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Interview: EKTOMORF
Titel: Geballte Ladung

Was für ein Riesenglück für Zoltán Farkas, dass er seine Band Ektomorf hat! Von Nahestehenden und Fans kurzerhand „Zoli“ genannt, kann der ungarische Wüterich hierin nämlich schon seit Jahren sämtliche Wut aus Bauch, Herz und Seele freisetzen. Besser so, denn sonst würde der Mann, der sich immer wieder Feindlichkeiten wegen seines Roma-Hintergrundes ausgesetzt sieht, wohl auch ständig aufplatzen.

Eine echte Kämpfernatur, die so schnell nichts aus der Bahn werfen kann. Mittlerweile als einzig verbliebenes Gründungsmitglied aktiv, hält der schreifreudige Frontmann, Gitarrist und Songwriter den raubeinigen Metalcore-Haufen schon seit 1993 zusammen. Auf dem neuesten Album „Retribution“ scheint das Quartett tatsächlich ganz dem Titel entsprechend Vergeltung zu üben.

20 Jahre Ektomorf. 20 Jahre Wut. 20 Jahre Leidenschaft. 20 Jahre musikalischer Hunger.

Wie fühlt sich das für den unbeugsamen 38-jährigen überhaupt an?

Der kontert dazu sofort, voller Feuer in der Stimme:

„Mich macht es sehr froh und ich bin glücklich, dass überhaupt so machen zu können. Mit das Beste daran ist für mich, dass ich noch immer genau dieselbe Leidenschaft und denselben Enthusiasmus in mir dafür verspüre. So bleibt mir hierzu nur noch zu verkünden, dass ich mich jetzt schon auf die nächsten 20 Jahre mit Ektomorf freue!“

Die nahestehende Frage, warum eigentlich nur noch die allerwenigsten Bands im „harten“ Bereich länger zusammenhalten und Metal-Dinosaurier ohnehin auszusterben drohen, macht den Sänger doch etwas ratlos.

„Keine Ahnung. Bei Ektomorf gab es über die Jahre ja auch etliche Wechsel Line-Up. Allerdings ließen diese die Dinge für die Band glücklicherweise allesamt besser werden, weil ich mir mit der Zeit die besser passenden Mitglieder aussuchte. Aufgeben war nie mein Ding.“

Für „Retribution“ nahm die Formation eine für sie typische Kraftladung an gewaltig dröhnenden Stücken auf.

Zoli umschreibt das Ganze:

„Wir kehrten dafür zurück zu unserer schwersten und aggressivsten Ausrichtung. Es gibt sozusagen voll und ehrlich in die Fresse. Gleichzeitig gibt es aber auch ein paar neue Facetten auf der Scheibe zu hören wie beispielsweise für uns ungewöhnliche Melodien und Harmonien. Das bringt viele interessante Momente mit sich. Teils wird es sogar ziemlich atmosphärisch. Und alles passt gut zueinander. Ektomorf eben, mit großem Zorn und Glauben an sich selbst. Genau so also, wie man uns kennt.“

Nachfolgend bewegt sich der Dialog hin zur lyrischen Ausrichtung der neuen Platte. Mein Gesprächspartner sieht das Ende der Menschheit und ihrer Gesellschaften längst gekommen, wie er entschlossen wissen lässt.

„Die Welt marschiert in ihr eigenes Grab, und alle scheinen sie dabei zuzusehen. Darüber handelt der Song ,Ten Plagues“. Niemand ändert wirklich was daran. Lieber tragen die Leute offenbar Hass und Gleichgültigkeit im Herzen. Eine gewisse Blindheit hat sich längst fatal breitgemacht. Viele möchten eigentlich sogar etwas ändern, bleiben aber letztlich doch bequem auf der Seite der ,Blinden‘. Als ich die Nummer schrieb, hatte ich dabei die bereits in der Bibel erwähnten ,Zehn Plagen‘ im Kopf. Und wer die Stelle in dem Buch kennt, wird mich hinsichtlich des Songtextes ganz bestimmt verstehen.“

Nicht minder neugierig auf den Verwendungshintergrund weiß einen der umwerfende Hauer „I Hate You“ zu machen.

Im Original der 80er Jahre einst erstmals von der kalifornischen Crossover-Truppe Verbal Abuse gezockt, coverten Slayer diesen monsterhaft dynamischen Brecher 1996 auf ihrem berühmten Coveralbum „Undisputed Attitude“.

Der Kehlenfolterer und Saitenschrubber bringt Licht ins Düstere:

„Jeder kennt wohl Leute, die er einfach nur hasst. Da geht es mir nicht anders: Ich habe auch welche im Sinn, an die ich den Track direkt richten kann. Ich lasse das zwar nicht in mir zu groß werden, aber der Song ist wirklich bestens geeignet, um dieses Gefühl einfach absolut optimal auszudrücken. Das erkannten wohl auch Slayer. ,I Hate You‘ fügt sich nahtlos zwischen unsere neuen Kompositionen. Und ich mochte das Lied schon immer!“

Wenn er seine Empfangsgeräte anmacht, so der Bühnenderwisch mit einem bestätigenden Grinsen im Gesicht, so hält er sich die negativen Inhalte der News-Sendungen so gut es geht vom Bewusstsein fern.

„Im TV schaue ich mir lediglich gerne meine Lieblingsserien an. Nachrichten kann ich mir nur schwerlich ansehen. Es macht mich immens wütend, all die ganzen tagtäglichen Grausamkeiten und auf der anderen Seite die zahllosen, unerträglichen Dummheiten zu erleben. Es ist schlimm, wenn Menschen sterben müssen. Aber die Überflutung mit Tod, Katastrophen und Elend hält doch keiner aus, ohne tief im Innersten traurig oder zornig zu werden. Ansonsten greife ich auf ausgewählte Filme zurück, wenn ich die Zeit dazu habe, die sich auf meinem Computer befinden.“



Einmal mehr geht Zoli merklich voll und ganz auf in seinem Metalcore-Verbund. So spricht er noch mit streng blickenden Augen:

„Wie die Welt in 50 Jahren dastehen wird? Wer weiß das schon so genau? Schön wird diese Zeit sicherlich nicht sein. Für mich steht fest, dass, wenn es so weitergeht wie gegenwärtig, die Menschheit den Bach runter geht. Man sehe sich diesbezüglich nur mal die heutigen Teenager an, die wissen vor lauter Unnatürlichkeit ja schon gar nicht mehr wer sie wirklich sind und was sie wirklich wollen. Das kann ja nur im Chaos enden. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Augen auf dem Planeten aufgehen und die Erkenntnis eine Änderung der Systeme herbeizuführen imstande ist.“ Ektomorf haben den Soundtrack dazu schon jetzt parat.

© Markus Eck, 10.01.2014

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