppe von den Metal-Fans außerhalb des Folk-, Pagan-, Heathen- und Viking Metal-Lagers bislang so aufgenommen wurde, entgegnet der Kerl:

„Hierzu kann ich Freunde und auch Familienmitglieder zitieren: ,Mensch, die Musik ist ja echt nett und manchmal schön, aber dieser Gesang ist furchtbar!‘ [lacht] Naja, ich denke, dass beispielsweise die ganzen eingeschweißten Thrash- oder Death Metal-Fans oft eine derbe Antipathie gegenüber diesem ganzen Folk Metal verspüren. Ist ja alles Geschmacksache und sollte einen auch nicht sonderlich jucken. Aber ich denke, dass vor allen Dingen unsere neue Musik ein breiteres und variantenreicheres Publikum positiv überraschen und ansprechen wird. Das Genre des von uns so genannten ,Black Forest Metal‘ bietet für so viele Geschmäcker ausreichend Material und liefert dem Ohr flexiblen Musikgenuss.“  

Zum Thema Videoclips: Wird es diesmal einen offiziellen Clip zu einem bestimmten Track des neuen Albums geben? Und: Welche Clips der Folk Metal-Konkurrenz gefallen Simon eigentlich persönlich am besten? „Ja, wir werden noch einen Videoclip zu ,Nichts als Asche‘ produzieren. Allerdings musste der Song hierzu sehr krass gekürzt werden. Lasst euch - wie ich mich selber - überraschen! Was solche Clips nun generell angeht, so habe ich keine wirklichen Favoriten darunter. Ich finde zum Beispiel Trollfest´s Video zu ,Karve‘ sehr unterhaltsam. Einfach, simpel und ehrlich! Grillfest im Garten, saustark!“ [grinst derb]

Was das kommende Jahr 2013 betrifft, so freut sich der große Finsterforst-Visionär am allermeisten auf die Zeit, in der er wieder mit meiner Freundin zusammen sein kann. „Ja ... eine Fernbeziehung ist nichts Einfaches. Ansonsten bin ich sehr euphorisch und motiviert, neue Musik zu schreiben, welche wir dann auch zeitnah aufnehmen können.“

© Markus Eck, 16.11.2012

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