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Interview: BERGTHRON
Titel: Altbewährtes mit Neuem verknüpft

1995 brachten sie ihren ersten Demo-Tonträger in Umlauf, welchen die Urheber „Durch den Nebel der Finsternis“ benannten.

Zwei Jahre später ließen die grimmigen Vogtländer Bergthron ihre offizielle Debüt-CD mit dem Titel „Verborgen in den Tiefen der Wälder“ folgen. Der zeitlose Silberdiskus enthält eine überlange Komposition namens „Den treuen Dienern der Nacht“, welche es auf über eine halbe Stunde Spieldauer bringt. Allein die Plattentitel sprechen schon Bände.

Ja, auf recht ungewöhnliche und individuelle Weise beschritten sie ihren ureigenen Heidenmetall-Pfad schon immer, diese rauen Recken. Mittels weiterer, stilistisch bemerkenswert linientreuer Veröffentlichungen mauerten Bergthron ihren Untergrundstatus als beständige Kraft über die nachfolgenden Jahre weiter aus. Das neue Schaffenspostulat wurde „Leben Und Lebenswille“ getauft, eine in drei Einzelscheiben unterteilte Musikaufführung von bislang einmaliger klanglicher Erscheinung.

Naturfreund Wolfgrim sitzt schon von Anfang an fest im Bergthron. Ich habe Glück, denn für mich entrollt der Kerl in seltener Manier die lederne Legende seiner Beweggründe.

„Hier und jetzt auf alle unsere Persönlichkeiten einzeln einzugehen erscheint mir etwas übertrieben für die, die keinen persönlichen Bezug zu jenen haben. Ich will nur so viel sagen, dass sich unsere Charaktere, obwohl so unterschiedlich, in der Musik sehr gut zusammenfügen. Wir haben das Wilde, das Auflodernde und immer Hungrige des Feuers. Wir haben das Ruhige, das alles Überdenkende und Ausgeglichene des Wassers. Wir haben die Beständigkeit der Erde. Wir haben das Suchende und immer Forschende des Himmels. Wir sind heller als der Tag, wir sind dunkler als die Nacht. Also alles Eigenschaften die ihr auch in Bergthron wieder finden könnt“, berichtet Wolfgrim.

Anschließend legt er den Grund dafür dar, warum die neue Veröffentlichung „Leben und Lebenswille“ als aufwändige 3-CD gestaltet wurde.

„Nun, zum einen haben wir festgestellt, dass es einfacher ist, die Musik in verschiedenen Abschnitten zu hören. Es ist ratsam einen Teil zu hören, etwas Met zu trinken, dabei die Texte zu lesen und alles auf sich wirken zu lassen. Um sich dann nach einer Zeit der Ruhe dem nächsten Teil vollkommen widmen zu können. Aber der viel wichtigere Grund ist der, dass die Texte thematisch geteilt sind. Der erste Teil ist dem Element Wasser gewidmet und beschreibt unter anderem wie aus dem Eis beziehungsweise Tod das Wasser beziehungsweise Leben entsteht und handelt im Weiteren über Geschehnisse, die viel mit dieser Naturgewalt zu schaffen haben. Der zweite Teil ist dem Element Erde zugeordnet. Texte und Musik sind eher traditionell-typische Bergthron-Lieder. Der dritte Teil schließlich ist dem Himmel zugeordnet. Die Texte drehen sich beispielsweise um das Nordlicht oder um die Farbe des Feuers der Sonne. Die Lieder sind dementsprechend etwas anders ausgefallen. Die Hörer sollten sich überraschen und vor allem inspirieren lassen.“

Die grafische Gestaltung der aktuellen Veröffentlichung ist so dermaßen untypisch für das beackerte Genre ausgefallen.

Ich frage daher explizit nach, was die primäre Intention dahinter ist.

„Nun was passt besser zu dem Titel „Leben und Lebenswille“ als ein Panoramabild der Sonne, welches im hohen Norden, im Mittsommer und im 24-Stunden-Rhythmus aufgenommen zeigt – wie sie hier nie untergeht? Wie sie, bevor das Meer ihren Körper zu verschlingen droht, wieder voller Kraft und Eifer in den Himmel aufsteigt. Ein Bild voller Hoffnung, Kraft und Anmut. Ein Bild, welches perfekt die Stimmung unserer Musik und Texte wiedergibt. Die gesamte Gestaltung vereint traditionelle, teils folkloristische Elemente mit moderneren Stilmitteln. Sie zeigt den unbedingten Willen zur Weiterentwicklung, denn wir wollen nicht nur wie andere Bands bereits vorhandene Sagen und Ideen wiedergeben, wir wollen die Geschichte unseres Stammes weiter schreiben. Wir wollen Altbewährtes sinnvoll mit dem Neuen verknüpfen. So gesehen ist das Cover vielleicht wirklich etwas andersartig ausgefallen, aber ich denke wir sind alles andere als „typisch“.“

Wolfgrim hat seine gesamte Zeit mit „Leben und Lebenswille“ verbracht. Er wird sehr ausführlich: „Ich habe sehr lange „im großen Kreis aus Eis“ verbracht, dort im hohen Norden, dort wo alles Leben scheinbar endet. Das, was ich dort im Eis entdeckte, war so bewegend, dass ich vollgesogen von neuen Inspirationen und Erkenntnissen zurückkehrte. Meine neuen Texte spielen sich also alle in einer Landschaft ab, die so lebensfeindlich und so karg wirkt, aber doch voller Farben und starker Seelen steckt. Sie handeln davon, wie wertvoll selbst das kleinste Leben ist, wie sich jedes Fünkchen Wärme zu schützen lohnt. Alles hier ist auf das Wesentliche reduziert. Hier kann man nur überleben, wenn man mit der Natur geht. All diese Erfahrungen spiegeln sich in den neuen Texten wieder. Das Werk beginnt mit `Tagesraunen` und beschreibt wie aus dem starren Eise das Leben spendende Wasser entsteht, wie sich die Sonne in der neu gewonnen Wasserfläche wiedererblickt, wie sehr alles nur darauf gewartet beziehungsweise diesen magischen Moment herbeigesehnt hat. `Die Harpunen jagen wieder` knüpft nahtlos an diese Thematik an, erzählt aus der Sicht der Harpunen, über ihre Freude endlich wieder auf die Jagd gehen zu können. Und ihr dürft dabei sein, wenn sich ihre schlanken Körper freudvoll in die eisigen Fluten stürzen. Weiter geht es mit `Im Walhornbann`, einem Talisman, der aus dem Elfenbein des Narwales gewonnen wurde. Erfahrt von seinen beschützenden aber auch gefährlichen Kräften, erfahrt was euch geschehen kann, wenn ihr nicht reif genug seid um ihn zu tragen.“

Er spricht dazu weiter: „`Unter schroffen Segeln` handelt von der gefahrenvollen Suche und Entdeckung Islands, dem Land der Götter. Von einer langen und entbehrungsvollen Fahrt und der erfolgreichen Landname. In `Arktische Hysterie` dreht sich alles um die Verschmelzung der Seele des Eissturmes mit den Körpern der geheimnisvollen Bärenmänner, um die verheerenden Kräfte dieser neuen Wesen der Arktis. In `Feuer der Tundra` geht es um den Kontakt, der durch dieses Feuer mit den Menschen der Vergangenheit erschaffen werden kann. Es endet mit der Bitte an euch, sie nicht nur mit Fragen über sie und ihren alten Geschichten zu quälen, sondern ihnen auch etwas Bewunderung und Segen zurückzugeben, um ihnen somit etwas Hoffnung für ihr gefahrenvollen Leben zu spenden. `Eistrollzorn` handelt von einem Troll, der sein einst so reines Tal, gewaltsam von einer Kirche befreit. Das nächste Lied begleitet eine Schamanin auf ihrer `Geistreise`. Sie soll dort in Erfahrung bringen, wer den nächsten harten Winter nicht überleben wird. Ihr könnt sie auf einem weißen Ren reitend begleiten, wenn sie auf dem Weg zur Unterwelt zwei Menschen ihres Stammes überholt. `Tausend Berge, tausend Flüsse... ` handelt von der wunderbaren Kälte des Nordens, die altes Leben nimmt und somit den Weg für neue Seelen ebnet. `Unter dem Bogen des Nordlichtes` beginnt mit einem Mann, der am Ende seiner Kräfte, allein in einer riesigen Eiswüste steht – einem Mann, der hoffnungslos zum Himmel aufblickt und dort das Nordlicht erblickt. Dieses schenkt ihm neue Kraft und neue Wärme, das Feuer des Himmels wird zum Feuer in seinem Blut. Es endet damit, dass es schließlich sein Leben rettet. `Rot` erklärt, wie diese Farbe zur Erde kam und warum sie nun als Wärme spendende – durch alle Adern fließende – Kraft verehrt wird.“

Mehr: „`In des Freudentaumels Griff` erzählt von einem Mann, der um die Aufmerksamkeit und Gunst der Götter bittet. Wie er mit den Naturgewalten tanzt und schließlich den Göttern helfen darf, wenn sie dabei sind das Schicksal der Seelen und der Gestirne zu bestimmen. Er erkennt, wie schwierig und wie weitreichend die Folgen ihrer Himmelsfahrten sind und bittet sie völlig überfordert um sein altes Leben zurück. Er hat nun begriffen wie schön selbst das einfache Leben hier im Eise ist. Doch auch wenn diese Geschichten nun in Stichpunkten und kurzen Erklärungen wiedergeben sind, so können sie hier ihre Kräfte nicht entfesseln. Man muss sie unbedingt selber lesen und ich denke meine Entbehrungen, meine Visionen und Meditationen im Eis sind so fesselnd, dass sie es wert sind von jedem Einzelnen neu belebt und entdeckt zu werden.“

Laut nachfolgender Aussage von Wolfgrim sind es immer noch dieselben Ziele die sie als Bergthron verfolgen.

„Wir wollen die für uns bestmögliche Kunst erschaffen. Texte, Bilder und Musik müssen eine undurchdringbare Einheit bilden, eine eigene Welt in der man gefangen und vollkommen von der Außenwelt getrennt ist. Und unser Motor ist immer noch die Natur. Sie soll uns inspirieren – wir wollen von ihr lernen – und die Erfahrungen, das Wissen weitergeben. Wir wollen der Welt etwas zurückgeben, wollen neue Wege und Impulse aufzeigen, wir wollen gestallten und formen. Wir wollen die Welt aktiv nach unseren Idealen verändern und in der Musik steckt hierfür allergrößte Macht. Kultur ist Evolution, die wir steuern“, platzt es lautstark aus ihm heraus.

Er persönlich hat keine Kontakte mehr zur „Szene“ dieser Musikrichtung, wie der Musikus in aller Offenheit bekennt. „Bergthron und unser Label Perverted Taste sind meine einzigen Berührungspunkte. Letzteren muss ich hier noch einmal Dank sagen, da sie uns die Zeit und vor allem die Ruhe lassen die wir für unsere Kunst benötigen – was ja sehr wichtig ist, gerade für eine Band wie uns, die so unabhängig und unregelmäßig agiert. Aber zurück zur Szene: Raik ist unsere Kontaktperson nach draußen und er ist darüber hinaus noch sehr an der Szene interessiert und involviert – und kennt glaube ich alle „wichtigen Schwarzkittel“.“

Für Wolfgrim hat das Wort Freizeit keine Bedeutung. Er widmet sein ganzes Leben Bergthron und verschiedenen Studien.

„Ich bin mit Bergthron vollauf beschäftigt, Lieder und Texte zu entwickeln. Die Covergestaltung, der langwierige Aufnahmeprozess, Konzepte erstellen, Interviews etc. All das machen wir ja selbst, so dass für mich, um wieder auf meine Person zurückzukommen, keine Zeit oder Interesse für alltägliche Dinge bleibt. Es ist wahrscheinlich meine Bestimmung, neue Welten zu erwecken und zu erschaffen – und für nichts anderes steht Bergthron.“

Alkohol trinken die Beteiligten gerne, wie berichtet wird.

„Eigentlich müsste ich ja jetzt sagen, dass mir Einsiedler Bier – ja, das gibt es wirklich – am besten schmeckt. Aber ich bevorzuge den eher bitteren, hopfigen Geschmack beispielsweise des Jevers. Aber um mal eine andere Band zu zitieren: „Man kann sich getrost jedes Deutsche Bier hinter die Binde kippen“.“

Der Gruppenname Bergthron hat mich von Anbeginn immer wieder zum tiefsinnigen Nachdenken angeregt. Und jetzt ist es endlich an der Zeit, seine genauere Bedeutung erfahren zu können.

„Als Nietzsche schrieb „Gott ist Tod“, meinte er damit nicht, dass Gott je existierte und nun den physischen Tod erlitten habe. Sondern, dass die Menschheit endlich reif sein müsste, um Eigenverantwortung zu übernehmen, ihr Schicksal in eigene Hände zu nehmen und nicht mehr auf „höhere Wesen“ vertrauen solle. Aber wie mir scheint ist sie einfach noch nicht reif und wird es vielleicht auch nie sein. Wie wir sehen, hat die christliche Religion hier versagt, ihre Ursprünge spielen sich, in einer uns fremden Landschaft mit anderen Menschen und anderen Traditionen ab. Auch wenn sie hier viele heidnische Rituale übernommen und vermischt hat, so können sich die Menschen in ihr nicht wieder finden. Wie auch? Wir brauchen dunkle Wälder, stille Seen, geheimnisvolle Moore etc. Das ist, wo wir hingehen können, was wir mit eigenen Augen sehen und mit allen Sinnen erfahren können. Die Wüsten aus Hitze und Sand können uns keine spirituellen Kräfte vermitteln. Den Menschen dort ja – aber nicht den Germanen. Aber wir sollten nicht jammern, nicht nur prangernd auf Staat und „Gott“ verweisen. Wir müssen selbst erkennen – lernen – und handeln, wir können die Welt zu unseren Gunsten verändern. Ja, wir müssen, denn nur den Menschen wird es einst möglich sein, das Leben, wenn unsere Sonne tot ist, weiterzugeben. Also lasst uns zusammen forschen, kreieren und erschaffen – wir finden einen Weg!“

Das Leben findet aber am Ende immer seinen Weg, wie Wolfgrim sich selbst ergänzt.

„Und zu aller Schluss ist es egal wer, wie und wann, groß und wohlhabend war. Es gibt auch namhafte Autoren, die behaupten, dass die Globalisierung mehr Nutzen, als Schaden bringt. Aber eines ist sicher: Den Armen geht es historisch gesehen immer „besser“. Hier in Deutschland sind ihre Grundbedürfnisse mehrfach gedeckt. Wer selbst anpackt und sich nicht nur auf andere verlässt, kann in unserer Gesellschaftsform alles erreichen, kann groß und stark werden, kann dann den Schwächeren helfen. Ich denke es ist leicht zu sagen, ich würde dies oder das ändern. Weit aus schwieriger ist das „Wie“. Große Gesellschaftsformen lassen sich nur langsam verändern. Bevölkerungsmäßig kleinere Länder können viel besser Einfluss nehmen auf ihre Entwicklung. Wenn wir etwas verändern, wird es erst in vielen Jahren sichtbar werden und das macht es jeder Regierung so schwer. Schnelle Ergebnisse können hier nicht so einfach erzielt werden. Ich will mir nicht anmaßen, ein besseres Konzept für ein besseres Land zu haben. Mein Wirkungsfeld ist die Kunst, die Musik, nur hier kann ich versuchen die Menschen und ihre Ziele zu beeinflussen.“

Zum Black- und Pagan Metal-Trend äußert er sich wie folgt: „Es ist doch wie mit allen anderen Erscheinungen auch; die Guten und Außergewöhnlichen werden überleben, die, die nur nacheifern und anderer Männer Gefühle kopieren, werden sterben. So einfach ist das. Aber ich will hier keine Zeilen mehr an irgendwelche hypothetischen Szenarien verschwenden, für Bergthron bleibt es so oder so immer gleich.“

Momentan könnte sich Wolfgrim auch sehr gut vorstellen, noch einmal in die Arktis zurückzukehren, wie er verrät.

„Wer einmal das irrsinnige Flackern des Nordlichtes erlebt hat, ist auf ewig von seiner geisterhaften Schönheit gegeiselt und besessen. Niemals wird er sich satt sehen können an seinem, sich in ständig neuen Nuancen und Formen bietenden Leuchten. Niemals wird sein Leben so sein wie es zuvor einst war. Denn zurück kehrt jeder, der einmal unter seinem Banne stand!“

Es kann also durchaus sein, dass sich die nächsten Welten der Formation wieder aus Eis, Kälte und dem alles durchdringenden Streben nach Licht und Wärme zusammensetzen, so lässt der Heidenmusikant wissen.

„Gut möglich, dass wieder mehrere Jahre ins Land gehen bis zur nächsten Bergthron-Veröffentlichung. Ansonsten bleibt es wie bereits weiter oben erwähnt. Wir wollen die beste Musik, die besten Texte, das beste Gesamtkonzept erschaffen. Wir wollen Kunst so präsentieren wie sie es unseren Vorstellungen nach sein muss.“

Auf den viel zitierten Brettern, die die Welt bedeuteten, standen die Vogtländer Jagdheimer bislang leider noch nicht.

„Wir hatten noch keine Bühnenattacken und über kommende kann ich auch nichts berichten. Fest steht: Alle Welten schlafen solange, bis sie durch schöpferische Akte der Menschen zum Leben erweckt werden. So lautet eine uralte Weisheit der Nordvölker. Wir wollen dieser Tradition folgen. Wir wollen erwecken und erschaffen. Wir wollen gestalten und formen. Wir bilden die große Einheit aus Kunst und Leben!“

© Markus Eck, 08.03.2007

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