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Interview: MANTAR
Titel: Destruktive Ausrichtung

Ihr archaisch stinkendes Groove-Gebräu aus dominant aufgetürmten Doom- und Black Metal-Elementen, coolem Sludge-Sound und rotzigem Punk hat es heftig in sich.

Mantar, türkisch für ,Pilz‘, ließen diese schwer verdauliche Giftbrühe bereits mit dem Debütalbum „Death By Burning“ 2014 derbe und pechschwarz aus den Boxen spritzen.

Endlos abgründig, hungrig verschlingend und faszinierend beängstigend erbebt jetzt der mörderische Nachfolger „Ode To The Flame“ über alle Poser.

Sänger und Gitarrist Hanno Klänhardt sowie Drummer Erinç Sakarya halten eben stoisch an ihrer bewährten Linie fest. Die beiden hanseatischen Selfmade-Puristen setzen seit der 2012er Gründung mit Erfolg auf effiziente Schnörkellosigkeit.

„Das Songwriting für die neue Platte war nur ein Teil von einem sehr vollen und ereignisreichen Jahr. Das meiste Zeug haben wir während des letzten Sommers geschrieben. Zwischen den Festivals, auf den wir im Sommer lange unterwegs waren. Ansonsten waren wir vor allem auf Tour. Zwei mal Europa und zweimal USA. 2015 war für uns ein gutes und wichtiges Jahr würde ich sagen“, resümiert Hanno in aller Gelassenheit.

Der 2014er Albumvorgänger „Death By Burning“ war offenbar mächtig erfolgreich, sodass Mantar nun bei einem der größten Metal-Labels landen konnten.

Oder haben die neuen Nummern des Duos die dortigen Herren Siry und Staiger einfach umgeblasen?

„Mit Nummern meinst du Zahlen? Mit Zahlen meinst du Geld? Vergiss es. Es wäre zu einfach und zu kurz gedacht sich von ein paar Euros blenden zu lassen. Glaub‘ mir, die fetten Jahre sind vorbei. Heutzutage geht es darum einen guten und verlässlichen Partner zu haben. Für uns ist Insbesondere wichtig, dass man uns so weit wie möglich in Ruhe lässt. Wir machen unser Ding gerne im Alleingang und Blast stellt es dann in die Läden. Das klappt bisher recht gut. Der Deal war einfach fair und die Arroganz mit der einem sogenannte ,reale‘ und ,authentische‘ Undergroundlabels gegenübertreten ist mir oft zu lächerlich. Ich bin zu alt für diese ganze aufgesetzte Möchtegern-Kultscheiße. Wir waren als Band extrem fleißig, haben uns den Arsch abgespielt und haben 99 % unseres Schaffens im Alleingang realisiert. So etwas mögen Labels. Glaub‘ mir, nicht nur Nuclear Blast. Wir waren in der sehr vorteilhaften Situation, uns das Label aussuchen zu können. Ein Label ist für uns in erster Linie ein Schritt Richtung einer besseren Infrastruktur. Es ist für uns nicht identitätsstiftend. Sorry.“

Der ganz spezielle Sound der neuen Mantar-Scheibe knallt ebenso roh wie räudig und verkommen in die Lauscher. „Danke für die Blumen. Ich freue mich, dass es dir gefällt. Das Geheimnis liegt darin, so simpel und einfach wie möglich zu arbeiten. Wir haben wieder ohne Produzenten gearbeitet und haben den Großteil der Platte dort aufgenommen, wo wir auch proben. Ich denke man muss ein bisschen sein Handwerk verstehen. Wir haben die Platte exakt mit demselben Equipment eingespielt, mit dem wir auch im Proberaum oder auf Tour spielen. Einfach Mikrofone davor und jemanden der sich auskennt. Das ist unser guter Freund Timo Höcke aus Hamburg, der auch schon für die erste Platte an den Reglern saß. Man sollte zusehen, sich nicht von zu vielen Möglichkeiten täuschen zu lassen. Man verrennt sich nur leichter und vergisst seine Mission und verliert den Fokus. Und der war klar gesetzt und genau wie von dir beschrieben: Roh, räudig und verkommen. Man sollte vorher wissen was man will.“

Die Frage, ob die zwei Mantar-Männer denn selbst eigentlich auch so räudige und krasse Kerle sind wie ihre Musik, wird ebenso kurz wie knochentrocken kommentiert.

Hanno dazu ganz lapidar: „Eigentlich schon.“

Der Frontmann ist der Überzeugung, dass die Leute, denen das Debütalbum bereits gefiel, auch die ,Neue‘ schätzen lernen werden.

„Ein gewalttätiger und grooviger Hassbatzen. Gute Musik um Sachen kaputtzumachen. Ich hoffe das Album nimmt dich mit auf eine Reise. Und ich glaube es ist gute Musik um zu brandschatzen. Es ist wohl etwas epischer geworden. Somit wirst du somit beim Durchdrehen wenigstens gut aussehen. Ansonsten fällt mir dazu nichts ein, was nicht nach Schleimerei am potenziellen Publikum klingt. Ich denke die Leute werden es einfach herausfinden müssen.“

Hanno, worauf genau kommt es euch bei eurer neuen Musik am allermeisten an? „Nun, es ist keineswegs so, als dass wir uns neu erfunden hätten. Eigentlich haben wir genau das Gegenteil angestrebt. Kompromisslos zu bleiben und genau das weiterhin zu tun in dem wir am besten sind. Primitiv und stumpf Stress machen. Allerdings sollte man nie den Groove und den eigentlichen Song aus den Augen verlieren. Uns sind ,Songs‘ im klassischen Sinne schon wichtig, Wir interessieren uns nicht sonderlich für Gimmicks und ,Genre-must-have´s‘ wie Blastbeats und Doublebass-Gewitter. Wir können das auch ehrlich gesagt gar nicht so richtig. Unsere Musik ist einfach und das macht sie sehr effektiv.“

Was die Zusammenarbeit zwischen den beiden Protagonisten für die neue Veröffentlichung angeht, dazu erfahren wir:

„Nun ja, wir hatten ja keine Wahl. Entweder wir ziehen alles gemeinsam durch oder eben nichts. Es war stressig. Wir waren beide enorm im Arsch von alledem was 2015 hinter uns lag und waren froh als alles im Kasten und alles vorbei war. Du musst dir vorstellen, dass wir über zwei Jahre fast die ganze Zeit zusammen verbracht haben. Das ist nicht immer ein Spaziergang. Insbesondere nicht für mich, da ich wirklich sehr gern allein bin und ganz gewiss auch nicht für Erinç, weil ich gerne raushängen lasse, wie gern ich eigentlich alleine bin beziehungsweise wäre. Nichtsdestotrotz wäre all das hier nicht möglich, wenn wir uns nicht wirklich sehr mögen und als Freunde schätzen würden. Das Dasein als Duo hat enorm viele Vorteile. Eine harte Probe jedoch ist es immer wenn man unter Anspannung steht. Da man sich auf Tour und im Studio schwer aus dem Weg gehen kann. Allerdings lösen wir Konflikte dadurch immer sofort an Ort und Stelle, da wir einfach keine andere Wahl haben. Die Umstände sind oft zu stressig, um dann auch noch Streit zu haben.“

Da Mantar nach wie vor gänzlich ohne Tieftöner in der Besetzung auskommen, stellt sich die Frage nach dem Grund dafür automatisch. Hanno zieht die Augenbrauen blitzartig hoch, seine Stimme wird aufmüpfig. Er steht nämlich vollauf dahinter:

„Wieso sollten wir? Ich verstehe die Frage nicht. Wir hatten nie einen und haben nicht vor einen zu beschäftigen. Unsere Kompositionen sehen keine anderen Instrumente als Gitarre und Drums vor. Wir sind eine einfache Band. Limitierung ist nicht nur im Line-Up für uns ein wichtiger Bestandteil. Ich glaube die Energie und Spannung zwischen uns beiden als Musiker ist so stark, dass ein wie auch immer talentierter weiterer Musiker diesen speziellen Moment nur verwässern würde. Es geht nicht um die Quantität der Musiker, sondern um das Gefühl zwischen ihnen. Ich glaube wir sind als Liveband auch zu zweit in unseren besten Momenten ziemlich gut. Auch ganz ohne Bassisten.“

Es muss eben simpel sein, damit es für Mantar funktioniert, so der Überzeugungstäter.

„Wenn es dann aber mit besagten simplen, wenigen Mitteln knallt, dann in der Regel richtig. Wir haben entweder ein gutes Riff, oder einen starken Beat. Im besten Fall sogar beides. Die Kompositionen sind bewusst eindimensional und oft primitiv. Ich glaube, dass ist genau der Grund warum diese Band funktioniert. Wir wollen und wollten nie eine ,anspruchsvolle‘ Band sein, sondern immer dem destruktiven Rausch und der Schönheit der Gewalt nachgeben. Insgesamt sagten uns Leute bereits, das neue Album wäre wohl irgendwie dunkler, böser und allgemein atmosphärischer geworden. Ich begrüße das.“

Die Songauswahl für das Album vollzog sich abermalig ziemlich pragmatisch.

„Wir nehmen einfach immer alles auf, was wir zu besagtem Zeitpunkt an Material haben. Schnell und schmucklos. Insgesamt waren das zwölf Songs. Ich denke wir haben einfach die zehn davon ausgewählt, die sich am besten zu einem gemeinsamen Ganzen zusammenfügen lassen und welche die meisten Momente bieten, die wir so auf der ersten Platte noch nicht angeboten haben. Leider ist dieser Prozess oft langwierig und zu viele Köche und Meinungen verderben den Brei. Ich wünschte ich wäre da immer selbstbewusster und würde von Anfang an gleich nach meinem Bauchgefühl gehen. Denn im Endeffekt weiß man es als Musiker selbst doch irgendwie am besten. Ich sollte Recht behalten, denn ich finde die Platte funktioniert gut.“

Das meiste Material entsteht während die beiden zusammen im Proberaum jammen.

„Tatsächlich habe ich aber auch diesmal einiges an Riffs von Zuhause mitgebracht. Was allerdings ein zweischneidiges Schwert ist, da du hohe Erwartungen hast, wie sich das nachher alles anhören soll, jedoch immer erst im Proberaum mit der ,ganzen Band‘ rausfindest, ob und wie etwas für Mantar funktioniert. Ich hatte tolle Ideen, aber manches war einfach zu kompliziert. Manches war hingegen so stumpf, dass ich nie gedacht hätte, dass daraus ein Song wird. So oder so fanden wir beides erst heraus als wir zusammen daran gearbeitet haben. Wie schon oft erwähnt, unsere Mittel sind begrenzt. Manchmal starten wir mit einem Riff. Manchmal mit einem Drumbeat. Oft ist das der interessantere Weg. Ein Riff um einen Beat zu schreiben und nicht umgekehrt.“

Gibt es spezielle Einflüsse zu nennen, die sich in den neuen Stücken von „Ode To The Flame“ finden? „Ich denke nicht. Das klingt kompliziert und zu anspruchsvoll für uns. Wir haben uns bei allen Stücken einfach darauf konzentriert, was wir am besten können. So hart und intensiv wie möglich spielen. Ich glaube es ist gut, dass Erinç mich durch seine doch sehr rudimentäre und groovige Art Schlagzeug zu spielen davon abhält mich in achtminütigen Black Metal-Kakophonien zu verirren. Erinç ist der, der unsere Songs zu ,kurzen‘ intensiven Kloppern macht. Aber natürlich haben wir ein paar neue Sachen ausprobiert. Die Raserei ist glaube ich einfach noch drastischer geworden. Auf der anderen Seite ist der ,Kopf-Nick-und-Fick‘-Faktor insgesamt noch höher.“

Das gesamte Songwriting beziehungsweise Ausarbeiten des neuen Materials nahm laut Hanno etwa drei Monate in Anspruch.

„Natürlich sind einige Ideen, die sich in den letzten zwei Jahren angesammelt haben aber schon deutlich älter. Allerdings schreiben wir nicht zwei Jahre lang neue Songs. Sondern wir machen mit dem Material, das wir haben, in zwei bis drei Monaten zwölf neue Songs und nehmen sie so schnell wie möglich so rau wie möglich auf. Viele Stücke werden erst während der Aufnahme komplett fertig. Wir gehen ins Studio wenn die Lieder erst zu 80 % fertig sind, um den Überraschungseffekt auf unserer Seite zu haben. Der Zufall wird ein wichtiger Teil im Songwritingprozess. Die besten Ideen kommen oft spontan. Wie so oft im Leben.“

„Ode To The Flame“ - was steckt hinter dem Titel?

„Wir wollten im Bezug auf unsere erste Platte ,Death By Burning‘ das Leitmotiv ,Feuer‘ beibehalten. Mir gefällt der Titel ,Ode To The Flame‘ eigentlich sogar noch besser. Er ist elegant und fast poetisch. Ganz ungleich dem Inhalt der Platte. Feuer hat die Kraft alles und jeden auf Null zu setzen und diese Welt ein für allemal von jeglicher Seuche zu befreien. Nichts als Asche wird übrig bleiben. Wir mögen diese Idee sowohl für unsere Texte als auch für unsere Performance. Wir versuchen stets so zu spielen, dass nichts am Leben bleibt. Feuer ist für immer. Wir werden alle eines Tages im Licht vergehen.“

Was die hauptsächlichen lyrischen Inhalte der neuen Scheibe betrifft, so weiß der Sänger und Gitarrist noch zu erzählen:

„Es geht um den Rückzug in die nordischen Wälder an Tag X. Vorbereitet zu sein. Und um die Welt und ihre Bemühungen uns endlich abzuschütteln. Es geht um tausend Jahre lange Winter und die letzte Schlacht, die uns vielleicht bevorsteht. Mehr kann und möchte ich dazu nicht sagen. Wir haben keine Message außer der Kraft der Musik. Ich möchte nicht predigen und auch keine Werte vermitteln.“

Werden Mantar jetzt ausdauernd auf längere Live-Touren geschickt werden? „Nur wenn wir es wollen. Und wenn, dann schicken wir uns selbst.“


© Markus Eck, 25.03.2016

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