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Interview: BIFRÖST
Titel: Zwischen den Welten

Um ein ebenso scharfes wie stabiles Schwert anzufertigen, dazu bedarf es neben edlem Stahl, Feuer und Hammerkraft großer körperlicher als auch tiefengeistiger Hingabe. Die allermeisten antiken und mittelalterlichen Kulturen wurden von dieser Waffengattung geprägt.

Und was bereits in der frühen europäischen Bronzezeit seinen historischen Anfang nahm, das wird nun auf musikalische Weise von diesen trotzig-humorigen Österreichern fortgeführt.

Denn Bifröst schmieden ihre schneidigen Kompositionen zu wahrlich schwertgleicher Schärfe. Lautstark zusammengerauft hat sich der bissige Heidenhaufen im Jahr 2005 – und mit der Zeit entstand bis heute eine einzigartige stilistische Mischung: Verführerisch vollmelodischer und übermächtig erdonnernder Epic Pagan Metal nämlich, dessen Kraft und Reinheit schier den Atem rauben.

Emotional hochintensiv und spielerisch beeindruckend kompetent. 2006 meißelte die martialische Meute ihre erste unheilige Liedersammlung „Schlachtklänge“ in die Ewigkeit – und darauf enthaltene Liedertitel wie beispielsweise „Asenkrieger“, „Walhalla“, „Honigwein“, „Fimbulwinter“ und „Ragnarök“ machen beileibe keinen Hehl aus den lodernden Leidenschaften dieser inbrünstigen Gevattern.

In Kürze wird das zweite Langspielalbum mit dem programmatischen Titel „Heidenmetal“ erscheinen: Ein triumphal nach vorne stoßender Brecher mit haufenweise Erfolgsqualitäten.

„Die Faszination von der Mischung aus Metal mit traditionellen Thematiken und Instrumenten war schon länger in der Gruppe vorhanden, also machten wir einfach wonach es uns stand. Das Ergebnis hört man auf ‚Heidenmetal’“, zieht Gitarrist Matthias Sollak eingangs mit rauer Stimme vom Leder.

Ich erkundige mich gleich im Anschluss, ob dieser musikideell gefestigte Überzeugungstäter katholisch beziehungsweise nach christlichen „Werten“ erzogen worden ist – beziehungsweise, wie er das ganze bigottische Treiben um sich herum von Kindheit an persönlich miterlebt hat. Matthias – wann also vollzog sich deine Abkehr von dem Ganzen, hin in Richtung ganz persönlich gelebtes Heidentum?

Und der spielfreudige Saitenmann postuliert mit seriöser Meinungsanmut: „Mir wurden als Kind glücklicherweise nie irgendwelche Dogmen aufgezwungen und ich hatte die Chance mir im Laufe meiner Jugend ein nüchternes Bild über all das religiöse Treiben zu machen. Ich war durchaus interessiert an den verschiedenen Religionen und deren Entstehung beziehungsweise Entwicklung, jedoch nicht im Sinne eines gläubigen Anhängers, sondern vielmehr, um zu verstehen was viele Menschen dazu treibt, ihr gesamtes Leben nach der Religion auszurichten. Die eigentlich Frage dazu ist doch: Wie kann es sein, dass kirchliche Institutionen, deren Geschichte von Grausamkeiten, Ausbeutung und Korruption geprägt sind in der heutigen Welt noch Bestand haben? Man möchte meinen, die Vereinigten Staaten von Amerika seien ein aufgeklärtes und fortschrittliches Land, dennoch schaffte es der vorherige Präsident kaum eine Ansprache zu formulieren, in der er nicht mit Gott und dessen Unterstützung zu argumentieren versuchte. Hat man dort soviel Angst vor der Evolutionstheorie, dass man nicht erlauben will, diese in den Schulen zu lehren? Menschen schlachten sich gegenseitig mit dem Glauben daran ab, im Sinne ihrer Religion zu handeln. Meine Antipathie gilt nicht den Religionen selbst, sondern deren Anhängern, die abstoßende Handlungen im Namen des Glaubens tätigen.“

Man möchte zu diesem Themenkontext anmerken, wie es denn sein kann, dass uns mittlerweile alle möglichen Satelliten vom Weltraum aus durchgehend komplett überwachen, dass Raumschiffe mit fahrbaren Vehikeln mittlerweile bis zum Mars (!) geschickt werden etc. etc. – all den Kindern in den zumeist kirchlich geförderten „Kindergärten“ und Schulen aber noch immer von einem steinalten Mann mit wallendem Rauschebart beziehungsweise seinem Sohn erzählt wird, der alles sieht. Und der sie von den Wolken hoch oben aus den ganzen Tag beobachtet und ihnen beim Nasebohren etc. zusieht?

Als sich der Autor ein anhaltendes Lachen dazu wirklich nicht verkneifen kann, steigt Matthias flugs wieder in den ergiebig flüssigen Gesprächsverlauf ein. Und er gibt mit stark gerunzelter Stirn zu Protokoll:

„Ich wäre froh, wenn ich die Antwort darauf wüsste, denn ich habe mir über ähnliche paradoxe Situationen auch schon viele Gedanken gemacht ohne zu einem sinnvollen Schluss zu kommen. Es scheint vielen Menschen einfacher zu erscheinen an etwas absurdes zu glauben, anstatt sich über Hintergründe Gedanken zu machen und sie auf der Suche nach dem logischen Ursprung ihrer Handlungen eventuell zu einem Schluss kommen würden, der ihnen nicht gefällt. Beängstigend, dass sich aufgeklärte Menschen noch durch antiquierte Moralvorstellungen und Sitten beeinflussen lassen, und fragwürdig, warum sich die katholische Kirche nicht schämt, diese noch immer zu verbreiten. Obwohl, immerhin haben sie sich vor ungefähr 20 Jahren eingestanden, dass sich die Sonne doch nicht um die Erde dreht.“

Auch die Kirche weiß eben: Wir sehen die Welt so, wie unser Wissen darüber ist. Ich bitte meinen Gesprächspartner nachfolgend, mir den seiner Auffassung nach wertvollsten heidnischen Grundsatz zu nennen, den sich die heutigen Menschen zu Herzen nehmen können. Wir erfahren:

„Weniger ein Grundsatz als eine Einstellung, die für Toleranz spricht: Nirgends im gesamten Heidentum lässt sich der Vorsatz finden, Leute anderen Glaubens zu missionieren oder gar zu verurteilen. Und gerade dieser essentielle Standpunkt unterscheidet sich gravierend von Religionen wie beispielsweise dem Christentum, bei denen Missionierung ein entscheidender Aspekt ist. Würde dort selbige Einstellung an den Tag gelegt werden, ließen sich viele Konflikte vermeiden.“

Wie lebt ein Mensch wie Matthias nun seine Naturverbundenheit aus, fragt man sich.

Ist der Gitarrist ein naturreligiöser, ein spirituell empfindender Charakter? Als einen sehr spirituellen Zeitgenossen würde sich der Kerl laut eigener Aussage nicht bezeichnen. Dennoch ist er ein Mensch, wie er wissen lässt, der die Natur sehr schätzt, sei es nun ob ihrer Ästhetik oder ihrer unbedingten Notwendigkeit für unser aller Überleben.

„Gerade deswegen ist es schwer verständlich, warum der Mensch so rücksichtslos damit umgeht. Und die Machtlosigkeit dagegen ist auch kein gutes Gefühl. Solange große Industrieländer nicht bereit sind ein wenig umzudenken, kann man als Einzelner zwar guten Willen zeigen, aber nur wenig bewirken.“

Wir sprechen im Weiteren darüber, was eigentlich seine Eltern, all seine Verwandten und die nichtheidnisch empfindenden „Freunde“ von früher zu seinem bissigen Treiben mit Bifröst sagen. Matthias:

„Freunde von ‚früher’ sind jetzt noch immer meine Freunde, denn hätten sie sich aufgrund meines Auseinandersetzens mit Mythologie und Sagen abgewandt, wären es keine wahren Freunde. Generell wäre es ja traurig, wenn man aufgrund des Schaffens von Musik verurteilt würde und bin sehr froh, dass ich diesbezüglich keine negativen Erfahrungen machen musste.“

Dann ist es an der Zeit, mit dem österreichischen Gitarrenliebhaber direkt über den Bandnamen Bifröst zu reden.

„Die Regenbogenbrücke Bifröst verbindet ja bekanntlich Asgard und Midgard. Diese Begebenheit fand ich schon immer interessant, da die direkte Verbindung zwischen Menschen und Gottheiten eine größere Verbundenheit veranschaulicht, die ja in den entsprechenden dazu Sagen auch gut vermittelt wird. Wenn man will, kann man die Brücke auch als Metapher verstehen, sozusagen als Bindeglied verschiedener Einflüsse und Interessen die in der Band herrschen.“

Sebastian, der Schlagzeuger der Truppe, der ehemalige Sänger Patrick und Matthias selbst kennen sich schon seit Anfang der Schule, wie herauszukriegen ist. Und die Beteiligten starteten damals mit ungefähr 15 Jahren Bifröst als eine Art Projekt, wo sie mit spärlichen Kenntnissen ihre Lieder zu Hause aufnahmen, so Matthias, andächtig resümierend:

„Das Ganze ließen wir als CD in geringer Stückzahl pressen, und durch diese Demo bekamen wir Anfragen für Konzerte. Dadurch kamen Christopher, der die gleiche Schule besuchte wie Sebastian und ich als Gitarrist und Alexander als Bassist hinzu. Nach der Schule zogen alle hintereinander nach Wien um dort zu studieren. Da die musikalischen Vorstellungen und Interessen sich anders entwickelt hatten, verließ Patrick die Band und Hrodgar, den ich in Wien kennen gelernt hatte, ersetzte den Vokalistenposten. Da wir uns also größtenteils schon sehr lange kennen, und auch außerhalb der Band viel zusammen unternehmen, funktioniert alles sehr gut. Und das Problem der Distanz gibt es zum Glück eben nicht mehr, da mittlerweile alle Bandmitglieder nach Wien gezogen sind. Bis vor zwei Monaten war es mit Proben recht kompliziert, da ein Teil der Band noch in Salzburg war. Wir haben jetzt einen fixen Proberaum, den wir mit befreundeten Bands teilen und genießen die Möglichkeit, dort wieder regelmäßig gemeinsam lautstark aufzuspielen.“

Und nun gleich weiter zur neuen Bifröst-Veröffentlichung „Heidenmetal“: Wie lief das Songwriting für diese Scheibe, Matthias?

„Ich schrieb Lieder und Texte und zeigte sie nach und nach den anderen Bandmitgliedern, die auch ihre Ideen einbrachten. Bei den Aufnahmen kamen auch wieder weitere Einfälle für Melodielinien dazu, so kamen manche Teile erst dort spontan dazu. An Ideen mangelte es nicht, dennoch nahmen wir zwei Lieder von unserer Demo neu auf, da sie gut ins Bild des Albums passten.“

Der Kompositionsprozess selbst gestaltet sich laut Statement des erzählfreudigen Saitendehners in einer Art eigendynamischer Weise, wie in Erfahrung zu bringen ist. „Man hat bei uns oft spontane Ideen, schreibt diese nieder, und wenn man sie etwas später wieder anhört, dann fällt einem sofort wieder etwas Neues dazu ein. Manche Ideen verwirft man, andere spinnt man weiter. Das ein Lied komplett an einem Tag fertig komponiert war, gab es jedenfalls fast nie.“

Überhaupt, man muss sich, so der Griffbrettknecht, die Ziele hoch stecken um die Motivation beizubehalten. Denn zu arbeiten ohne etwas zu erreichen ist einfach nicht befriedigend, wie er denkt. „Wir wollten einfach ein Album machen, dass uns und den Hörern gefällt, also ein Album, wo wir Ernstes, aber auch Heiteres unterbringen.“ (…)

Er knüpft direkt daran an: „Wir versuchen immer, uns weiterzuentwickeln, sei es nun spieltechnisch oder kompositorisch. Wir versuchen auch natürlich unsere Musik so zu gestalten, dass sie nicht so schnell langweilig wird, und die Hörer immer wieder Neues darin entdecken können. Die musikalischen Interessen aller Bandmitglieder bei uns sind breit gefächert, und neben Metal reichen sie über traditionellen Folk, Stoner Rock, Funk, Klassik und vielem mehr. Unbewusst fließt da so manches vielleicht auch in unsere Musik ein.“

Was Einflüsse und Inspirationen betrifft, wie beispielsweise Bücher, Sagen, Legenden und Filme etc., so kann Matthias außer der Edda nichts speziell hervorheben. Aber:

„Gewisse Eindrücke aus Filmen sind sicher im Schaffungsprozess zu ‚Heidenmetal’ unterbewusst eingeflossen.“

Für ihre Liedertexte auf dem Werk bedienten sie sich an Mythologie, der damaligen Lebensweise sowie geschichtlichen Begebenheiten und mischten sie zusammen.

Von Schlachten und Raubzügen, aber auch von Geselligkeit und Trunkenheit wird also gesungen, so der Gitarrist.

„Es gibt beispielsweise ein Lied auf der Platte, das von einem Mönch erzählt, der das Kloster satt hat und in der nächsten Taverne ordentlich einen drauf macht – und dabei die Fleischeslust für sich entdeckt. Ein anderes Stück wiederum behandelt umschrieben das Absterben unserer natürlichen Umwelt durch die Schuld des Menschen. Es war uns wichtig, nicht einfach nur Sagen zu vertonen, sondern viel Unterschiedliches zu kombinieren.“

Bis jetzt hatten diese tapferen Epic Pagan Metal-Recken ihre Konzerte immer nur im lokalen Umfeld gespielt und dort auch schon einige Fans gewonnen. „Danach gab es leider eine Konzertpause von über einem Jahr, bedingt durch Umzüge, Präsenzdienste und Studiensuchen. Jetzt geht’s aber munter weiter – und es gilt, wieder live präsent zu sein. Wir freuen uns schon drauf! Danke an dich für das Interview, Markus, und auch allen anderen wünschen wir viel Spaß mit unserer neuen Scheibe! Skål!“

© Markus Eck, 22.11.2009

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