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Interview: LOREENA MCKENNITT
Titel: Besinnung auf Wesentliches

Diejenigen Individuen auf dieser Welt, die sich für berührend anmutige und ergiebig spiritualisierende Celtic Mystic-Folklore-Klänge begeistern können, kennen und wertschätzen die fantastische Musik dieser Kanadierin bereits nur zu gerne.

Doch auch alle anderen unstillbar sehnsüchtigen Naturseelen, Feingeister und Weltmusik-Geschmacksmenschen seien jetzt herzlich eingeladen, sich von „Troubadours On The Rhine“ Hörsinne und Fantasie inspirierend verwöhnen zu lassen.

Denn als Überbrückung zu ihrem nächsten regulären Studioalbum veröffentlicht Loreena McKennitt zum europäischen Start ihrer kommenden „Celtic Footprints World Tour 2012“ ein neues Live-Werk.

Geplant sind für diese umfangreiche Konzertreise ganze 32 Auftritte in elf Ländern.

„Troubadours On The Rhine“, diese hochästhetisch erschallende neunteilige Liederkollektion, mithin zeitgleich das erste „Unplugged-Album“ von McKennitt, entstammt einem speziellen Auftritt für ein Radiokonzert des SWR1 in Mainz.

Letzteres zelebrierte die bemerkenswert vielfach linientreue Künstlerin mit Gitarrist Brian Hughes und Cellistin Caroline Lavelle im Zuge einer absolvierten Promotion-Tour für ihr letztes Album „The Wind That Shakes The Barley“.

„Grundsätzlich besteht der Hintergrund meiner neuen Veröffentlichung darin, für die kommende ,Celtic Footprints World Tour 2012‘ ein begleitendes Werk im Programm zu haben. ,The Wind That Shakes The Barley‘ erschien ja Ende 2010. Ich gab dazu flankierend wieder ziemlich viele Auftritte, was mich zu fordern wusste. Und ich widme mich seitdem tendenziell mehr diversen familiären Belangen. So hatte ich mich 2011 umfassend und aufwändig um meine sehr kranke Mutter zu kümmern, welche letztes Jahr leider verstarb. Dieses sehr traurige Ereignis stellt einen unermesslich großen Einschnitt in meinem Leben dar, wie man sich leicht vorstellen kann. Die ganze inhaltsreiche Arbeit für meine Veröffentlichungen, für mein Musiklabel und das ganze weitere Drumherum musste natürlich dennoch möglichst verzögerungsfrei von mir geleistet werden. Das und noch so einiges mehr hat mich sehr in Anspruch genommen, sodass es noch eine Weile dauern wird, bis es ein neues Studioalbum von mir geben wird“, eröffnet die feinfühlige Elfenstimme den Interview-Dialog.

Und Loreena, die sich auch seit Jahren schon selbst ebenso unerschrocken wie tapfer und auch erfolgreich managt, entgegnet dem anteilnehmend ausgesprochenen Mitgefühl des Autoren:

„Manche Leute beziehungsweise Künstler können persönliche Tragödien relativ gut dazu nutzen, um noch mehr als sonst kreativ und produktiv zu sein beziehungsweise den entstandenen Seelenschmerz in gesteigerten Schaffensprozessen zu kompensieren. Was mich persönlich betrifft, nun, ich habe versucht, das Beste aus der Situation zu machen und musikalisch als auch musikgeschäftlich so gut als nur möglich auf dem Laufenden zu bleiben. Ich habe es daher letztlich geschafft, meinen mir gesetzten diesbezüglichen Prioritäten zu entsprechen.“

Als das solcherlei außergewöhnlich angeregte und tiefgründige Gespräch schließlich immer gefühlvoller gerät, dreht sich der weitere Inhalt darum, wie schwer es ausgesprochene Herz- und Gemütsmenschen wie die Kanadierin mittlerweile eigentlich doch tagtäglich haben. Inmitten des schrecklichen Irrsinns, den heutige omnipräsente Massenmedien absondern.

„Es ist insgesamt unleugbar nicht leichter geworden die letzten Jahre. Aber ich konzentriere mich gezielt darauf, meine Musik bestmöglich zu kreieren, und dort nach Möglichkeit zu helfen, wo wirklich dringend Hilfe gebraucht wird“, spricht Loreena andächtig weiter, die neben ihrem edlen musikalischen Wirken auch darüber hinaus als viel beschäftigte und fürsorgliche Umwelt- und Tierrechts-Aktivistin bekannt ist.

Trotz mannigfaltiger Erscheinungsformen der stark manipulativ ausgerichteten globalen Meinungsmacher-Institutionen und auch trotz all der neuen, so genannten „Social Media“-Plattformen, berichtet die Sängerin, werden ihrer Meinung nach beileibe nicht alle Menschen davon zur Oberflächlichkeit und Dekadenz verführt.

Sie selbst kann glücklicherweise keinen Abfall der Besucherzahlen ihrer Konzerte erkennen, so Loreena.

„Gerade Leute, die in diesen Zeiten und unter diesen Umständen mehr denn je nach einem kulturell angereicherten Leben streben, zeigen sich mehr und mehr angewidert von dem ganzen irrsinnigen Treiben. Ich vernehme das beispielsweise immer wieder von einigen sehr engen Freunden. Am schlimmsten empfinden es diejenigen, denke ich, die intellektuell positiv stimuliert werden wollen. Der Hauptteil der Gesellschaften verfällt zwar den vielen Verlockungen auf dieser Ebene, aber eben nicht alle. Leider muss ich schon auch sagen, dass es jedes Jahr noch weniger unversehrte Plätze auf der Welt gibt, an denen Leute zusammenkommen können, die kollektiv einer sehr tiefen Bedeutung huldigen wollen. Dabei ist dies ein unermesslich wichtiger Aspekt. Denn gerade in einer Zeit, in der den Menschen den ganzen Tag in beängstigender Weise vor Augen geführt wird, dass beispielsweise die industriellen Systeme des Globus kurz vor dem Kollabieren stehen und so eine apokalyptische Katastrophe die nächste ablösen könnte, werden solche ,spirituell erleuchtenden‘ und ,echten‘ Zusammenkünfte doch wirklich dringend benötigt. Die Menschheit kommuniziert gegenwärtig so vielfältig wie nie zuvor in digitalen Scheinwelten. Es existiert mittlerweile eine ganze neue Generation, die beinahe ausschließlich über Mobiltelefone beziehungsweise das Internet miteinander kommuniziert. Ich selbst beispielsweise bin ja ohne all diese Innovationen großgeworden. Und ich habe es auch nicht vergessen, was mir früher von Bedeutung war, gerade hinsichtlich Menschlichkeit und Kultur. Allzu viele der heutigen Erdbewohner haben dabei schon fast verlernt, was es heißt, ein tiefes und bedeutungsvolles Gespräch oder eine längere intellektuelle Unterhaltung mit Vernunft und Sinn zu Ende zu führen. “

Für sie persönlich ist das Internet-Zeitalter ohnehin eine echte „Wildwest-Angelegenheit“, wie die kanadische Wunderstimme mit einem sanften Lächeln offenbart.

„Natürlich hat die Online-Möglichkeit uns allen auch eine fantastische Fülle an sehr guten Möglichkeiten gebracht, um unser Leben auf unglaublich vielfältige Weise interessanter und ertragreicher zu gestalten. Und um das eigene Schaffen öffentlich zu dokumentieren. Doch es sollte eben genutzt werden, ohne davon benutzt zu werden. Ich beschäftige mich relativ viel mit dieser Thematik, denn ich nutze das Internet ja selbst sehr viel für meine Musik und die Arbeit mit meinem Label etc. Neulich habe ich beispielsweise einen sehr interessanten Artikel darüber gelesen, dass die Gründerväter der großen Internet-Anbieter aus dem kalifornischen Silicon Valley, wie zum Beispiel Apple und Microsoft, mittlerweile gealtert und gereift, ihre eigenen Kinder größtenteils in die Waldorf-Schule schicken. Also dorthin, wo die Kinder bis zu einem Alter von zehn Jahren gar nicht dem Computer ausgesetzt werden. Und das, während für unzählige restliche, ja beinahe alle Schul-Institutionen weltweit immer mehr Computer-Software erschaffen wird, welche selbst schon die Allerkleinsten zu ,schnellerem‘ und ,effizienterem‘ Lernen bringen soll und mit welcher gemeinhin eine sehr gefährliche Abhängigkeit beginnt. Man kann meiner persönlichen Auffassung nach bei dem wichtigen Thema ,Abhängigkeit‘ sowieso nicht genug warnen. Diese ebenso reichen wie auch mächtigen Leute aus Kalifornien haben also nachgedacht und möchten ihren Nachkommen spezielle Pädagogik zukommen lassen. Ich denke, allein diese Meldung spricht erschöpfend für sich und muss nicht mehr weiter von mir ausgeführt beziehungsweise kommentiert werden.“

Während in mittelalterlichen Zeiten die Menschheit also gerade von der global operierenden Christianisierung des Klerus durch zu wenig bis gar keine Bildung möglichst unwissend gehalten wurde, scheint es heutzutage eher genau umgekehrt.

Und so wird dieses diabolische Ziel in der Moderne nun durch einen wahren Overkill an ständigem Informationsfluss erreicht. Loreena stimmt zu:

„Das mit dem viel zu großen Informationsfluss sehe ich ganz genauso. Auf Dauer kann es kein Mensch aushalten, 24 Stunden am Tag mit teils schrecklichen Inhalten konfrontiert zu sein, ohne ernsthaften psychischen Schaden zu nehmen. Gerade die menschliche Spezies, die ja von der Evolution in Millionen von Jahren unter anderem darauf spezialisiert wurde, Informationen und Zusammenhänge miteinander in Einklang zu bringen, scheint gegenwärtig genau dadurch in wirklicher Gefahr. So ist es auch wirklich kein Wunder, dass der Großteil der heutigen Jugend anscheinend immer frustrierter wird. Letztlich leben wir alle in einer Zeit voller interessanter Herausforderungen.“

Letztlich, so spricht die Vokalistin und Musikerin allen entsprechend Geplagten ganz bewusst frohen Mut zu, sollte man sich daher für sich selbst darauf einigen, sein Leben in einem kleineren Maßstab zu sehen. Die Vielseitige rät weiter:

„Wenn man dabei überlegt, welche Menschen und Dinge im Leben einem wirklich wichtig sind und welche Werte und welche moralischen Ansichten man aufrichtig und aus voller Überzeugung vertritt, lässt sich der tagtägliche Fokus auf die Umgebung schon massiv und wohltuend verringern. Denn mit das Wichtigste im Leben ist doch, wie ich finde, dass man seinen eigenen, ganz persönlichen Freiraum braucht.“

© Markus Eck, 12.02.2012

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