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Interview: SARUMAN
Titel: Depressionsgetränkte Düsternis

Ihr in Eigenregie veröffentlichtes Debütalbum „Ride On The Darkside” lief nach Erhalt bei mir rauf und runter. Saruman bestehen aus Sänger Stefan alias Mosh, Kesselwart und Tastenmann Beni sowie Saitenquäler Jo mitsamt Cellistin Toja.

Der von der Band gespielte Black Death Metal-Mix aus der destruktiven Wucht von Bolt Thrower, der verkommenen Räudigkeit von At The Gates sowie der schwelgenden Anmut von My Dying Bride bleibt schnell in geneigten Gehörgängen hängen. So ist „Ride On The Darkside” eine empfehlenswerte Angelegenheit für alle nordisch orientierten Fans, die es mitunter aber auch gern britisch beeinflusst mögen.

Saruman-Kehlkopfschurke Mosh verfügt nicht nur über einen signifikant ausgearbeiteten Growl, sondern legt mitunter auch ein der Stimmung zweckdienliches Schwarzmetall-Gekeife an den Tag beziehungsweise die Nacht. Zudem weist der äußerst variabel agierende Grabsänger auch eine erfreulich offene Welt- und vor allem Musiksicht auf, wie er mir im nachfolgenden Dunkeldialog offenbarte.

„Saruman existieren jetzt seit circa Mitte 1999. Vormals hieß unsere Truppe noch Hominis Nocturna. Aber da sich das kein Schwein merken konnte, haben wir uns vor der CD-Produktion in Saruman umbenannt. Tobi und ich sind große Tolkien-Fans. Da wir auf der Suche nach einem einprägsamen Bandnamen waren, sind wir recht schnell auf Saruman gekommen. Böser Sound und ein böser Mistkerl als Pate: Passt doch ganz gut, oder?“

Angefangen hat wie schon so oft eigentlich alles mit ein paar Sessions im Proberaum:

„Da hat unser Drummer noch Gitarre gespielt und unser alter Knüppelschwinger war dermaßen `zuverlässig`, dass wir irgendwann die Schnauze voll hatten und der Beni sich dann selbst hinter der Schießbude versucht hat. Einen normalen Takt konnte der am Anfang gar nicht halten – aber Hauptsache Blast Beats! Er hatte vorher noch nie Schlagzeug gespielt und verbesserte sich in einem Wahnsinnstempo, so dass wir schon nach einen Jahr einen wirklich guten Drummer hatten. Ab diesem Zeitpunkt konnten wir dann auch etwas ernsthafter an die Sache rangehen und so kamen dann Bass und Cello dazu.“

Der Vokalist ist einer der wirklich waschechten Anhänger des Metal, da gibt es keinen Zweifel: „Ich fröne schon seit fast 20 Jahren dem Metalfieber. Vorher kannte ich nur den Schrott aus dem Radio. Bis ich zum ersten Mal Led Zeppelin´s `Stairway To Heaven` und Gary Moore´s `Out In The Fields` hörte. Dann kam noch ein Kumpel mit einer Van Halen-Scheibe und dann war es passiert. Schnell folgten Slayer, Metallica etc. Nach und nach tendierten meine Vorlieben immer mehr in die härtesten Ecken des Genres. Heutzutage liebe ich den ganzen Skandinavienkram. Kein Wunder, dass die besten Bands aus der Region kommen. Ein Dreivierteljahr Winter und dann der Alk schweineteuer, da verliert man sich in Melancholie und Aggression. Die einzige britische Truppe, die uns inspiriert, ist Bolt Thrower. Deren Brachialität ist beeindruckend.“

Die Geschmäcker innerhalb der Band sind jedoch ziemlich verschieden, und so standen neben den genannten britischen Bolzenschützen eine ganze Menge an Acts Pate für die Stilistik von Saruman: wie Mosh berichtet: „Unser Bassist Tobi fährt so auf die Melodic-Ecke á la Blind Guardian ab. Beni und Jo auf jede Art von High Speed-Gebolze und Cellistin Toja hört gar keinen Metal. Kann mit dem Krach irgendwie nix anfangen. Eigentlich seltsam, dass sie bei uns spielt. Meine Wenigkeit zieht sich so ziemlich alles in der härteren Gangart rein. Nur so eine Scheiße wie Hammerfall oder generell Bands mit Typen, die singen, als wenn man meiner Oma einen Zahn zieht, finde ich voll zum Kotzen. Viele Parts unserer Songs sind daher einfach durch Jammen entstanden. Zwei neue Songs sind gerade in Arbeit, aber das nächste Album liegt noch in der Ferne. Vielleicht im Herbst 2003. Wir sind schon manchmal ziemlich faule Säcke und deswegen zieht sich bei uns immer alles in die Länge. Die neuen Stücke wurden allerdings von unserem Gitaristen und der Cellistin ausgearbeitet und uns nach Vollendung zur allgemeinen Weiterbearbeitung vor den Latz geknallt. Wir gehen eigentlich nie an einen Song heran und legen uns fest, was wir damit ausdrücken wollen. Wir machen das alles aus dem Bauch heraus.“

Seine hörenswert abwechslungsreiche Gesangsarbeit eignete er sich über viele Jahre an, besonders die Anfänge sind mir hier eine Erwähnung wert. Mosh: „Ich grunze mir jetzt schon seit circa zehn Jahren in diversen Projekten einen ab. Wirklich ernst zu nehmen waren bis jetzt nur zwei Truppen. Zum einen Internal Decay aus München und Saruman. Mit der `Singerei` hat es allerdings schon mit zwölf angefangen. Ich musste immer einen ziemlich langen Weg mit dem Fahrrad durch den Wald fahren. Walkman auf und mitgegröhlt. Möchte nicht wissen, wie viele Förster noch heute tot im Wald liegen, weil da einer schreiend in der Nacht spazieren gefahren ist.“

Ich kann es mir lebhaft vorstellen. Vom ersten Höreindruck an imponierte mir das hingebungsvoll entrückt wirkende Spiel von Toja auf „Ride On The Darkside”. Auch Mosh weiß diese Zusammenarbeit sehr zu schätzen. „Das war anfangs ein Riesenkrampf. Wir haben diverse Klassik-Fuzzis getestet, aber jeder wollte Noten, hatte kein Gespür für die Mucke und auch keine eigenen Ideen. Wir waren vor zwei Jahren an einen Punkt angekommen, da hatte ich keinen Bock mehr. Nix ging voran und wir schwammen in der allgemeinen Death Metal-Belanglosigkeit mit. Doch plötzlich waren meine Jungs wieder Feuer und Flamme. Es gäbe einen neuen Song mit einer Cellistin! Toja ist der Hammer. Keine Ahnung von Metal, setzt sich hin und schüttelt sich Melodien aus dem Ärmel, dass uns die Spucke wegblieb. So entstand der Track `Take The Razorblade` und mit ihm ein ganz neues Bandgefühl.“

Den Text dieser Kompositionen musste er mir näher erläutern. Aufforderung zum Suizid? „Auf keinen Fall. Okay, wenn sich einer umbringen will, soll er das von mir aus ruhig machen. Allerdings sollte er bedenken, was er seinen Angehörigen/Freunden damit antut. Ich finde es einfach nur feige. Es gibt immer irgendeinen Ausweg. Wenn man todkrank ist, keine Aussicht auf Heilung hat und nur noch Schmerzen dann ist es bestimmt eine Lösung. Also wenn ich mal nur noch ein sabbernder Lappen bin, nix mehr bewegen kann und nur noch von Maschinen am Leben gehalten werde, dann zieht bitte den Stecker raus. Der Text bezieht sich eigentlich auf eine Ex-Freundin. Sie hat es als Liebeslied gesehen. Gut, dass ich ihr nie die Texte gegeben habe!“

Bleiben wir doch gleich bei den Lyrics; diese werden ausschließlich von ihm selbst verfasst, wie ich von dem Sänger erfuhr. „Da haben die anderen bei uns auch keinen Bock drauf. Inhaltlich ist alles sehr depressiv und düster. Sie sind größtenteils sehr persönlich und entstehen meistens recht kurzfristig und aus dem Bauch heraus. Bislang haben wir allerdings noch keine neuen Lyrics auf Lager. Unser Bassist bastelt gerade an ein paar Tolkien-Texten. Aber das wird bestimmt nicht der Hauptbestandteil werden. Mir sind die Texte auch nicht so wichtig, eher die Artikulierung. Versteht doch sowieso keine Sau, was ich da singe. Auf einigen Konzerten hatte ich für manche Songs noch gar keine Texte. Da hab ich dann Obituary-mäßig improvisiert und keiner hat was gespannt.“

Die bestialische Gesangsart des Death Metal verlangt auch von Mosh höchste Vokalleistungen. Death Metal: Die Musik, die den Tod verherrlicht, ja glorifiziert. Was versteht eine ausgeprägte Persönlichkeit und ein ergebener Anhänger des Metiers wie er darunter? „Diese Sparte ist ja schon extrem weit gefächert. Schau dir Death und Cannibal Corpse an. Machen beide Death Metal und sind doch völlig verschieden. Death Metal ist einfach ein Monster, dass dir dein Genick brechen will und alles zermalmt. Es bietet extrem viel Spielraum und ist nicht so limitiert wie Black Metal. Der Gesang ist natürlich auch ausschlaggebend. Der muss natürlich die gleiche Power haben. Die Schöpfer des Namens und die Urheber sind wohl Possessed. Schade, dass es die nicht mehr gibt.“

Als ich auf den Albumtitel „Ride On The Darkside” zu sprechen kam, fingen die Augen meines Interviewpartners an zu leuchten wie Halogenscheinwerfer. „Der Titel reflektiert meine Faszination an der Dunkelheit. Der mollige Schauer, der einem über den Rücken fährt, wenn man sich einen guten Horrorfilm reinzieht. Er passt sehr gut zum Cover und lässt einige Fragen offen. Es ist auch ehrlich gesagt ein bisschen Klischeehaft und passt gut zum Sound.“ Blieb noch, nach der Bedeutung des ungewöhnlichen Albumcovers zu fragen. Mosh hält sich hier jedoch bedeckt: „Das wird nicht verraten. Habe bis jetzt bestimmt schon 20 verschiedene Interpretationen gehört, was das angeblich sein soll. Auf die richtige Lösung ist bis jetzt noch keiner gekommen. Optisch gesehen passt es sehr gut zu unserer Mucke und lässt viel Raum für Spekulationen. Also viel Spaß beim Raten.“

Trotz aller geäußerten melancholiegetränkten Grimmigkeit sind Saruman laut Mosh eigentlich eine „lustige Truppe.“ Das merkt man seiner Aussage nach auch live: „Eigenbrötlerisches Düstertum ist gar nicht unser Fall. Die Musik ist ein gutes Ventil um sich abzureagieren. Weil wir sehr düstere Songs schreiben, kommt bei den Leuten das vermittelte Gefühl so herüber, als würden wir den ganzen Tag in einem dunklen Keller sitzen, Kreuze umdrehen und Katzen foltern. Das wäre natürlich ein geiles Klischee, stimmt aber nicht! Wir wollen den Leuten richtig eine verbraten. Live-Konzerte sollen doch Spaß machen. Bierernst rum stehen und den bösen Metaller mimen, ist nicht unser Ding. Wir geben alles und spielen uns den Arsch ab. Zieht es euch einfach mal rein!“

Doch das Publikum ist dem Shouter egal: „Wir haben sogar Leute aus dem Techno- und Pop-Bereich als Fans. Die fahren voll ab auf unseren Sound. Es soll ihnen gefallen. Mir ist es daher auch scheißegal, ob sie zu Hause Michael Jackson- oder Burzum-Platten im Schrank stehen haben. Dieses kleinkarierte Denken in der Metal-Szene ist manchmal echt zum Kotzen: Dimmu und Cradle wäre nur was für Weicheier, etc, etc. Die Musik ist doch das Einzige was zählt. Man merkt doch einfach, ob eine Band was drauf hat oder nicht. Die Richtung, ob nun Black-, Death-, Thrash- oder Heavy Metal usw. ist doch total egal. Was gefällt, gefällt. Und was für den Arsch ist, ist für den Arsch. Je nach Geschmack!“

Eine durchweg rationale Einstellung, unter die ich meine Unterschrift setzen würde. Die Chancen auf breiten Erfolg ohne Manager und ein vernünftiges Label sind seiner Meinung nach komplett für den Arsch. „Ohne Vitamin B geht gar nichts. Es ist sehr schwierig, hier an einen Deal ranzukommen. Aber egal. Es macht uns saumäßig Spaß zu spielen und neue Songs zu kreieren. Ich mache mir keine Hoffnungen, mit der Band mal richtig Kohle zu verdienen. Ist mir auch Wurst.“

Abschließend noch Mosh's letzte Worte, die einem ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern: „Wir würden gerne mal als Vorband für eine richtig große spielen. Ach ja, eine goldene Schallplatte, den Arsch voller Groupies, einen Deal bei Universal Musik, danach nie mehr arbeiten müssen und vor allem: Nicht allzu ernst genommen zu werden!“

© Markus Eck, 25.01.2003

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