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Interview: VERSENGOLD
Titel: Kurstreue Romantiker

Eine betont emotional auslegte Version der Mittelaltermusik zelebrieren diese fünf Bremer Seefahrerseelen.

Gegründet 2003, reifte der Stil der feinsinnigen Gruppe bis hin zum aktuellen Langspielteller „Auf in den Wind“ jährlich mehr bis zur heutigen Souveränität heran.

Die neue Veröffentlichung bietet allerfeinsten Mittelalter Folk, dessen einprägsame Erscheinung und leuchtende Aura so bislang wohl einzigartig sind im gesamten Genre. Verspielt und verträumt gleichermaßen erschallen die Kompositionen, die Freunden der erfolgreichen Santiano auch nicht wenig munden sollten.

Denn eine dezente raue Note offenbaren Versengold letztlich auch in all den munter-schelmischen Gesängen und teils bissigen Textzeilen, die Frontmann Snorre Snoerkelfrey zum Besten gibt.

„2013 war bei uns ein sehr ereignisreiches Jahr! Wer Versengold bisher verfolgt hat, wird bemerkt haben, dass wir seit der Neubesetzung als Quintett im Jahr 2011 beständig und unermüdlich auf Tour sind, und das auf Märkten, Festivals sowie auch in diversen Clubs. Gleichzeitig veröffentlichen wir nun schon das dritte Album, auf dem wir als Quintett zu hören sind. Wir sind also 2013 – genau wie in den Jahren davor – sehr aktiv gewesen, und werden auch in Zukunft weiter mit all unserer Energie der Leidenschaft für Folk-Musik nachgehen“, legt Geiger und Mandolinist Honza Sturmgemuet dar.

Gitarrist Paule das Brett ergänzt: „Es war wirklich viel los in 2013. Das Jahr ging mit der Veröffentlichung des ,Im Namen des Folkes‘-Albums und der Tour gleich richtig gut los. Später gab es dann tolle Highlights wie das Wacken Open Air oder das Feuertanz Festival bis hin zur „Das schwarze IXI“ Tour mit Saltatio Mortis. Ich glaube so viel wie im letzten Jahr haben wir noch nie gespielt. Aber alles in allem war eine verdammt spaßige Angelegenheit!“

Nachfolgend auf Santiano angesprochen, bemerkt Honza: „Das Thema Seefahrt ist sicher einem breiten Publikum zugänglich und birgt viele Möglichkeiten. Wir haben aber stark darauf Acht gegeben, dieses viel besungene Thema nicht nach ,Schema F‘ abzuarbeiten und mit unserem Sound weiterhin eigenständig und authentisch zu bleiben. Soll heißen: Ja, sicher ist die neue Platte mit ihrem nautischen Bezug auch für Santiano-Hörer interessant. Trotzdem aber trägt die neue Scheibe ganz klar unsere Handschrift. Sound und Lyrik bleiben unverwechselbar. Bislang gab es noch keine Kooperation mit Santiano. Grundsätzlich sind wir aber immer offen für die Zusammenarbeit mit anderen Musikern, und freuen uns über gemeinsame Gigs.“

Und wie Paule im Weiteren bekennt, reizen ihn beim Musizieren mit Versengold vor allem die ganz besonderen Momente bei Konzerten, in denen er eine intensive Stimmung spürt.

„Das ist gar nicht so leicht zu erklären … da entsteht eine Art positive Spannung zwischen dem Publikum und uns auf der Bühne. Das kann zum Beispiel passieren, wenn die Leute andächtig einer Ballade lauschen oder bei einem Instrumental heftig abgehen. Das ist wirklich das Schönste für mich.“

Und die Beteiligten halten auch auf der neuen Veröffentlichung am bekannten Versengold-Stil fest, so Honza:

„Einfallsreiche Texte, schnelle und tanzbare Instrumentalparts, eingängige Refrains. Zwischendurch gibt es auch wieder nachdenkliche Balladen, die sich bei unseren Hörern an großer Beliebtheit erfreuen. Alles in allem würde ich die neue Scheibe aber als weniger ,ungestüm‘ bezeichnen, als die letzte CD ,Im Namen des Folkes‘. Auf mich wirken die Stücke etwas ausgereifter und durchdachter, abwechslungsreicher.“

Ganz sicherlich gibt der Seefahrt-Bereich einiges an Material für Trink- und Feierlieder her, wie der Geiger bejahend nachlegt. „Und, ja, an Lebensfreude mangelt es uns ganz und gar nicht! Trotzdem würde ich diese Aussage nicht 100%ig unterschreiben. Schließlich befinden sich auch zwei eher nachdenkliche, bisweilen sogar etwas gruselige Lieder auf der CD. Der Titelsong ,Auf in den Wind‘ überrascht beispielsweise mit einer beinahe morbiden Stimmung – so ein Geisterschiff ist eben nicht gerade Ausdruck sprudelnder Lebensfreude. Trotzdem ist auf dem Album natürlich auch viel Fröhliches und zeitweise Witziges zu hören; alles in allem eine sehr ausgewogene Mischung.“

Paule hierzu: „Das Besondere für mich an dieser Scheibe ist, dass sie sehr intensiv ist. Und das in vielerlei Hinsicht: Die Balladen sind unglaublich traurig und ergreifend, die Trink- und Feierlieder sehr eingängig und die Instrumentalstücke extrem mitreißend. Das hat schon eine Menge Spaß gemacht, die Stücke auszuarbeiten.“


Die musikalische Zusammenarbeit funktioniert bei diesen Bremern nach wie vor glänzend. Honza freut sich:

„Tatsächlich hat jeder von uns fünfen den Raum, um sich bei Produktionen mit neuen Songideen einzubringen. Das hat auch diesmal wieder super funktioniert. Jeder von uns ist mit seiner ganz persönlichen Songwriter-Handschrift auf dem Album vertreten. Ganz zu schweigen von den hochkarätigen Texten, mit denen Snorre die Band kontinuierlich versorgt. Kleine Reibereien, wie sie in jeder Gruppe auftauchen, bleiben natürlich auch bei uns nicht aus. Die fallen aber insgesamt kaum ins Gewicht.“

Honza glaubt, dass es Versengold gelungen ist, mit selbstgeschriebenen Songs und einem ganz speziellen Folksound aus zwei Fiddles, harten Gitarrenstrummings, Bodhran und mehrstimmigen Gesängen – bis hin zu Snorres markanter Stimme – stilprägend zu bleiben. „Einen vergleichbaren Sound gibt es im deutschen Musikmarkt derzeit nicht. Wer den von uns etablierten Folk mit deutschen Texten sucht, findet ihn auch nur bei uns.“

Honza berichtet auch noch gerne zu den jeweiligen Anteilen der Beteiligten am Kompositionsprozess: „Tatsächlich hält sich das ziemlich die Waage. Unser Fidler Hengest hat zwei wunderbare Reels beigetragen, Paule hat bei ,Meuterey‘ und ,Seemansgarn‘ viel Arbeit geleistet, ,Auf in den Wind‘ und ,Tochter der Weiten‘ kommen hauptsächlich von Snorre. Bei ,Auf die Ebbe‘ konnten unser Bodhrán-Mann Pínto und ich uns einbringen. Natürlich ist jeder von uns bei den einzelnen Stücken auch zusätzlich in die Feinheiten gegangen und hat Arrangement-Arbeit geleistet. Die Neuvertonung von Snorres ,Ich und ein Fass voller Wein‘ ist beispielsweise ein Ergebnis davon.“

Wie viel Zeit das gesamte Songwriting für den neuen Dreher letztlich bei den Musikern in Anspruch nahm, das lässt sich laut Paule schwer sagen.

„Snorre schreibt manchmal mehrere geniale Texte an einem Tag, die können dann natürlich nicht sofort musikalisch umgesetzt werden. Wir hatten eine intensive Phase im Spätsommer, in der wir alle Ideen sortiert und aufbereitet haben. Aber eigentlich ist es fließender Prozess, der niemals pausiert.“

Honza resümiert dazu noch: „Insgesamt haben wir ein Jahr gebraucht, um unsere Ideen zu sammeln und das Ganze in eine Form zu gießen. Dazu hat es mehrere Treffen gebraucht, bei denen wir uns gemeinsam auf Tempi, Abläufe und Instrumentierung geeinigt haben. Traditionell verbringen wir dann noch sehr viel Zeit im Studio, um an den Feinheiten zu schrauben.“

Sind Versengold selbst eigentlich auch so große (See)Romantiker, wie es ihre Stücke durchblicken lassen?

„Da wir allesamt bekennende Nordlichter sind, ist das wohl nicht von der Hand zu weisen! Abgesehen davon hat auch fast jeder von uns irgendeinen persönlichen Bezug zur See: So finden sich bei uns leidenschaftliche Taucher genau wie Kitesurfer oder Segler. Einen von uns hat es gar bis direkt an die Nordseeküste verschlagen – so trudeln in regelmäßigen Abständen Bildergrüße vom Jadebusen bei mir ein. Der Faszination der See können wir uns also von Haus aus nicht entziehen“, informiert Honza grinsend.

Wer sich betreffs des aktuellen Plattentitels „Auf in den Wind“ eine muntere Aufbruchs-Stimmung erwartet, darf sich auf eine Überraschung gefasst machen, stellt der Geiger und Mandolinist klar.

„Denn wir haben es uns ganz klar zum Ziel gemacht, nicht nur die seichte Schunkel-Unterhaltung zu bieten, die man bei diesem Titel vielleicht erwarten mag. Auch wenn der fröhliche und beschwingte Teil auf unserer CD nicht zu kurz kommt, steckt hinter dem Titel eine deutlich düsterere und geheimnisvollere Bedeutung, als sich beim ersten Lesen eröffnet. Denn so schön und verheißungsvoll die See auch ist, sie kann ebenso grausam und gnadenlos sein, Sehnsucht und Trauer auslösen. Das stoische ,Auf in den Wind‘, das die Crew beim Rudern im Akkord ruft, wirkt so auf einmal ganz anders, als man zunächst vermutet.“

Und der Mann ergänzt nach kurzer Redepause:

„Die See wird auf der neuen Scheibe in sehr vielen verschiedenen Facetten behandelt. Über die düstere Seite sprachen wir ja schon, außerdem befassen wir uns mit dem einschlägig bekannten „Seemannsgarn“, Seeungeheuern und anderen aberwitzigen Geschichten der Seefahrt, Meutereien, autoritären Kapitänen, Schiffbruch und schönen Hafendirnen, bis hin zu mystischen Wesen aus der Tiefe des Meeres.“

Man fragt sich: Fahren die Versengold-Kerle eigentlich selbst zur See beziehungsweise haben sie Boote? Honza:

„Ich hätte sehr gern eins, leider gibt das Musikerdasein den Unterhalt eines seetauglichen Segelbootes (noch) nicht her. [lacht] Grundsätzlich bin ich aber sehr gern auf dem Wasser, und spiele schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken, mal bei einem längeren Segeltörn mitzumachen. In meinem Freundeskreis gibt es außerdem einige Nautiker, die von Berufswegen oft für lange Zeit zur See fahren – da hört man natürlich auch so einige Geschichten.“


Paule fällt dazu gerade noch ein, dass die Band vor Jahren mal die (Schnaps)Idee hatte, eine Konzerttour per Schiff zu machen, um dann von Stadt zu Stadt zu segeln und in den Hafenstädten Konzerte zu geben. Lachend berichtet er:

„Das haben wir aber zum Glück schnell wieder verworfen. Aber zu deiner Frage: Nein, ich habe kein Boot, ich bevorzuge die Ufernähe, wie zum Beispiel im Watt.“



Hengest wiederum fügt dem Gesagten an: „Ich wohne zwar direkt an der Nordsee, aber ein eigenes Boot ist noch nicht in Sicht. Dafür aber jeden Tag den Anblick von Ebbe und Flut. Und das will ich nicht missen.“

Paule freut sich nun erstmal auf die „Auf in den Wind“-Tour und hofft, dass es mit Versengold auch 2014 ebenso gut voran geht wie schon letztes Jahr. „Wir haben uns dieses Jahr einiges vorgenommen und haben noch lange nicht genug.“

Auch Honza hofft, wie er offenbart, dass Versengold mit der neuen CD auch weiterhin viele Menschen erreichen und erfreuen können. „Und dass unsere Fans und Hörer uns weiterhin ermöglichen, unseren Traum zu verwirklichen, als Musiker von unserer Kunst leben zu können.“

© Markus Eck, 05.02.2014

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