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Interview: MY DARKEST HATE
Titel: Hass und Rachsucht

Es gibt immer wieder Neuveröffentlichungen, bei denen sollte eigentlich ein Sicherheitsgurt für die Ohren mitgeliefert werden. Dazu zählt zweifelsohne auch der zweite Albumrelease der schwäbischen Schwerstmetallpriester My Darkest Hate.

Hauptinitiator und Saitenfolterknecht Jörg M. Knittel dürfte den meisten bereits von Sacred Steel her bekannt sein, hier lebt der Gitarrist seine lodernde Passion für bleiernes Todesmetall hemmungslos aus. Schon das dem 1998er Demo „Blood Pounding Black“ folgende 2000er Debütalbum „Massive Brutality“ enthielt selbige in begeisternder musikalischer Ausführung.

Schnell offenbarten My Darkest Hate darauf ihren Hörern auffallend eigenständige Todesstilistik, welche auch das neue und sehr gut gelungene Album „To Whom It May Concern“ füllt. Das herrlich spürbar von der Berechtigung seines Schaffens überzeugte Quintett überrascht auf seiner zweiten Langattacke mit einer verschwenderischen Vielzahl an bisher so nicht gehörten Rhythmuskunststücken, welche voll von pulsierendem Eigenleben scheinen.

Zusammen mit Sacred Steel-Gitarrenquäler Oliver Grosshans, Primal Fear-Schlagzeuger Klaus Sperling sowie Donnergroller Chris Simper und Tieftöner Oliver Schort hat Jörg mit „To Whom It May Concern“ also erneut ganze Sache gemacht.

„Am Anfang habe ich mit einem Drum-Computer herumexperimentiert und sogar versucht mit Harmonizer dazu zu singen. Es entstanden so immer mehr Riffs und Ideen und auch der Wunsch das Ganze als richtige Band aufzuziehen wurde immer größer“, beginnt Jörg den Dialog.

Anschließend resümiert er weiter: „Es hat dann allerdings doch ziemlich lange gedauert. Zum einen war es mir wichtig die richtigen Leute zu finden, welche sowohl musikalisch als auch menschlich zu mir passen und zum anderen hatte und habe ich ja auch immer andere Bands am Start welche natürlich auch viel Zeit in Anspruch nehmen. Wann die Gruppe nun gegründet wurde, lässt sich nicht genau datieren, da die Idee hierzu eben schon seit zehn Jahren in mir reift. Richtig Gestalt hat das Ganze dann angenommen, als ich den René von Azmodan [sehr guter Melodic Black Metal; A.d.A.] kennen lernte mit dem ich mich auf Anhieb sehr gut verstand und der auch die richtige Stimme hatte um meine Ideen umzusetzen. 1998 haben wir dann das Demo `Blood Pounding Black` zusammen aufgenommen, dies war praktisch das erste offizielle Lebenszeichen.“

Der Mann hat wie der Rest der Band alles im stahlharten Griff. Dass einige Members von My Darkest Hate auch noch in anderen Bands aktiv sind, stellt nach wie vor kein Problem dar, wie ich erfahre. „Manchmal ist es wirklich nicht ganz einfach alles unter einen Hut zu bringen und es bedarf schon guter Planung, aber bislang gab es noch keine größeren Probleme.“

Jörg stellt nachfolgend klar: „Ich persönlich muss niemand um Erlaubnis fragen oder überzeugen – ich mache immer das was ich möchte. Ich habe jedoch sowohl von Sacred Steel als auch von Primal Fear noch nie etwas Negatives gehört – ganz im Gegenteil. Es gibt ja bei beiden Bands auch weitere Musiker die noch andere musikalische Aktivitäten haben.“

Bleiben dem Gitarristen seine Power Metal-Passionen erhalten, auch wenn er jetzt mit My Darkest Hate unerwartet großen Erfolg im Todesstahllager haben sollte? Keine Gefahr:

„Mit Erfolg hat das nichts zu tun. Solange ich an Sacred Steel und auch an meiner Doom Metal-Band Dawn Of Winter Freude und Ideen habe wird es diese Bands auch weiter geben – egal wie erfolgreich My Darkest Hate werden. Wenn ich nur um Erfolg zu haben Musik machen würde, müsste ich eh einen komplett anderen Sound machen.“

Shouter Chris Simper hatte keine Mühe, von den grausam musizierenden Schwaben rekrutiert zu werden, wie Jörg mitteilt. „Wir sind durch gemeinsame Bekannte auf ihn aufmerksam gemacht worden. Es hatte sich recht schnell rumgesprochen, dass wir einen neuen Sänger suchen und so bekamen wir den Tipp doch auf jeden Fall den Chris anzutesten. Dies taten wir dann auch und schon nach der ersten Probe war eigentlich klar, dass er unser Mann ist. Er setzt seinen Gesang sehr flexibel ein was den Songs auch noch ein wenig mehr Abwechslung gibt und optimal dazu passt.“

Der erbaulicher Weise völlig individuell gehaltene musikalische Stil von My Darkest Hate präsentiert sich trotz aller vordergründigen Härte stellenweise rhythmisch recht interessant akzentuiert. Jörg freut sich zusammen mit mir:

„Zunächst vielen Dank für das Kompliment. Unter welchen Einflüssen das zustande kommt lässt sich schwer beantworten. Wir versuchen einfach unsere eigene kleine Nische zu finden und möglichst niemand dabei zu kopieren. Es ist auch immer ganz interessant Neues auszuprobieren, wie zum Beispiel bei dem Song `Fallen From Grace`, wo wir zu einem Blastbeat ein extrem doomiges Gitarrenriff spielen. Solche Gegensätze finde ich sehr reizvoll.“ Nicht nur er.

Auch „To Whom It May Concern“ bietet knackigen Death Metal von höchst rabiater Klanganmut.

Was versteht Jörg denn darunter in ideeller Hinsicht? Ich frage, weil diese Bezeichnung doch mittlerweile nur noch sehr selten genauer unter die Lupe genommen wird und sich eigentlich keiner mehr mit der wahren Bedeutung und Herkunft dieser Stiltitulierung befasst.

„Wir spielen zwar Death Metal, dennoch sehe ich darin keine tiefere ideologische Bedeutung. Ich habe mich zwar schon intensiv mit dem Thema Tod auseinandergesetzt, allerdings hat das weniger mit meiner Einstellung gegenüber dieser Musikrichtung zu tun.“

Meinen Anmerkungen über heutige Death Metal-Szene fügt er bei:

„Die Szene ist sehr aktiv und es gibt wieder etliche geile Bands. Wie viel sie mit den ursprünglichen Idealen gemein hat, kann ich nicht beantworten. Wobei eh die Frage ist, welche Ideale das waren. Meiner Meinung nach sollte man das nicht überbewerten. Death Metal ist für mich in erster Linie die beste Möglichkeit meine musikalischen Ideen zu verwirklichen. Ich gehöre nicht unbedingt zu den Leuten die immer jammern, dass früher alles besser war. Und selbst, wenn dies dann einmal doch sein sollte, dann gilt: Man muss nach vorne schauen und versuchen das Beste aus seinem Leben zu machen.“

Meine Frage, worauf es ihm beim Death Metal in erster Linie ankommt, wird mit einem (richtigen) Wort erwidert: „Aggressivität“.

Dann gilt es der Bedeutung des Bandnamens auf den Grund zu gehen. Jörg bekennt:

„Den Bandnamen habe ich sehr bewusst gewählt. Die Band My Darkest Hate ist in der Tat eine Art Ventil für mich um meiner hasserfüllten Seite Ausdruck zu geben. Ich kann mit der Musik und in manchen Texten ziemlich viel Dampf ablassen, den ich früher in anderer Form ausgedrückt habe. Ich bin ziemlich jähzornig, sehr nachtragend und allgemein kein großer Menschenfreund, weshalb auch einige Leute ihre Probleme mit mir haben.“

Beste Vorraussetzungen also für die bei My Darkest Hate favorisierte Stilistik. Und gegen wen oder was richtet sich denn beispielsweise sein dunkelster Hass?

„Gegen alles mögliche. Gegen Gott, an den ich einmal geglaubt habe, gegen bestimmte Personen, gegen Dummheit. Mein Hass beschränkt sich nicht auf eine bestimmte Sache.“ Hass, er ist also die ideelle Triebfeder bei My Darkest Hate? „Das kann man so sagen.“

An bestimmte Todestruppen hält er sich nicht so streng, wenn die Frage nach beeinflussenden Bands fällt. „Direkt eigentlich keine, da ich versuche möglichst eigenständig zu klingen auch wenn dies in dieser Stilrichtung nur schwer möglich ist. Indirekt hört man natürlich welche Bands ich zu meinen Faves zähle – dies sind neben Slayer sicherlich Vader, Celtic Frost und natürlich auch Bolt Thrower und frühe Six Feet Under. Ich habe auch ein großes Faible für diverse Industrial Bands wie Laibach, Lard oder Godflesh. Dies hört man vielleicht nicht heraus, es könnte aber eventuell zukünftig ein wenig mehr Einfluss auf das Songwriting nehmen.“

Keine Frage: „Trotzdem wird es natürlich immer Death Metal bleiben. Ich habe beim neuen Album, bis auf `Brain Dead` natürlich, alle Songs und Texte geschrieben. Musikalisch versuche ich mich nicht zu sehr von Bands beeinflussen zu lassen sondern versuche meine eigenen Visionen umzusetzen. Textlich gibt das Leben Inspiration genug, allerdings gibt es auch manche Filme und Berichte welche ich in Geschichten verarbeite. Die Idee zu dem Song `Built By Gods` hatte ich zum Beispiel durch den Film `AI`. Manche Texte sind sehr persönlich, andere wiederum wurden durch Filme oder Dokumentationen inspiriert. Ein lyrischer roter Faden existiert bei My Darkest Hate eigentlich nicht. Das erste Album hat sich zum Beispiel primär mit dem Thema Krieg auseinandergesetzt, war jedoch kein Konzeptalbum und auf `To Whom It May Concern` behandeln einige Songs die Themen Todesstrafe und Selbstjustiz. Wie schon erwähnt sind Hass und Rachsucht auch auf dem neuen Album sicherlich wieder die treibenden Emotionen.“

Live versuchen die Fünf das Ganze möglichst intensiv und professionell umzusetzen: „Bislang war noch niemand enttäuscht. Ich finde es langweilig wenn Musiker nur auf der Bühne stehen und auf ihr Griffbrett starren. Die Aggression muss transportiert werden. Wir möchten Anfang des Jahres gerne auf Tour gehen, da unser Sound hierfür prädestiniert ist und es zudem tierisch Spaß macht. Danach geht es dann an das Songwriting für das dritte Album und wir wollen auch versuchen das ein oder andere Festival wieder mitzunehmen.“

© Markus Eck, 22.10.2002

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