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Interview: ENDSTILLE
Titel: Unermessliche Wut

In Sachen Vehemenz, Verkommenheit, Bestialität und aufrechte hasserfüllte Attitüde konnten über die letzten Jahre wohl nur die Allerwenigsten der einheimischen Black Metal-Brigaden diesen Kieler Killern das unheilige Wasser reichen. Und der im Genre respektierte Name Endstille steht auch 2011 für extrem aufwühlenden und gefährlich kontaminierenden Untergangs-Soundtrack vom Kältesten und Gemeinsten.

Denn mit dem neuen fiesen Album-Virus „Infektion 1813“ verbreitet das erbarmungslose Zornquintett die pure Notenpest. Und diese liedhafte üble Plage weiß Inbrunstvokalist Zingultus mit zahlreichen Höhepunkten noch hochgradig zu verschlimmern.

„Das Musikmachen nimmt bei jedem von uns einen großen Platz im Leben ein und bestimmt einen Großteil unseres Alltags. Das sieht man beispielsweise auch daran, dass jeder von uns neben Endstille auch noch in anderen Projekten tätig ist. Endstille ist nach wie vor die Band, mit der wir die Vorstellung, die wir von Black Metal haben, umsetzen. Das war auch der Grund, warum Endstille überhaupt erst gegründet wurde und warum Endstille immer noch besteht. Außerdem ist Endstille stets eine perfekte Sache, um Aggressionen und Wut auszudrücken und diese auch loszuwerden“, lässt Tieftöner Cruor eingangs vom Stapel.

Nur sehr wenige Künstler aus dem Bereich des mit militaristischen Inhalten gefüllten Black Metal haben wohl so lange durchgehalten wie Endstille.

Der Bassist streift schwer schnaufend die Gasmaske ab:

„Zum einen ist da natürlich das persönliche Interesse an dem Thema Geschichte. Dies ist teilweise mehr als nur ein ‚Hobby’. Unser Gitarrist Wachtfels verschlingt täglich Bücher oder Dokumentationen zu diesen Themen. Ich denke auch, dass ein Grund für unsere hohe Halbwertszeit ist, dass die Geschichte unseres Landes natürlich immer noch einen Effekt auf jeden hat, der in diesem Land aufgewachsen ist oder hier lebt. Die Medien beschäftigen sich ständig mit dem Ersten oder Zweiten Weltkrieg und dessen Auswirkungen. Das Thema ist stets gegenwärtig. Die Geschichte beeinflusst auch immer die Kunst des jeweiligen Landes. Daher ist unser Umgang mit der Vergangenheit unseres Landes sicher auch ehrlicher, als wenn wir beispielsweise aus Schweden oder sonst woher kämen ... dann wäre der Bezug eher konstruiert.“

Das Jahr 1813, so Cruor nachfolgend zum Albumtitel, war ein einschneidendes für die Geschichte Europas oder eher für die ganze Welt.

„Das Jahr der Völkerschlacht. Mehrere Nationen treffen aufeinander. Das hat das Verhältnis zwischen den einzelnen Ländern schon stark geprägt ... die zukünftigen Entwicklungen infiziert. Somit auch im Endeffekt die bisherige musikalische Laufbahn von Endstille. Zu erwähnen ist auch noch, dass im Jahr 1813 das erste Mal das Eiserne Kreuz verliehen wurde.“

Durch die Tatsache, dass Zingultus in Aachen wohnt und der Rest der Band im hohen Norden in Kiel beheimatet ist, gestaltete der Songwriting-Prozess bei Endstille laut Aussage des Bassisten diesmal etwas anders.

„Die Lieder haben wir in Kiel geschrieben, diese dann in unserem Probenraum als eine Art Vorproduktion aufgenommen und anschließend zu Zingultus geschickt. Danach begann Zingultus auf die fertigen Stücke die Texte anzupassen. Dies ist eine Herangehensweise die wir so zuvor nicht hatten, aber dennoch mehr als gut funktioniert hat, da wir dadurch auch sehr genau mit den Songs arbeiten konnten.“

So ist Cruor laut eigenem Bekennen wirklich stolz auf die neue CD. Wir erfahren: „Wenn ich mir die Scheibe anhöre, gefällt sie mir wirklich von Anfang bis Ende. Jedes Stück hat seinen eigenen Charme und keines gleicht dem anderen. Das führte natürlich dazu, dass ‚Infektion 1813’ unheimlich abwechslungsreich geworden ist. Ich denke auch, dass jeder von uns eine superbe Leistung an seinem Instrument abgeliefert hat.“

Wir sprechen im Weiteren noch ein wenig tiefer über die aktuelle Besetzung der Black Metal-Formation. Mit Meister Zingultus haben sich die Kieler Schwarzstahlknechte einen echten Könner ins Boot holen können. Der Tieftöner resümiert dazu:

„Zum einen muss ich sagen, dass Zingultus und wir uns schon sehr lange kennen. Dann kam alles sehr plötzlich. Nachdem unsere Freunde Mannevond und Lugubrem uns auf Konzerten und auf der letzten Tour, als wir keinen festen Sänger hatten, ausgeholfen haben, kam auf einmal Zingultus ins Spiel. Er hatte auf der Tour 2009 in Köln bei uns einen Gastauftritt. Das hat uns, also Zingultus und auch uns, sehr gefallen und plötzlich kam es zu dem Gespräch, ob er nicht dauerhaft bei uns einsteigen möchte. Was dabei raus gekommen ist, kann man sich nun auf der neuen CD anhören.“

Endstille haben zu Anfang des Jahres die Plattenfirma gewechselt und sind nun bei Season Of Mist unter Vertrag.

„Ansonsten gibt es aber keine nennenswerten Veränderungen und es ist zum Glück alles beim Alten. Mittlerweile ist es so, dass wir beinahe in jedem Land eine Fanbase haben ... in dem einen mehr, in dem anderen etwas weniger ... aber man kann schon sagen, dass in einer Menge Ländern ein Haufen kaputter Leute rumlaufen, die unsere Musik sehr mögen. Es ist immer wieder faszinierend zu erleben, aus welchen abgelegenen Ländern E-Mails kommen oder Post von Endstille-Fans eintrifft.“

Wie sieht eigentlich ein idealer Tag für meinen Interviewpartner als Musiker aus?

„Gute Frage! Hab’ ich mir noch nie drüber Gedanken gemacht. Als Musiker ist es natürlich super, wenn man am Abend aus dem Probenraum kommt und man ein cooles neues Lied geschrieben hat. Ein geiles Konzert gespielt zu haben und es danach ordentlich krachen zu lassen, macht einen Tag natürlich auch sehr angenehm. Der Tag, an dem man nach der langen Zeit des Songwritings, des Aufnehmens im Studio, dem Mischen und Mastern mit der fertigen CD in der Hand nach Hause kommt, ist auch jedes Mal der Hammer. Die Scheibe das erste Mal laut auf der eigenen Anlage zu hören ... das ist schon was Besonderes.“

Ich erkundige mich, ob Cruor sich eigentlich vorstellen kann, auch in 30 Jahren noch so extrem und exzessiv wie gegenwärtig auf der Bühne zu spielen. Und der Kerl offenbart dazu in ganz entspannter Manier:

„Es ist schwer zu sagen, ob ich mir das vorstellen kann. Die Zeiten sind heutzutage schließlich völlig anders. Ob solche Karrieren wie früher noch in den alten Metal-Zeiten für heutige Nicht-Pop-Musiker noch möglich sind, ist fragwürdig. Es wäre sicher sehr interessant, Endstille in 30 Jahren live zu sehen ... wenn wir alle zwischen 60 und 70 sind. Anstelle der Zigarette nach dem Auftritt gibt es dann sicher eher die Sauerstoffflasche. Aber wenn es zuvor genügend Bier auf der Bühne gibt, lässt sich da sicher noch was machen.“

Der Dialog bewegt sich in Richtung Beibehaltung der eingeschlagenen stilistischen Richtung der Endstille-Horde.

Cruor gefällt es nicht, wie er äußert, wenn Bands ihren Stil grundlegend ändern.

„Wer bräuchte beispielsweise noch Slayer, wenn sie plötzlich klängen wie irgendeine Rockband? Keiner! So sehe ich das bei Endstille auch. Die CDs sollten nicht klingen wie eine Kopie der Scheibe davor, aber der Stil sollte doch gleich bleiben. Ich meine, wenn ich überraschend Lust darauf hätte, Industrial oder so etwas in der Art zumachen, wäre es doch dämlich, dies unter dem Namen Endstille zu tun. Endstille sollte und wird auch in Zukunft Endstille bleiben. Jetzt gilt aber erstmal: Weg mit der langweiligen Schweinegrippe! Im Jahr 2011 muss die ‚Infektion 1813’ umgehen.“

© Markus Eck, 11.03.2011

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