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Interview: TOTENMOND
Titel: Ausgeprägter Hang zum Krach

Anfänglich noch als reine Punk-Band am Lärmen, entwickelte sich der beinhart brachiale Metal Core-Sound dieser grollend zürnenden Schwaben über die Jahre zu einer granitharten Mischung aus tonnenschweren Gitarrenläufen und unterwerfender Versklavungs-Rhythmik. Diverse Doom-Elemente fügten sich von Anfang an mit Beharrlichkeit ein. Den Anfang machte das 1996er Debütalbum „Lichtbringer“, welches die aggressiven Ambitionen von Totenmond schon hervorragend auf den Punkt brachte.

Auf mit bewusst provozierendem Kalkül kreierte Songtitel wie „Tod Ist Freude“, „Vaterland“, „Kellerstahl“ und „Kreuznagel“ konnte sich jeder selbst seinen Reim machen, der mit der Band in Berührung kam. Mit der nachfolgenden EP „Väterchen Frost“ verdeutlichte sich dann der Eindruck, dass man es bei Totenmond mit einer der intensivsten und extremsten deutschsprachigen Truppen zu tun hat. Mit einer Band also, die auch vor Crustcore-Querverweisen nicht zurückschreckt, wenn es darum geht, immens hart zu klingen. Das aufwühlende Gefühl, welches diese wie auch die nachfolgenden Veröffentlichungen im Innern ihrer Hörer erzeugen, könnte beklemmender nicht mehr sein.

Keinesfalls also leichtverdauliche Musik für manisch fröhliche und vom Leben verwöhnte Schöngeister.

Die bitterböse und nihilistisch erscheinende lyrische Botschaft, welche hier daneben verbreitet wird, mutete vom Beginn weg an wie pure Provokation, und sie passte auch hervorragend zu den erzeugten Hammerschlagklängen. Doch dahinter steckte stets auch der entschlossene Wille, etwas Tiefgründiges mitzuteilen.

Das letzte Album aus dem Jahr 2001, „Auf dem Mond ein Feuer“, liegt ja schon einige Zeit zurück. Darauf wüteten mit Pazzer, S.P. Senz und R. Garcia wieder drei betont gesellschaftskritische Extremkünstler, die sich zu keiner Zeit scheuen, soziale – mitunter auch pikante – Missstände anzuprangern.

In der Zwischenzeit haben Totenmond nicht nur einen neuen Tieftöner namens Senf dazu bekommen, wie mir der gewohnt wortkarge Trommel-Taktgeber S.P. Senz eingangs mitteilt. „Wir sind auch noch wieder eine Ecke älter geworden und uns kümmert das ganze Business somit einen noch größeren Dreck als es je zuvor der Fall war.“

Die Glaubwürdigkeit dieses stark autark anmutenden Statements liegt auf der Hand. Die zahlreichen Fans der donnernd aufspielenden Schwabenschwadron können sich jedoch neben dem neuen Album noch über mehr freuen, denn laut S.P. Senz zocken Totenmond wieder deutlich mehr Shows.

„Wir waren beispielsweise beim 2003er With Full Force-Festival auf der Hauptbühne und ich muss wirklich sagen – es hat ordentlich gerockt! 15.000 total verstrahlte Maniacs gingen während unseres Gigs ab wie Else Kling von der Lindenstraße beim Treppenputzen“, macht der schlagfertige Schlagzeuger einen satirischen Vergleich zu erwähntem Konzertgeschehen.

Mich interessiert doch sehr, wie die Jünger des Totenmondes das letzte Album „Auf dem Mond ein Feuer“ aufgenommen haben.

Die diesbezügliche Antwort schwappt mir ebenso prompt wie kaltschnäuzig herüber:

„Das musst Du sie schon selbst fragen“, raunzt er und hängt an:

„Wir hatten schon immer Coversongs in unserem Programm, darum war diese Angelegenheit für uns überhaupt keine große Sache. Das berühmte Stück `Macht kaputt was euch kaputt macht` von der Band Ton Steine Scherben spielen wir beispielsweise ungefähr schon seit sieben bis acht Jahren. Es war an der Zeit. Wir mussten diesen ganzen unzähligen Pseudopunks und `Möchtegern-Hardcore-Ärschen` einfach endlich mal aufzeigen, was wirklicher Krach bedeutet und wie er sich wirklich anhört.“

Ihr doch sehr differenzierter Musizierstil entstand bei Totenmond über die Jahre auf ganz natürliche und unverkrampfte Art und Weise, wie der Drummer mir nun wie bereits gewohnt in lässiger Gesprächsmanier berichtet. „Die Punk-Schlagseite in unserem Sound kommt davon, dass wir früher unsere Instrumente nicht spielen konnten. Der Lärmfaktor jedoch kommt von einschlägigen Bands wie Eisenvater, Neurosis und Konsorten. Dazu gibt es bei Totenmond noch eine ordentliche Prise Einstürzende Neubauten und Laibach. Das alles zusammen gemischt ergibt eben Totenmond“, stellt er energisch fest.

Laut dem immerzu aufmüpfigen Charaktermenschen S.P. Senz ist „Unter Knochen“ bis jetzt sicherlich das heftigste Album in der musikalischen Historie von Totenmond. Für die Zweifler wird diese gemachte Einschätzung extra noch zusätzlich bekräftigt:

„Und wenn ich das sage, dann kann man mir das auch glauben. Wir gehören garantiert nicht zu den `Unser nächstes Album ist das Härteste was wir je gemacht haben`-Wichsern, die dann letztendlich doch nur wieder VIVA-kompatible Weichspülerscheiße abliefern. Wir treten Ärsche! Extrem viel Grindcore, extrem viel Doomcore, extrem viel Punkcore, extrem viel Hasstext, extrem viel Herzblut. Das sind die musikalischen Mottos, die uns nach vorne treiben.“

Meine aus diesem Zusammenhang heraus formulierte Frage, in welcher Gemütsstimmung die neuen Lieder für „Unter Knochen“ wohl komponiert wurden, findet er komplett überflüssig. Sie wird von ihm daher recht zynisch und mit einigem Sarkasmus veräppelt. „Mit viel Liebe im Herzen, einer Sonnenblume im Haar, die Vöglein zwitscherten und ein Häschen hoppelte am Fenster vorbei, als gerade dutzende von Groupies durchgerattert wurden. Das hört man doch wohl, oder? So entstanden bis jetzt alle Songs von Totenmond.“

Selbstverständlich, das war doch klar. Als es nachfolgend an eventuelle Einflüsse, gleich jedweder Art, ging, komme ich als neugieriger Fragesteller auch nicht viel besser weg. „Über die Stufe sind wir schon lange hinaus. Wir beeinflussen und lassen uns nicht mehr beeinflussen.“ Wie der nicht nur im Gespräch, sondern auch körperlich kernige Schwabe mir dann im Weiteren erzählt, wollten Totenmond mit den aktuellen Songs auf „Unter Knochen“ hauptsächlich und in erster Linie ihren ausgeprägten Hang zu allerlei Krach reflektieren.

Frontbrüller Pazzer hat dieses Mal die meisten Songtexte verfasst, informiert mich S.P. Senz. „Über seine jeweilige mentale Stimmung während des Textens an sich kann ich aber gar nichts sagen.“ Wie aufschlussreich. Wäre ja auch zu schön gewesen, das zu erfahren.

Und laut meinem Interviewpartner soll jeder Hörer genau das aus den Texten von Totenmond herausinterpretieren, was er hören kann und will. Mit expliziteren Details beziehungsweise einem oder besser mehreren signifikanten Hinweisen auf einen etwaigen lyrischen roten Faden wird daher leider auch hier nicht herausgerückt. „Darauf haben wir noch nie geantwortet und ich werde es auch jetzt gewiss nicht anfangen.“ Hier braucht man dann auch gar nicht erst nachzuhaken, das war mir eindeutig klar.

Selbst meine zum Ende unseres Ferndialoges hin geäußerte Anmerkung auf das ewige Thema Musikpublikum wird in Bezugnahme zum neuen Album wieder mit der sprichwörtlichen Portion schnippischen Humors gekontert. S.P. Senz verkündet: „Alte Säcke die auf Krach stehen, junge Säcke die auf Krach stehen und natürlich alle Jungfrauen und Nonnen der Welt.“ Zukunftspläne? „Weiterleben und nicht durchdrehen.“ Sollte auch kein Problem sein.

© Markus Eck, 15.01.2004

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