Interview: | VREID |
Titel: | Historische Rückblenden |
Der gleich sehr gut gelungene 2004er Albumvorgänger „Kraft“ ermächtigte die Nachfolgetruppe von Windir dazu, nach dem tragischen Tod von Bandleader Valfar aus den mächtigen Schatten des alten Bandnamens mit übergroßen Sprüngen herauszufedern.
Und agierten Vreid auf dem Debütalbum stellenweise noch ziemlich modern und stilistisch auffallend variabel, tendieren die Norweger nun auf dem neuen Langspieler „Pitch Black Brigade“ mehr in hart gesottene und traditionellere Gefilde. Mittels rigoros gezockter Black- und Thrash Metal-Riff-Attacken wird nicht nur zwischen oftmals ungestümen Rhythmusstrukturen von Drummer Steingrim ordentlich Wind entfacht.
Dass dieser neue Silberdeckel oberamtlich Druck macht, dafür sorgen auch auf überraschende Weise vereinzelte Anklänge an die guten alten Zeiten von Windir. Tieftöner Jarle Kvåle aka Hváll schnallt für mich seine Bassgitarre ab, um sich auf ein Gespräch zum neuen Album einzulassen.
„Obwohl gegenwärtig haufenweise für Vreid zu tun ist, was mitunter gar stressig ausartet, fühlen wir uns allesamt recht gut. Letztes Wochenende beendeten wir den Mix für das neue Album `Pitch Black Brigade`. Und diesen Freitag mache ich mich nach Stockholm auf, um dem Mastering beizuwohnen. Gleich im Anschluss drehen wir dann ein Vreid-Video ab, auf das Ergebnis sind wir schon überaus gespannt“, berichtet Hváll eingangs gut gelaunt.
Die Veröffentlichung des aktuellen Werkes ist für die Zeit zwischen März und April 2006 vorgesehen.
„Wir haben uns für die Scheibe wirklich die Ärsche abgearbeitet. Ich bin wirklich sehr zufrieden mit dem Resultat. Die Produktion ist härter und auch klarer als diejenige von `Kraft`. Wir arbeiteten zudem verdammt viel an den verschiedenen Klang-Kombinationen von Basslinien und Schlagzeugsound. Ich denke, es hat sich mehr als gelohnt, denn nun klingt das neue Album insgesamt sehr straff. Es werden acht Tracks enthalten sein, und auch der erwähnte Videoclip wird noch mit draufgepackt.“
Hváll gibt in diesem Kontext nachfolgend unumwunden und in aller Ehrlichkeit zu, noch nie dermaßen glücklich mit einem Album gewesen zu sein, an dem er beteiligt war. Aha.
Nun, was sich ja auch in metallischen Musikerkreisen als triviale Floskel etabliert hat, scheint hier tatsächlich der Realität zu entsprechen.
„Ich fühle nur zu deutlich, endlich genau den Sound gefunden zu haben, nach dem ich für dieses neue Album so lange gesucht habe. Die aktuellen Stücke entwickelten sich jeweils genau nach den einzelnen Vorstellungen, die ich jeweils kurz nach den entsprechenden Song-Ideen im Kopf mit mir herumtrug. Um genau dieses spezielle momentane Gefühl vollkommener kreativer Zufriedenheit zu kriegen, dafür lebe ich. Das ist mir jede noch so große Mühe und Entbehrung wert. Genau danach trachte ich genau genommen, seitdem ich Musik mache.“
Mit dem Songwriting zu „Pitch Black Brigade“ begann der Bassist laut eigener Aussage erstmalig gegen Ende des Jahres 2004, also nicht allzu lange nach der Veröffentlichung von „Kraft“.
„Nach unserer Europa-Tour im Winter 2005 investierte ich dann erneut einige Monate darin, das restliche Material zu schreiben. Während des letzten Sommers erstellten wir dann eine Vorab-Produktion, die eigentlichen Aufnahmen zum Album begannen im September. Ich habe sieben der kommenden acht Stücke komponiert, unser Gitarrist Ese arbeitete einen Song aus.“
Wie eingangs festgestellt, offenbart das aktuelle Liedgut der Norweger-Brigade an nicht wenigen Stellen des Albums eindeutige Reminiszenzen an Windir.
Und das hat seinen Grund. Hváll hierzu:
„Ja, der Windir-Spirit ist stark auf `Pitch Black Brigade` vertreten und das wird auch auf allen kommenden Veröffentlichungen von Vreid so sein. Windir war schließlich für nicht wenige Jahre der absolute Hauptinhalt meines Lebens.“
Musikalisch ist jedoch eine eindeutige und klare Differenz zwischen Vreid und Windir zu ziehen, so der Bassist.
„Einige Lieder, wie beispielsweise der Song `Hengebjørki` ziehen schon eine leicht zu bemerkende musikalische Parallele zu Windir, doch insgesamt gesehen haben wir uns schon bewusst vom zuvor so typischen Windir-Sound entfernt.“
Wie Hváll anschließend kommentiert, sind auf „Pitch Black Brigade“ fünf Songtitel in englischer und drei in norwegischer Sprache aufgeführt.
„Nichts mit deutschen Worten diesmal, aber wer weiß, was noch kommt? Die neuen Songtexte sind jedenfalls von der brutalen Historie des letzten Jahrhunderts inspiriert, welches gepeinigt war von zwei Weltkriegen und zahllosen totalitären Regimes. Da ereigneten sich schon eine ganze Menge böser Sachen, aus denen sich fesselnde Liederstorys machen lassen.“
Was den dunkelhaarigen Tieftöner in diesem Zusammenhang laut eigenem Bekunden nachhaltig inspirierte, ist beispielsweise der berühmte Versailler Friedens-Vertrag, welcher am 28. Juni 1919 unterzeichnet wurde, am zehnten Januar 1920 in Kraft trat und der formell den Ersten Weltkrieg zwischen dem Deutschen Reich und den Mächten der Entente beendete.
Dieser Vertrag wies allein dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten die Verantwortung für den ersten Weltkrieg zu, machte Deutschlang quasi zum Sündenbock.
„Einfluss auf meine Songtexte nahm auch die Thematik, mit welcher oftmals abartigen Brutalität sowohl Nazis als auch Kommunisten im zweiten Weltkrieg ihre jeweiligen Gefangenen behandelten. Der Text des Songs `Hengebjørki` dreht sich darum, wie eine Nutte mit einem Besatzungs-Soldaten Geschlechtsverkehr hat. Überflüssig zu erwähnen, in welch hohem Maße dieses Treiben viele ihre Landsleute provoziert. Ihr Schicksal endet daher im Song nicht gerade als glückliches Märchen-Happy End. Ich habe mir beispielsweise aber auch massiv darüber Gedanken gemacht, warum und wie sehr nicht wenige Menschen der ehemaligen DDR heutzutage ihre alte Staatsform wiederhaben wollen, entgegen den oftmals verfälschten Berichten der Medien.“
© Markus Eck, 06.02.2006
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