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Interview: KLABAUTAMANN
Titel: Vertonte Naturstimmungen

Im Jahr 1998 fällten zwei gesellschaftsflüchtige und kreativ hungrige Existenzen den Entschluss, ihre dementsprechenden Empfindungen fürderhin musikalisch umzusetzen.

Die Rede ist von Gitarrist, Bassist und Sänger Tim Steffens, welcher zeitweise auch das Piano bedient – sowie von Florian Toyka, der sich ebenfalls sämtlicher Gitarrensaiten annahm sowie während der Anfänge auch noch ganz gerne auf seinem Trommelset wild herum drosch. Nach zwei Demos veröffentlichte das Duo sein Debütalbum „Our Journey Through The Woods“ zur 2003er Sommerzeit – behilflich war ein Aushilfs-Schlagzeuger. Geboten wird darauf recht atmosphärisch gestimmter Black Folk Metal.

Der kalte Februar 2005 sah die Veröffentlichung des Nachfolgealbums „Der Ort“ auf einem einschlägig bekannten Untergrundlabel – erneut mit Session-Fellklopfer samt zwei Gastvokalisten.

Jüngstes Erzeugnis des bekennend naturverbundenen Doppels aus der nordrhein-westfälischen Ecke Deutschlands ist eine grafisch äußerst geschmackvoll aufgemachte 7“-Picture Disc.

Ich gehe mit einem dieser beiden Klabautermänner ins Detail.

„Anfangs fanden wir die überwiegend doch sehr aufgesetzt wirkenden Attitüden vieler der pseudo-ultra-bösen Black Metal-Bands recht unglaubwürdig und haben das Ganze etwas auf die Schüppe genommen. Nach einer Zeit haben wir allerdings gemerkt, dass uns das selbst auch viel Freude macht und dann sind wir es etwas ernsthafter angegangen – sowohl musikalisch als auch textlich. Ziel war es meist, eine waldige Stimmung zu erzeugen, die Natur spielt eben eine wichtige Rolle in unserer Musik“, weiß der Musikus anfangs zu berichten.

Als Klabautamann damals gegründet wurde, war den Zweien gleich eines klar, so Tim:

„Wir wollten einen Namen haben, der unsere wahre Boshaftigkeit widerspiegelt. Da lag es ja quasi auf der Hand, den Klabautermann als Namensinspiration zu wählen. Musikalisch spiegelt sich das nicht wirklich wieder, allerdings handeln unsere Texte auch von Trollen, Prinzessinnen und Seegeistern, da passt das schon.“

Man liest wirklich sehr wenig über das kreative Gespann aus Meckenheim. Sind sie denn so zurückhaltende Charaktere? Tim hierzu:

„Es kommt nicht so häufig vor, dass wir Interviews angeboten bekommen. Früher haben wir uns aktiv darum bemüht, aber das ist uns irgendwann zu zeitraubend geworden. Sowohl Flo als auch ich haben immer einen vollen Zeitplan.“

Beim Musikmachen geht es den beiden Nordrhein-Westfalen laut Tim schlichtweg um das, was so aus ihnen heraussprudelt. „Ich habe häufig ein starkes Bedürfnis danach, musikalisch produktiv zu sein. Was dabei rauskommt spiegelt häufig dann einfach meine akute Stimmung wieder, oder das, was mich musikalisch gerade beschäftigt. Mir geht's beim Musikmachen aber genauer gesagt um zwei spezifische Dinge: Einmal schlichtweg wie erwähnt darum, Spaß zu haben und mein Kreativitätsbedürfnis zufrieden zu stellen – und andererseits möchte ich gerne die Welt um etwas Schönes bereichern. Das klingt jetzt vermutlich abgehoben, allerdings ist dieser Anspruch aus meiner Sicht schon erfüllt, sobald es Leute gibt, denen unsere Musik gefällt und die sie sich öfter mal reinziehen.“ Gut gesprochen.

Früher wollte Tim Black Metal machen und so klingen wie die Bands, die er gerne gehört hat.

„Die haben mir ja schließlich gut gefallen. Dadurch waren die musikalischen Möglichkeiten aber stark eingeschränkt. Mittlerweile hat sich das geändert. Ich will nicht mehr klingen wie XY – zugegeben, manchmal, wenn ich was richtig Gutes höre, dann kommt mir dieser Gedanke schon noch. Und vor allem will ich mich musikalisch nicht einschränken. Ich bin für jede Bereicherung dankbar, die ich von anderen Musikrichtungen mitnehmen kann.“

Nachfolgend geht es uns um die eingangs erwähnte Bildvinylplatte, also die aktuelle Sieben-Zoll-Scheibe.

„Die Idee kam vom Hoschi von Heavy Horses, der auch "Der Ort" veröffentlicht hat. Uns hat die Vorstellung auch direkt gut gefallen eine ganze Picture-LP zu machen. Ich war etwas skeptisch wegen der Länge beziehungsweise Kürze – denn ich mag grundsätzlich keine Sachen die kürzer als eine halbe Stunde sind. Da muss man schon wieder die Platte wechseln bevor man richtig in Stimmung gekommen ist.“

Ganz zentral steht bei diesem Duo ja Mutter Natur und all die verschiedenen Stimmungen, die sie so mit sich bringt. „Eng damit zusammengehörig sind die Bilder von beispielsweise John Bauer und Theodor Kittelsen. Diese reichern das Ganze noch um eine Art märchenhafte Mystik an. Die beiden Gruppen die unseren musikalischen Stil vermutlich am meisten beeinflusst haben sind Enslaved und Opeth. Allerdings gibt es da auch ganz andere Einflüsse. Seit ein paar Jahren beschäftige ich mich intensiver mit klassischer Musik und moderneren lateinamerikanischen Gitarrenstücken. Dies spiegelt sich in meinen neueren Stücken wieder.“

Das Christentum ist für meinen Gesprächspartner nur eines von vielen menschlichen Machtinstrumenten, wie er im Weiteren offenbart.

„Daher lehne ich es nicht im besonderen Maße ab. Ich lehne das ab, was die Instrumentierung vornimmt, nämlich die Gier nach Macht und Reichtum. Leider ist dies tief im Menschen verwurzelt und ich glaube nicht an die Möglichkeit der Besserung. Ich begnüge mich damit jeden zu verachten, der sich davon leiten lässt.“ Da haben wir was gemeinsam.

Bei MySpace mischen Klabautamann auch mit. Allerdings ist Tim der Sache skeptisch gegenüber eingestellt.

„Ja, da dem Betreiber nämlich bereits ein Großteil der weltweiten Medien gehört. Und nun soll er auch noch Kontrolle über meine private Kommunikation haben? Ich sage da nur: `Big brother is watching you!` Apropos: wie konnte sich diese dumme Fernsehsendung eigentlich genau diesen ursprünglich durch `1984` ja total negativ belegten Namen geben? Egal. Ich denke, dass die modernen Medien ein weitaus größeres Machtmittel sind – oder sein können – als man sich klar macht. Man denke nur an die gefälschten Wikipedia-Einträge im Wahlkampf, um da mal nur eine kleine Sache zu nennen. Nun gut, ich schweife schon wieder ab. Ebenfalls komisch finde ich die MySpace-Mentalität: Seine private Kommunikation fast komplett auf den Pinwänden durchführen und voll `hip` zu sein, weil man 10.000 MySpace-"Freunde" hat. Das ist schon merkwürdig. Gut finde ich allerdings, dass das Ganze eine gute Möglichkeit für Musiker bietet, um sich zu präsentieren und Kontakt zu halten – oder überhaupt erst mal in Kontakt mit anderen zu kommen.“

Der Erfolg schlechthin wäre für den Gitarristen, wenn er irgendwann mal durch musikalische Einnahmen seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte.

„Allerdings habe ich diesen Traum schon aufgegeben. Zumindest fast. Kleine Erfolge sind für mich aber schon, wenn wir ein Konzert spielen und das Publikum genau so viel Spaß hatte wie wir oder wenn jemand etwas Positives über unsere Musik sagt.“

Wir sprechen über das Bedürfnis nach Kunst und Spiritualität im Menschen.

Der Gitarrist, Bassist und Sänger erläutert dabei seine ganz persönliche Sicht der Dinge.

„Das ist etwas allgemein menschliches, dass es zu jeder Zeit gegeben hat. Mein Eindruck ist aber, dass heutzutage die Leute abstumpfen und sich davon abwenden. Viele zumindest. Aber zum Glück gibt es auch noch einige, die nicht Teil dieser stumpfen Masse sein können oder wollen. Das Leben ist doch ganz einfach so viel mehr als das, was heute von vielen als erstrebenswert gehalten wird.“ In der Tat.

Momente im Leben, an denen es nicht mehr weiterzugehen schien, hatte und hat Tim regelmäßig, wie er ganz offen zugibt. „So alle paar Wochen. Bei mir ist es meistens dann mehr durch meinen inneren Zustand, als durch äußere Umstände begründet. Helfen tut dann meistens Sport – zum Beispiel im Wald laufen. Auch habe ich gerade mit Ninjutsu angefangen. [Japanisch, wörtlich übersetzt „die Kunst des Erduldens“ – weil Geduld, Selbstdisziplin und auch Ausdauer zu den relevantesten Tugenden der Ninja-Kämpfer gehörten. A.d.A.] Oder aber auch ausruhen, viel Sonne, Natur, Freunde, gesunde Ernährung, Alkoholverzicht und natürlich die Musik. Allerdings hilft das nicht immer. Dann kann man nur abwarten. Aber die Erfahrung zeigt, dass es irgendwann wieder besser wird.“

Im frühen Jahresverlauf von 2008 wird der singende Saitenschrubber wieder komplett nach Bonn ziehen, wie er wissen lässt.

Derzeit pendelt er noch zwischen Bonn am Wochenende und Stuttgart unter der Woche zum Arbeiten.

„Das ist zeitraubend und anstrengend. Dann werde ich hoffentlich wieder etwas mehr Zeit für Musik haben. Flo und ich wollen uns jetzt wieder intensiver ans Komponieren machen, es gibt ein fertiges neues Stück und circa fünf, die noch in der Mache sind. Christian wird uns wieder textlich unterstützen. Ich werde mich vermutlich auch neuen musikalischen Projekten zuwenden, beispielsweise alte Musik, also Renaissance und Barock, mit Gitarre und Gesang probieren und vermutlich auch noch etwas eher Rockiges. Aber das steht noch in den Sternen. Ebenfalls ist für die fernere Zukunft ein Klabautamann-Konzeptalbum mit dem Thema 'Ozean' angedacht. Aber mehr wird erstmal noch nicht verraten. Hoffnungsvoll bin ich meist dann, wenn es mir gut geht. Daher versuche ich etwas auf mein Wohlergehen zu achten und mir nicht so viel Stress zu machen, was wegen zahlloser Pläne – ich plane für mein Leben gerne – gar nicht so einfach ist. Allerdings sind es auch gerade diese Pläne und damit die Ziele, die ich mir setze, die mich mit Freude in die Zukunft blicken lassen. Markus, hat Spaß gemacht, dieses Interview. Dir auch alles Gute und vielleicht sieht man sich ja mal auf einem Konzert.“ Gerne.

© Markus Eck, 06.01.2008

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