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Interview: DORNENREICH
Titel: Von steten Kreisläufen

Mittlerweile wandelt Emotionsmensch Evíga auf kreativen Solopfaden. Der Tiroler Sänger und Saitenzupfer trennte sich nämlich im Frühjahr 2006 überraschend von seinem langjährigen Künstlerpartner Valnes.

Das neue und fünfte Studioalbum „Durch den Traum“ wurde daher überwiegend im Alleingang zu Ende gebracht. Im Aufnahmestudio eingespielt wurde diese erneut hochatmosphärische Träumerscheibe schließlich mit diversen Gastmusikern.

Der erneut sehr atmosphärische Mix aus Black Metal, (Neo)Folk und stimmigen Ambient-Parts geht tief unter die Haut. Und ebenso wie es der gänzlich entrückt anmutende Albumvorgänger „Hexenwind“ so gerne tat, so schweben auch die aktuellen Leidenschaftslieder des Meisters mit betörend antirealer Anmut durch das surreal-spirituelle Dornenreich Evígas.

So reise ich mit einigem Erlebensgenuss „Durch den Traum“ und gelange auf diesem Pfade ins geistige Universum des sensiblen österreichischen Urhebers.

„Prinzipiell reizte mich am neuen Plattentitel an sich sowie der dahinter stehenden Konzeption, dass das Ganze nicht eindeutig interpretierbar ist. Am Schluss der Scheibe erschließt sich textlich wohl so Manches. Da singe ich dann: `Durch den Traum reise ich – durch den Traum werde ich`“, flüstert Evíga mir gleich am Eingang zu.

Der Traum selbst stellt auf diesem neuen Silberteller für ihn ein Symbol für ein sehr umfassendes Bewusstsein dar:

„In letzter Zeit las ich sehr viel Bücher von Friedrich W. J. Schelling [1775-1854; A.d.A], er war einer der mit am meisten prägenden Philosophen des deutschen Idealismus beziehungsweise Existenzialismus. Seine Fachgebiete waren Natur-, Kunst- und Religionsphilosophie. Seine Werke gefallen mir sehr gut, denn sie verstehen die Welt als fortschreitende Entwicklung beziehungsweise als Selbsterfahrung eines göttlichen Bewusstseins.“

Evíga ist die Ruhe selbst, wie sich rasch herausstellt.

Er empfindet den starken Glauben an sein vorhergehendes Statement als einen für ihn sehr schön anmutenden und spirituell relevanten Grundgedanken seines Seins, wie er mir dann offenbart:

„Mir gefällt die Denkweise, dass das ganze Weltgeschehen im Eigentlichen aus wiederkehrenden Kreisläufen besteht – Kreisläufe, die eine fortschreitende Bewusstwerdung von etwas Größerem beinhalten und welche letztendlich alles wieder vereinen. Ich favorisiere eben die Philosophie, dass sich trotz aller Individualität jedes Menschen beziehungsweise jedweder Lebensform auf diesem Planeten das große Ganze am Ende wieder in Vollkommenheit eint.“

Jedwede religiöse Aspekte sind dem verspielten Tiroler Tagträumer dabei völlig fremd, wie er mit Nachhaltigkeit verstanden werden will.

„Das spielt sich bei mir absolut konfessionslos beziehungsweise wenn überhaupt, dann im übertragenen Sinne ab. Ich lebe diese Thematik lediglich durch ein starkes Bewusstsein aus. Das wird merklich jedes Jahr stärker in mir, und am Ende meiner spirituellen Reise bin ich wohl noch lange nicht angekommen. Im Laufe der Jahre bin ich geistig zu dem geworden, was ich heute bin – die frühen Tage der ideellen Engstirnigkeit liegen also längst hinter mir.“

Prägende Schlüsselerlebnisse, welche auch im Falle des sanftmütigen Dornenreichherrschers die Grundsteine für solcherlei nonkonforme Ansichten darstellten, gab es laut Evíga zuhauf.

Näheres will er jedoch nicht preisgeben.

„Am meisten veränderten mich die schmerzlichen Erfahrungen, von denen gab es in der Vergangenheit nicht wenige in meinem Leben. Viele leidvolle Abschiede mussten verarbeitet werden, was nicht selten anhaltende Verarbeitungsprozesse in meinem Geiste nach sich zog.“

Letztendlich machte der Künstler aber das Beste daraus und nutzte genannte Empfindungen auf kreativer Basis entsprechend für sein Schaffen mit Dornenreich. „In der Vision, die Dornenreich verkörpert, fanden beziehungsweise finden solcherlei Emotionen ohnehin adäquate Verwendungsmöglichkeiten.“

So fußt auch das neue Album „Durch den Traum“ sowohl musikalisch als auch textlich primär auf stark differierenden Gegensätzen, wie Evíga wissen lässt.

„Ja, ich habe wirklich ein ausgesprochenes Faible für Gegensätzlichkeiten, die ich sich selbst gerne gegenüberstelle oder auch ineinander fließen lasse. Die Möglichkeiten sind da gerade bei Dornenreich glücklicher Weise überaus vielfältig. Die allergrößte Herausforderung war für mich auch beim Erarbeiten der Stücke für die neue Veröffentlichung, dass ich, wie im persönlichen Leben, aus schlimmen beziehungsweise destruktiven Erlebnissen doch am Ende Konstruktives für mich heraus ziehen konnte. Der sinnbildliche Kreislauf eben, den ich angesprochen habe.“

Dieser Kreislauf wird laut Evíga auch exemplarisch durch das neue Frontcover-Artwork des Albums dargestellt, welches nach einiger Pausierung wieder einmal von seinem Vater gepinselt worden ist.

„Das schlicht anzusehende Motiv, also die menschliche Silhouette, welche genau zwischen Sonne und Mond steht, spiegelt in Perfektion den künstlerischen Inhalt von `Durch den Traum` wider.“

Ganz bewusst wurde hier laut abschließender Aussage des Musikers in aller Schlichtheit gearbeitet, um damit die eigentliche Einfachheit des versinnbildlichten Prinzips darzustellen:

„Dadurch, dass mein Vater sich diesmal mehr denn je zuvor meiner Musik annahm, nicht zuletzt auch durch die Gestaltung des Covers, widerfuhr mir sehr viel geistig wohltuende Harmonie von seiner Seite aus – was in mir gehörige künstlerische Kräfteschübe auslöste. So ganz allein war ich also nicht in der Seele nach dem Ausscheiden von Valnes, aber es lief diesmal für `Durch den Traum` schon um einiges ungezwungener ab, was die künstlerischen Entscheidungen dazu betrifft.“

© Markus Eck, 25.10.2006

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