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Interview: LIFELOVER
Titel: Letzter Ausweg: Eigentherapie

Im Jahr 2005 gingen diese betont sozialkritischen schwedischen Individualisten erstmals mit ihrem eigenständigen Black Metal-Material an die Öffentlichkeit.

Seither scheint es für die Gruppe mit dem ironisch gemeinten Bandnamen auch kein Zurück mehr zu geben.

Seit jeher schon lehnten sich die ungewöhnlichen Kompositionen der denkerischen Stockholmer Sarkasten weit in typisch avantgardistische Stilistikbereiche hinein. Und so machen nun auch die Lieder des neuen Albums „Sjukdom“ (übersetzt „Krankheit“) im Zuge solcherlei linientreuer Attitüde keine Ausnahme.

Unsäglich melancholisch gestimmt, zutiefst deprimiert und latent anklagend inszeniert der skandinavische Verbund seinen neuen Abgesang auf die inhumanen Unsäglichkeiten der Moderne.

Dennoch, trotz aller vermeintlichen Riesendüsternis und endlosen Abgründigkeit offenbaren die einzigartigen Lifelover mit ihren perlenden Melodien immer wieder einstrahlende Hoffnungsschimmer in ihrer verschlingenden Musikkunst.

„Natürlich ist unser Bandname absolut ironisch und sarkastisch zu verstehen. Und es steht wirklich kein tieferer Sinn dahinter. Aber der Begriff erfüllt seinen Zweck perfekt: Denn bei fast allen Interviews, die wir führen, bezieht sich die erste Frage an uns auf den Namen Lifelover. Das kann ich natürlich gut verstehen. Grund für die Namensgebung der Band war einst schlicht die Ambition, das Gegenteil dessen damit darzustellen, was wir sind beziehungsweise was wir denken und empfinden. Denn wir sind wirklich keine gewöhnlichen Zeitgenossen, und dessen sind wir uns auch allesamt vollauf bewusst in der Band“, gibt Gitarrist, Sänger und Pianist Jonas ,B‘ Bergqvist in aller Offenheit preis.

So geht es ohne Umschweife im weiteren unverkrampften Dialog dann auch sogleich zu den lyrischen Inhalten dieser verdammt talentierten Außenseiterkapelle über.

„`Sjukdom` ist eigentlich das schwedische Wort für `Krankheit`, doch auch für `Übelkeit` und `Unwohlsein`. Im Sinne dessen haben wir auf der neuen Platte viel aggressivere Songtexte am Start als je zuvor bei Lifelover. Es steckt viel Hass in den Worten, zudem packten wir mehr Stärke und Direktheit rein, als man es von unseren vorhergehenden Veröffentlichungen gewohnt war.“

Da die neuen Kompositionen ebenfalls schwerer und aggressiver ausgefallen sind, passen die Lyriken laut Meinung des Musikers nun perfekt dazu.

„Wir schrieben die Liedtexte schon immer über unser eigenes Leben beziehungsweise über unsere individuellen Erfahrungen, vereinzelt taten wir dies in abstrakt anmutender Weise. So kann man sagen, dass unsere Lyriken sich einfach um das alles drehen, was wir im täglichen Leben durchzumachen haben: Der geneigte Hörer wird aktuell solcherlei Thematiken wie beispielsweise Angst, Negativität, Hass, Drogen und sonstiges Vorstellbares darin entdecken. Genauer beziehungsweise erschöpfend erklärt werden können diese Aneinanderreihungen der Worte von uns nicht, sie sollten daher mit aller Bedacht von jedem einzelnen gelesen und reflektiert werden. Dieses Mal gibt es ohnehin mehr Lieder mit englischen Texten, und wir werden die schwedischen Lyriken übersetzen, sodass jeder Hörer sie nachlesen und interpretieren kann, um das ganze Album bestmöglich zu verstehen“, so B mit betont dezentem Stimmfall.

Wie der leidenschaftliche Mützenträger mir im Weiteren zu berichten weiß, stellt die Gruppe Lifelover tatsächlich das Allerwichtigste für ihn im Leben überhaupt dar. Er lässt tief blicken.

„Ich muss mich auf diese Weise ausdrücken, sonst würde ich verdammt noch mal verrückt werden. Der ganze Hass, das ganze Elend und sonstiges Schlechtes, was mich Tag für Tag umgibt, treibt mich massiv dazu an, mit der Band weiterzumachen. Es ist so schrecklich viel Hass in mir, zugleich füllt mich so viel Angst und Melancholie aus. Ich muss das irgendwie kanalisieren, irgendwie verarbeiten. Lifelover ist der beste Weg für mich, mit dem ganzen Mist umzugehen. Die beste Möglichkeit, all diese mentalen Missstände jeden Tag in meinem Kopf zu sortieren und auszudrücken.“

Wie abschließend noch in Erfahrung zu bringen ist, steht der arg leidgeprüfte Gevatter B total hinter der Metal-Szene seiner Heimat. „Ich mag sehr viele schwedische Bands und ich denke, wir haben eigentlich ja einige der besten Gruppen aus diesem Bereich überhaupt hier bei uns. Leider spielen schwedische Bands eher selten in ihrer Heimat, denn, um ehrlich zu sein: Das Publikum hier bei uns kann ziemlich langweilend sein.“

© Markus Eck, 21.12.2010

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